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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Lrnst Moritz Arndt

machen, wenn in der ihre Sache führenden Presse immer von ihrem deutschen
Unternehmen gegenüber der französischen Union des Mines Marrocaines die
Rede ist. In der Union ist bekanntlich ein sehr bedeutendes deutsches Kapital
beteiligt, dem die deutsche Regierung Schutz und Vertretung nicht entziehen kann.

Doch das nebenbei! Die Hauptfrage ist: Wohin soll es führen, wenn
deutsche Privatleute im Auslande den Anspruch erheben, daß das Reich ihre
Rechte durchaus in einer Form und auf Wegen vertreten soll, die mit der
wohlüberlegten Gesamtpolitik und den übernommenen internationalen Verpflich¬
t w. v. Massow ungen in unlösbare:" Widerspruch stehen?




Lrnst Moritz Arndt
(zum 2Y, Januar, seinem funfzigsten Todestage)
von Victor Alemperer

enkmäls-Errichtungen waren in dem ärmeren und zersplitterten
Deutschland vor der Reichsgründung naturgemäß ein bedächtigeres
und selteneres Beginnen als heute. Dennoch stand "Vater"
Arndts Denkmal schon fünf Jahre nach seinein Tode am linken
Rheinufer in Bonn, auf Posten gleichsam, wie der Alte Jahr¬
zehnt um Jahrzehnt auf Posten gestanden hatte. Es war "errichtet vom
deutschen Volke", und auch diese Inschrift bekundete damals, wo es ja nur eine
gedankliche und gefühlsmäßige deutsche Einheit gab, ungleich Innigeres als jetzt.
Literarisch hatte Arndt bereits in seinen: Todesjahr in den "Preußischen Jahr¬
büchern" durch R. Hauen ein würdiges und, wie nur scheint, wahrhaft voll¬
kommenes Denkmal erhalten; das Jahr des ehernen Standbilds brachte dann
eine erst sehr ausführliche (freilich uicht tiefgreifende) Lebensbeschreibung von
E. Langenberg, und später folgten noch einige andere Veröffentlichungen über
den leidenschaftlichen Patrioten, unter denen Gustav Freytags Aufsatz in der
"Allgemeinen deutschen Biographie" nur der Länge, nicht den: Gehalt nach den
letzten Platz einnimmt.

Heute ist das Lebenswerk des so stürmisch geliebten und vielgeehrten
Mannes -- nicht vergessen, das wäre eine Übertreibung, denn noch lernen die
Schiller, singen die Soldaten, Turner, Studenten seine feurigsten Lieder. Aber
sehr zurückgesunken und zusanunengeschnwlzen ist freilich Arndts ausgedehntes
Werk im Gedächtnis der Heutigen; seine Prosa kennen nur noch die wenigsten.
Diese Feststellung ist kaum mit einem Tadel zu verbinden, müßte man doch
sonst den natürlichen Verlauf der Dinge tadeln. In einem gediegenen Vortrag:


Lrnst Moritz Arndt

machen, wenn in der ihre Sache führenden Presse immer von ihrem deutschen
Unternehmen gegenüber der französischen Union des Mines Marrocaines die
Rede ist. In der Union ist bekanntlich ein sehr bedeutendes deutsches Kapital
beteiligt, dem die deutsche Regierung Schutz und Vertretung nicht entziehen kann.

Doch das nebenbei! Die Hauptfrage ist: Wohin soll es führen, wenn
deutsche Privatleute im Auslande den Anspruch erheben, daß das Reich ihre
Rechte durchaus in einer Form und auf Wegen vertreten soll, die mit der
wohlüberlegten Gesamtpolitik und den übernommenen internationalen Verpflich¬
t w. v. Massow ungen in unlösbare:» Widerspruch stehen?




Lrnst Moritz Arndt
(zum 2Y, Januar, seinem funfzigsten Todestage)
von Victor Alemperer

enkmäls-Errichtungen waren in dem ärmeren und zersplitterten
Deutschland vor der Reichsgründung naturgemäß ein bedächtigeres
und selteneres Beginnen als heute. Dennoch stand „Vater"
Arndts Denkmal schon fünf Jahre nach seinein Tode am linken
Rheinufer in Bonn, auf Posten gleichsam, wie der Alte Jahr¬
zehnt um Jahrzehnt auf Posten gestanden hatte. Es war „errichtet vom
deutschen Volke", und auch diese Inschrift bekundete damals, wo es ja nur eine
gedankliche und gefühlsmäßige deutsche Einheit gab, ungleich Innigeres als jetzt.
Literarisch hatte Arndt bereits in seinen: Todesjahr in den „Preußischen Jahr¬
büchern" durch R. Hauen ein würdiges und, wie nur scheint, wahrhaft voll¬
kommenes Denkmal erhalten; das Jahr des ehernen Standbilds brachte dann
eine erst sehr ausführliche (freilich uicht tiefgreifende) Lebensbeschreibung von
E. Langenberg, und später folgten noch einige andere Veröffentlichungen über
den leidenschaftlichen Patrioten, unter denen Gustav Freytags Aufsatz in der
„Allgemeinen deutschen Biographie" nur der Länge, nicht den: Gehalt nach den
letzten Platz einnimmt.

Heute ist das Lebenswerk des so stürmisch geliebten und vielgeehrten
Mannes — nicht vergessen, das wäre eine Übertreibung, denn noch lernen die
Schiller, singen die Soldaten, Turner, Studenten seine feurigsten Lieder. Aber
sehr zurückgesunken und zusanunengeschnwlzen ist freilich Arndts ausgedehntes
Werk im Gedächtnis der Heutigen; seine Prosa kennen nur noch die wenigsten.
Diese Feststellung ist kaum mit einem Tadel zu verbinden, müßte man doch
sonst den natürlichen Verlauf der Dinge tadeln. In einem gediegenen Vortrag:


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[0161] Lrnst Moritz Arndt machen, wenn in der ihre Sache führenden Presse immer von ihrem deutschen Unternehmen gegenüber der französischen Union des Mines Marrocaines die Rede ist. In der Union ist bekanntlich ein sehr bedeutendes deutsches Kapital beteiligt, dem die deutsche Regierung Schutz und Vertretung nicht entziehen kann. Doch das nebenbei! Die Hauptfrage ist: Wohin soll es führen, wenn deutsche Privatleute im Auslande den Anspruch erheben, daß das Reich ihre Rechte durchaus in einer Form und auf Wegen vertreten soll, die mit der wohlüberlegten Gesamtpolitik und den übernommenen internationalen Verpflich¬ t w. v. Massow ungen in unlösbare:» Widerspruch stehen? Lrnst Moritz Arndt (zum 2Y, Januar, seinem funfzigsten Todestage) von Victor Alemperer enkmäls-Errichtungen waren in dem ärmeren und zersplitterten Deutschland vor der Reichsgründung naturgemäß ein bedächtigeres und selteneres Beginnen als heute. Dennoch stand „Vater" Arndts Denkmal schon fünf Jahre nach seinein Tode am linken Rheinufer in Bonn, auf Posten gleichsam, wie der Alte Jahr¬ zehnt um Jahrzehnt auf Posten gestanden hatte. Es war „errichtet vom deutschen Volke", und auch diese Inschrift bekundete damals, wo es ja nur eine gedankliche und gefühlsmäßige deutsche Einheit gab, ungleich Innigeres als jetzt. Literarisch hatte Arndt bereits in seinen: Todesjahr in den „Preußischen Jahr¬ büchern" durch R. Hauen ein würdiges und, wie nur scheint, wahrhaft voll¬ kommenes Denkmal erhalten; das Jahr des ehernen Standbilds brachte dann eine erst sehr ausführliche (freilich uicht tiefgreifende) Lebensbeschreibung von E. Langenberg, und später folgten noch einige andere Veröffentlichungen über den leidenschaftlichen Patrioten, unter denen Gustav Freytags Aufsatz in der „Allgemeinen deutschen Biographie" nur der Länge, nicht den: Gehalt nach den letzten Platz einnimmt. Heute ist das Lebenswerk des so stürmisch geliebten und vielgeehrten Mannes — nicht vergessen, das wäre eine Übertreibung, denn noch lernen die Schiller, singen die Soldaten, Turner, Studenten seine feurigsten Lieder. Aber sehr zurückgesunken und zusanunengeschnwlzen ist freilich Arndts ausgedehntes Werk im Gedächtnis der Heutigen; seine Prosa kennen nur noch die wenigsten. Diese Feststellung ist kaum mit einem Tadel zu verbinden, müßte man doch sonst den natürlichen Verlauf der Dinge tadeln. In einem gediegenen Vortrag:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/161>, abgerufen am 04.07.2024.