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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Zur Zwangspensioniernngsfrage

"In dem Ressort des Finanzministers und des Ministeriums des Innern sind, wie
wir hören, sämtliche Beamte durch Runderlaß erneut auf die Bestimmungen des Gesetzes
über die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten aufmerksam gemacht worden, nach
denen Beamte, welche das fiinfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben, auch ohne ein¬
getretene Dicnstunfähigkeit Anspruch auf Pension haben und in den Ruhestand versetzt
werden können, auch wenn sie ihre Pensionierung nicht selbst beantragen ..."

Hier wird also mit dürren Worten ausgesprochen, daß Beamte, welche das
fiiufuudsechzigste Lebensjahr vollendet hätten, auch wenn sie ihre Pensioniern"a,
nicht selbst beantragten, ohne weiteres in den Ruhestand versetzt werden könnten.
Das ist unrichtig. Beamte, die das füufundsechzigste Lebensjahr vollendet haben,
haben allerdings ohne Rücksicht auf etwa eingetretene Dienstnnfnhigkeit alsbald
eitlen Anspruch auf Pensionierung, wenn sie diese aber nicht beantragen, so
tonnen sie uur auf Grund bescheinigter Dieustunfähigkeit in den Ruhestand versetzt
werden, wie dies auch im Gesetze unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht worden ist.
Nachdem man den Beamten das Privilegium eingeräumt hat, daß sie uach zurück¬
gelegten: fünfundsechzigsteu Lebensjahre ihre Pensionierung verlangen können,
ist in der Tat in der Beamtenwelt bis in die höheren Kreise hinein die irrige
Meinung verbreitet, als sei zugleich festgesetzt worden, man müsse sich in diesen:
Alter die Versetzung in den Ruhestand, auch wenn man sie nicht beantragt
habe, gefallen lassen. Will man diesen Irrtum durch die offiziöse Kundgebung
noch verstärken? Wenn im Finanzministerium wirklich scholl seit Jahren die
generelle Verfügung besteht, daß Beamte, die das füufuudsechzigste Lebensjahr
vollendet haben, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Ministers im Dienste
bleiben dürfen, so sei die Prüfung ihrer Berechtigung dein Leser empfohlen.
Unverständlich bleibt auch der Satz: "Ob die in den Ministerien der Finanzen
und des Innern beabsichtigte vermehrte Anwendung des Paragraphen 30 des
Pcnsionsgesetzes auch in den anderen Ressorts Platz greifen wird, bleibt ab¬
zuwarten." Der Paragraph 30 handelt nur von der Zwangspensionierung
dienstunfähiger Beamten. Daß aber wirklich dieustuufühige Beamte nicht im
Dienst behalten werden dürfen, darüber herrscht kein Zweifel. Mit deren Ent¬
fernung tut die Regierung nur ihre Pflicht und sie handelt pflichtwidrig, wenn
sie mich nur in einem Falle hiervon absieht. Warum also die Erwägungen
über die "vermehrte" Anwendung des Paragraphen 30?

Bei Beratung der Novelle ist namentlich im Herrenhause wiederholt betont
morden, daß durch sie der ganze Beamtenstand, auf den man in Preußen mit
Recht stets stolz gewesen sei, in seinem Ansehen unverdient geschädigt werde.
Man hat dies auch in den Kreisen der älteren Beamten von Anfang an bitter
empfunden. Aber man wäre über dieses Gefühl der Bitterkeit hinausgekommen,
wenn die Handhabung des Gesetzes den seinerzeit von der Staatsregierung durch
den Minister Bitter abgegebenen Versicherungen entsprochen hätte, wenn es also
wirklich uur in Alisnahluefällen, in denen es sich darum handelte, durchaus
dienstunfähige Beamte rascher aus dem Amte zu bringen, zur Anwendung ge¬
kommen wäre. Aber die spätere Dienstpragmatik hat sich ganz anders und
zwar, wie wir gesehen haben, immer mehr zu uugnnsten der Beamten entwickelt.
Ein Beamter, der vierzig Jahre dem König und dem Staate treu gedient hat,
darf zum Abschluß seiner Laufbahn nicht nel nutum seiner Vorgesetzten gestellt
sein, sonder" er hat Anspruch auf Schntzgarantien, die ihm gegenwärtig voll¬
ständig fehle,!. Das bestehende Gesetz reicht in dieser Beziehung selbst bei
genauer Anwendung nicht ans und die allmählich gegen dieses Gesetz oder
wenigstens neben ihm eingetretene Pensiouspraris gefährdet ihn aufs höchste.
Maki darf sich daher über eine allgemeine Unzufnedeüheit mit dem gegenwärtige"


Zur Zwangspensioniernngsfrage

„In dem Ressort des Finanzministers und des Ministeriums des Innern sind, wie
wir hören, sämtliche Beamte durch Runderlaß erneut auf die Bestimmungen des Gesetzes
über die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten aufmerksam gemacht worden, nach
denen Beamte, welche das fiinfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben, auch ohne ein¬
getretene Dicnstunfähigkeit Anspruch auf Pension haben und in den Ruhestand versetzt
werden können, auch wenn sie ihre Pensionierung nicht selbst beantragen ..."

Hier wird also mit dürren Worten ausgesprochen, daß Beamte, welche das
fiiufuudsechzigste Lebensjahr vollendet hätten, auch wenn sie ihre Pensioniern»a,
nicht selbst beantragten, ohne weiteres in den Ruhestand versetzt werden könnten.
Das ist unrichtig. Beamte, die das füufundsechzigste Lebensjahr vollendet haben,
haben allerdings ohne Rücksicht auf etwa eingetretene Dienstnnfnhigkeit alsbald
eitlen Anspruch auf Pensionierung, wenn sie diese aber nicht beantragen, so
tonnen sie uur auf Grund bescheinigter Dieustunfähigkeit in den Ruhestand versetzt
werden, wie dies auch im Gesetze unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht worden ist.
Nachdem man den Beamten das Privilegium eingeräumt hat, daß sie uach zurück¬
gelegten: fünfundsechzigsteu Lebensjahre ihre Pensionierung verlangen können,
ist in der Tat in der Beamtenwelt bis in die höheren Kreise hinein die irrige
Meinung verbreitet, als sei zugleich festgesetzt worden, man müsse sich in diesen:
Alter die Versetzung in den Ruhestand, auch wenn man sie nicht beantragt
habe, gefallen lassen. Will man diesen Irrtum durch die offiziöse Kundgebung
noch verstärken? Wenn im Finanzministerium wirklich scholl seit Jahren die
generelle Verfügung besteht, daß Beamte, die das füufuudsechzigste Lebensjahr
vollendet haben, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Ministers im Dienste
bleiben dürfen, so sei die Prüfung ihrer Berechtigung dein Leser empfohlen.
Unverständlich bleibt auch der Satz: „Ob die in den Ministerien der Finanzen
und des Innern beabsichtigte vermehrte Anwendung des Paragraphen 30 des
Pcnsionsgesetzes auch in den anderen Ressorts Platz greifen wird, bleibt ab¬
zuwarten." Der Paragraph 30 handelt nur von der Zwangspensionierung
dienstunfähiger Beamten. Daß aber wirklich dieustuufühige Beamte nicht im
Dienst behalten werden dürfen, darüber herrscht kein Zweifel. Mit deren Ent¬
fernung tut die Regierung nur ihre Pflicht und sie handelt pflichtwidrig, wenn
sie mich nur in einem Falle hiervon absieht. Warum also die Erwägungen
über die „vermehrte" Anwendung des Paragraphen 30?

Bei Beratung der Novelle ist namentlich im Herrenhause wiederholt betont
morden, daß durch sie der ganze Beamtenstand, auf den man in Preußen mit
Recht stets stolz gewesen sei, in seinem Ansehen unverdient geschädigt werde.
Man hat dies auch in den Kreisen der älteren Beamten von Anfang an bitter
empfunden. Aber man wäre über dieses Gefühl der Bitterkeit hinausgekommen,
wenn die Handhabung des Gesetzes den seinerzeit von der Staatsregierung durch
den Minister Bitter abgegebenen Versicherungen entsprochen hätte, wenn es also
wirklich uur in Alisnahluefällen, in denen es sich darum handelte, durchaus
dienstunfähige Beamte rascher aus dem Amte zu bringen, zur Anwendung ge¬
kommen wäre. Aber die spätere Dienstpragmatik hat sich ganz anders und
zwar, wie wir gesehen haben, immer mehr zu uugnnsten der Beamten entwickelt.
Ein Beamter, der vierzig Jahre dem König und dem Staate treu gedient hat,
darf zum Abschluß seiner Laufbahn nicht nel nutum seiner Vorgesetzten gestellt
sein, sonder» er hat Anspruch auf Schntzgarantien, die ihm gegenwärtig voll¬
ständig fehle,!. Das bestehende Gesetz reicht in dieser Beziehung selbst bei
genauer Anwendung nicht ans und die allmählich gegen dieses Gesetz oder
wenigstens neben ihm eingetretene Pensiouspraris gefährdet ihn aufs höchste.
Maki darf sich daher über eine allgemeine Unzufnedeüheit mit dem gegenwärtige»


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[0132] Zur Zwangspensioniernngsfrage „In dem Ressort des Finanzministers und des Ministeriums des Innern sind, wie wir hören, sämtliche Beamte durch Runderlaß erneut auf die Bestimmungen des Gesetzes über die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten aufmerksam gemacht worden, nach denen Beamte, welche das fiinfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben, auch ohne ein¬ getretene Dicnstunfähigkeit Anspruch auf Pension haben und in den Ruhestand versetzt werden können, auch wenn sie ihre Pensionierung nicht selbst beantragen ..." Hier wird also mit dürren Worten ausgesprochen, daß Beamte, welche das fiiufuudsechzigste Lebensjahr vollendet hätten, auch wenn sie ihre Pensioniern»a, nicht selbst beantragten, ohne weiteres in den Ruhestand versetzt werden könnten. Das ist unrichtig. Beamte, die das füufundsechzigste Lebensjahr vollendet haben, haben allerdings ohne Rücksicht auf etwa eingetretene Dienstnnfnhigkeit alsbald eitlen Anspruch auf Pensionierung, wenn sie diese aber nicht beantragen, so tonnen sie uur auf Grund bescheinigter Dieustunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden, wie dies auch im Gesetze unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht worden ist. Nachdem man den Beamten das Privilegium eingeräumt hat, daß sie uach zurück¬ gelegten: fünfundsechzigsteu Lebensjahre ihre Pensionierung verlangen können, ist in der Tat in der Beamtenwelt bis in die höheren Kreise hinein die irrige Meinung verbreitet, als sei zugleich festgesetzt worden, man müsse sich in diesen: Alter die Versetzung in den Ruhestand, auch wenn man sie nicht beantragt habe, gefallen lassen. Will man diesen Irrtum durch die offiziöse Kundgebung noch verstärken? Wenn im Finanzministerium wirklich scholl seit Jahren die generelle Verfügung besteht, daß Beamte, die das füufuudsechzigste Lebensjahr vollendet haben, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Ministers im Dienste bleiben dürfen, so sei die Prüfung ihrer Berechtigung dein Leser empfohlen. Unverständlich bleibt auch der Satz: „Ob die in den Ministerien der Finanzen und des Innern beabsichtigte vermehrte Anwendung des Paragraphen 30 des Pcnsionsgesetzes auch in den anderen Ressorts Platz greifen wird, bleibt ab¬ zuwarten." Der Paragraph 30 handelt nur von der Zwangspensionierung dienstunfähiger Beamten. Daß aber wirklich dieustuufühige Beamte nicht im Dienst behalten werden dürfen, darüber herrscht kein Zweifel. Mit deren Ent¬ fernung tut die Regierung nur ihre Pflicht und sie handelt pflichtwidrig, wenn sie mich nur in einem Falle hiervon absieht. Warum also die Erwägungen über die „vermehrte" Anwendung des Paragraphen 30? Bei Beratung der Novelle ist namentlich im Herrenhause wiederholt betont morden, daß durch sie der ganze Beamtenstand, auf den man in Preußen mit Recht stets stolz gewesen sei, in seinem Ansehen unverdient geschädigt werde. Man hat dies auch in den Kreisen der älteren Beamten von Anfang an bitter empfunden. Aber man wäre über dieses Gefühl der Bitterkeit hinausgekommen, wenn die Handhabung des Gesetzes den seinerzeit von der Staatsregierung durch den Minister Bitter abgegebenen Versicherungen entsprochen hätte, wenn es also wirklich uur in Alisnahluefällen, in denen es sich darum handelte, durchaus dienstunfähige Beamte rascher aus dem Amte zu bringen, zur Anwendung ge¬ kommen wäre. Aber die spätere Dienstpragmatik hat sich ganz anders und zwar, wie wir gesehen haben, immer mehr zu uugnnsten der Beamten entwickelt. Ein Beamter, der vierzig Jahre dem König und dem Staate treu gedient hat, darf zum Abschluß seiner Laufbahn nicht nel nutum seiner Vorgesetzten gestellt sein, sonder» er hat Anspruch auf Schntzgarantien, die ihm gegenwärtig voll¬ ständig fehle,!. Das bestehende Gesetz reicht in dieser Beziehung selbst bei genauer Anwendung nicht ans und die allmählich gegen dieses Gesetz oder wenigstens neben ihm eingetretene Pensiouspraris gefährdet ihn aufs höchste. Maki darf sich daher über eine allgemeine Unzufnedeüheit mit dem gegenwärtige»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/132>, abgerufen am 21.12.2024.