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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Der Geschäftsbetrieb der preußischen Verwaltung

Staat, daß die Gemeinde auch jetzt noch unabhängig vom Staat sein müsse
und bestreitet dem Staate grundsätzlich das Recht, sich um die Gemeinde¬
verwaltung zu kümmern. Da diese Theorie manchen persönlichen Bestrebungen
trefflich entgegenkommt, so ist es nicht verwunderlich, daß sie auch außerhalb
der Kreise ihrer Urheber weit verbreitet ist und lebhaft anerkannt wird. So
entsteht ein scharfer Gegensatz zwischen dem Staat und der Gemeinde und jede
pflichtgemäße, sachlich oft nur zu gut begründete Einwirkung einer Stnats-
aufsichtsbehörde aus eine Gemeindeverwaltung wird sofort als "schwerer Eingriff
in die Selbstverwaltung" empfunden und in die Welt hinausgeschrieu. Die
letzte Folgerung aus dieser Auffassung ist, daß die Gemeinden Staaten im
Staate siud, womit dieser in seine Bestandteile aufgelöst werden würde. Dies
entspricht nicht dem geltende" Recht, noch den Forderungen einer gesunden
Staatspraxis. Hiernach sind vielmehr die Gemeinden und die höheren Gemeinde-
Verbünde Glieder des Staats und nach bestimmten Grundsätzen der Arbeitsteilung
berufen, an der Erfüllung der Staatszwecke mitzuarbeiten.

Um so bedauerlicher ist es, daß ein Verwaltungsbeamter wie Lotz dieser
Auffassung nachgibt, noch bedauerlicher allerdings, daß sie auch an wichtigeren
Stellen Eindruck macht. Wenn ein neuer Oberpräsident oder Regierungs¬
präsident eine Stadtverordnetenversanunlung begrüßt, dann versäumt er niemals,
feierlichst zu versichern, daß er ein überzeugter Freund der Selbstverwaltung
sei und dementsprechend sein Aufsichtsrecht ausüben werde. Dagegen unterläßt
er es regelmüßig, dabei auf die wirkliche Bedeutung der Selbstverwaltung hin¬
zuweisen und seinen Zuhörern namentlich klar zu machen, daß die Gemeinden
nicht kleine Staaten im Staate sind, sondern Glieder und Organe des Staats,
der ihnen übergeordnet ist und ihnen allgemein oder jeweilig durch besondere
Anordnungen ihren Aufgabeukreis als einen Ausschnitt ans den allgemeinen
Staatsausgaben zuweist, häufig auch die zur Durchführung dieser Ausgaben
nötigen Mittel gewährt, und daß demgemäß die Tätigkeit der Gemeinde zur
Erledigung dieses Aufgabenkreises, die Selbstverwaltung, auch nicht dem Ein¬
fluß des Staats entzogen sein dürfe, daß vielmehr die Staatsaufsicht die Auf¬
gabe habe, dieses Verhältnis jederzeit aufrecht zu erhalten. Würden die Herren
so sprechen, dann würden sie vielleicht auf manche billigen Augenblickslorbccrcn
verzichten müssen, sie würden sich aber auf die Dauer die schwere Aufgabe,
nach einem Worte Heinrichs von Treitschke die Selbsttätigkeit der ihnen
unterstellten Gemeinden immer zu vereinigen mit einer wirklichen kräftigen
Staatsgewalt, wesentlich erleichtern, dem Wohle der Gemeinden und des
Staatsganzen sehr viel besser dienen und vor allem nicht das Ansehen
und die Bedeutung des Staats auf einer der wichtigsten Stellen bedenklich
gefährden.

Was endlich Lotz über den Bureaukratismus in der inneren Verwaltung
sagt, läßt sich mangels jeder näheren Angabe nicht nachprüfen. Die von ihm
behaupteten Mißstände auf dem Gebiet der äußeren Schulsachen waren in dem


Der Geschäftsbetrieb der preußischen Verwaltung

Staat, daß die Gemeinde auch jetzt noch unabhängig vom Staat sein müsse
und bestreitet dem Staate grundsätzlich das Recht, sich um die Gemeinde¬
verwaltung zu kümmern. Da diese Theorie manchen persönlichen Bestrebungen
trefflich entgegenkommt, so ist es nicht verwunderlich, daß sie auch außerhalb
der Kreise ihrer Urheber weit verbreitet ist und lebhaft anerkannt wird. So
entsteht ein scharfer Gegensatz zwischen dem Staat und der Gemeinde und jede
pflichtgemäße, sachlich oft nur zu gut begründete Einwirkung einer Stnats-
aufsichtsbehörde aus eine Gemeindeverwaltung wird sofort als „schwerer Eingriff
in die Selbstverwaltung" empfunden und in die Welt hinausgeschrieu. Die
letzte Folgerung aus dieser Auffassung ist, daß die Gemeinden Staaten im
Staate siud, womit dieser in seine Bestandteile aufgelöst werden würde. Dies
entspricht nicht dem geltende« Recht, noch den Forderungen einer gesunden
Staatspraxis. Hiernach sind vielmehr die Gemeinden und die höheren Gemeinde-
Verbünde Glieder des Staats und nach bestimmten Grundsätzen der Arbeitsteilung
berufen, an der Erfüllung der Staatszwecke mitzuarbeiten.

Um so bedauerlicher ist es, daß ein Verwaltungsbeamter wie Lotz dieser
Auffassung nachgibt, noch bedauerlicher allerdings, daß sie auch an wichtigeren
Stellen Eindruck macht. Wenn ein neuer Oberpräsident oder Regierungs¬
präsident eine Stadtverordnetenversanunlung begrüßt, dann versäumt er niemals,
feierlichst zu versichern, daß er ein überzeugter Freund der Selbstverwaltung
sei und dementsprechend sein Aufsichtsrecht ausüben werde. Dagegen unterläßt
er es regelmüßig, dabei auf die wirkliche Bedeutung der Selbstverwaltung hin¬
zuweisen und seinen Zuhörern namentlich klar zu machen, daß die Gemeinden
nicht kleine Staaten im Staate sind, sondern Glieder und Organe des Staats,
der ihnen übergeordnet ist und ihnen allgemein oder jeweilig durch besondere
Anordnungen ihren Aufgabeukreis als einen Ausschnitt ans den allgemeinen
Staatsausgaben zuweist, häufig auch die zur Durchführung dieser Ausgaben
nötigen Mittel gewährt, und daß demgemäß die Tätigkeit der Gemeinde zur
Erledigung dieses Aufgabenkreises, die Selbstverwaltung, auch nicht dem Ein¬
fluß des Staats entzogen sein dürfe, daß vielmehr die Staatsaufsicht die Auf¬
gabe habe, dieses Verhältnis jederzeit aufrecht zu erhalten. Würden die Herren
so sprechen, dann würden sie vielleicht auf manche billigen Augenblickslorbccrcn
verzichten müssen, sie würden sich aber auf die Dauer die schwere Aufgabe,
nach einem Worte Heinrichs von Treitschke die Selbsttätigkeit der ihnen
unterstellten Gemeinden immer zu vereinigen mit einer wirklichen kräftigen
Staatsgewalt, wesentlich erleichtern, dem Wohle der Gemeinden und des
Staatsganzen sehr viel besser dienen und vor allem nicht das Ansehen
und die Bedeutung des Staats auf einer der wichtigsten Stellen bedenklich
gefährden.

Was endlich Lotz über den Bureaukratismus in der inneren Verwaltung
sagt, läßt sich mangels jeder näheren Angabe nicht nachprüfen. Die von ihm
behaupteten Mißstände auf dem Gebiet der äußeren Schulsachen waren in dem


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[0175] Der Geschäftsbetrieb der preußischen Verwaltung Staat, daß die Gemeinde auch jetzt noch unabhängig vom Staat sein müsse und bestreitet dem Staate grundsätzlich das Recht, sich um die Gemeinde¬ verwaltung zu kümmern. Da diese Theorie manchen persönlichen Bestrebungen trefflich entgegenkommt, so ist es nicht verwunderlich, daß sie auch außerhalb der Kreise ihrer Urheber weit verbreitet ist und lebhaft anerkannt wird. So entsteht ein scharfer Gegensatz zwischen dem Staat und der Gemeinde und jede pflichtgemäße, sachlich oft nur zu gut begründete Einwirkung einer Stnats- aufsichtsbehörde aus eine Gemeindeverwaltung wird sofort als „schwerer Eingriff in die Selbstverwaltung" empfunden und in die Welt hinausgeschrieu. Die letzte Folgerung aus dieser Auffassung ist, daß die Gemeinden Staaten im Staate siud, womit dieser in seine Bestandteile aufgelöst werden würde. Dies entspricht nicht dem geltende« Recht, noch den Forderungen einer gesunden Staatspraxis. Hiernach sind vielmehr die Gemeinden und die höheren Gemeinde- Verbünde Glieder des Staats und nach bestimmten Grundsätzen der Arbeitsteilung berufen, an der Erfüllung der Staatszwecke mitzuarbeiten. Um so bedauerlicher ist es, daß ein Verwaltungsbeamter wie Lotz dieser Auffassung nachgibt, noch bedauerlicher allerdings, daß sie auch an wichtigeren Stellen Eindruck macht. Wenn ein neuer Oberpräsident oder Regierungs¬ präsident eine Stadtverordnetenversanunlung begrüßt, dann versäumt er niemals, feierlichst zu versichern, daß er ein überzeugter Freund der Selbstverwaltung sei und dementsprechend sein Aufsichtsrecht ausüben werde. Dagegen unterläßt er es regelmüßig, dabei auf die wirkliche Bedeutung der Selbstverwaltung hin¬ zuweisen und seinen Zuhörern namentlich klar zu machen, daß die Gemeinden nicht kleine Staaten im Staate sind, sondern Glieder und Organe des Staats, der ihnen übergeordnet ist und ihnen allgemein oder jeweilig durch besondere Anordnungen ihren Aufgabeukreis als einen Ausschnitt ans den allgemeinen Staatsausgaben zuweist, häufig auch die zur Durchführung dieser Ausgaben nötigen Mittel gewährt, und daß demgemäß die Tätigkeit der Gemeinde zur Erledigung dieses Aufgabenkreises, die Selbstverwaltung, auch nicht dem Ein¬ fluß des Staats entzogen sein dürfe, daß vielmehr die Staatsaufsicht die Auf¬ gabe habe, dieses Verhältnis jederzeit aufrecht zu erhalten. Würden die Herren so sprechen, dann würden sie vielleicht auf manche billigen Augenblickslorbccrcn verzichten müssen, sie würden sich aber auf die Dauer die schwere Aufgabe, nach einem Worte Heinrichs von Treitschke die Selbsttätigkeit der ihnen unterstellten Gemeinden immer zu vereinigen mit einer wirklichen kräftigen Staatsgewalt, wesentlich erleichtern, dem Wohle der Gemeinden und des Staatsganzen sehr viel besser dienen und vor allem nicht das Ansehen und die Bedeutung des Staats auf einer der wichtigsten Stellen bedenklich gefährden. Was endlich Lotz über den Bureaukratismus in der inneren Verwaltung sagt, läßt sich mangels jeder näheren Angabe nicht nachprüfen. Die von ihm behaupteten Mißstände auf dem Gebiet der äußeren Schulsachen waren in dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/175>, abgerufen am 04.07.2024.