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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Neue Bücher

Liederdichtung und Spruchweisheit der alte" Heitere"

betitelt Lorenz
Strand einen stattlichen Band eigener Übersetzungen (Spemann, Berlin), worin
er von neuem den Versuch macht, die Schätze der griechischen Dichtung dem all¬
gemeinen Verständnis zu erschlichen. Das Buch hat so wesentliche Vorzüge, daß
es neben den zahlreichen verwandten Arbeiten mit Ehren besteht. Schon die
Auswahl ist mit so sicherem ästhetischen Urteil getroffen und so reichhaltig gestaltet,
daß tatsächlich die Quintessenz dieses poetischen Nachlasses herausgehoben ist. Von
Homer bis zu den Epigrammen der Anthologie werden wir geführt, und neben
der spezifischen Lyrik und Gnomik werden auch entsprechende Partien der Epik
wie der Tragödie und Komödie geboten. Auch neuere Funde sind berücksichtigt.
Bei dieser Wanderung übernimmt der Verf. zugleich die Führung durch die ein¬
gefügten Literaturskizzen und Erläuterungen. Sie erfüllen ihren Zweck in aus¬
gezeichneter Weise. Man kann die Charakteristik der einzelnen Gruppen und ihrer
geschichtlichen Bedingtheit und die Würdigung der Dichtung und ihrer Schöpfungen
kaum anschaulicher und geschmackvoller geben, als es hier geschieht. Diese Aus¬
führungen zeugen ebenso von gründlicher Sachkenntnis wie von geistreicher Auf¬
fassung, die durch vielfache treffende Beziehungen zumal zur deutschen Literatur
belebt wird. So uneingeschränkt kann die Übertragung selbst nicht gelobt werden.
Allerdings steckt sich der Verf. sein Ziel so hoch als möglich. Er möchte Treue
gegen den Text und künstlerische Wiedergabe des Tones und Kolorits mit strenger
Nachbildung der rhythmisch-metrischen Formen vereinigen. Nur so glaubt er ein
wirklich Mittler zu sein. Gleichwohl muß man von der setzten Forderung entschieden
nachlassen, soll es nicht zur Künstelei kommen. Jedenfalls ist das gebildete
Publikum unserer Zeit, für das die Sammlung vor allem berechnet ist, nicht mehr
imstande, solch komplizierte Strophengebäude, wie sie bei den chorischen Lyrikern
und Tragikern erscheinen, in der Grundform zu genießen. Mit Recht hat der
Verf. daher sein Prinzip wenigstens einmal durchbrochen und einen Pindarschen
Gesang in freien Rhythmen übertragen. Aber auch sonst begegnen noch mancherlei
Härten oder prosaische Wendungen, die das Ringen mit dem Stoffe zeigen. Als
Ganzes ist das Buch mit sichtlicher Liebe geschrieben, auch mit guten Abbildungen
geschmückt und wohl geeignet, den Leser zu fesseln und innerlich zu bereichern.
Gelo Ladendorf




Verantwortlich für den Politischen Teil: George Cleinow in Berlin-Schöneberg, sür den nichtpolitischen Teil:
Dr. Paul Mahn in Charlott-nbura-West-ut, Verlag der Grenzvot-n G, in b, H. in Berlin 3>V. 11,
Druck von Richard George in Berlin SV. 11, Dcssmier Straszs 37.


Neue Bücher

Liederdichtung und Spruchweisheit der alte» Heitere«

betitelt Lorenz
Strand einen stattlichen Band eigener Übersetzungen (Spemann, Berlin), worin
er von neuem den Versuch macht, die Schätze der griechischen Dichtung dem all¬
gemeinen Verständnis zu erschlichen. Das Buch hat so wesentliche Vorzüge, daß
es neben den zahlreichen verwandten Arbeiten mit Ehren besteht. Schon die
Auswahl ist mit so sicherem ästhetischen Urteil getroffen und so reichhaltig gestaltet,
daß tatsächlich die Quintessenz dieses poetischen Nachlasses herausgehoben ist. Von
Homer bis zu den Epigrammen der Anthologie werden wir geführt, und neben
der spezifischen Lyrik und Gnomik werden auch entsprechende Partien der Epik
wie der Tragödie und Komödie geboten. Auch neuere Funde sind berücksichtigt.
Bei dieser Wanderung übernimmt der Verf. zugleich die Führung durch die ein¬
gefügten Literaturskizzen und Erläuterungen. Sie erfüllen ihren Zweck in aus¬
gezeichneter Weise. Man kann die Charakteristik der einzelnen Gruppen und ihrer
geschichtlichen Bedingtheit und die Würdigung der Dichtung und ihrer Schöpfungen
kaum anschaulicher und geschmackvoller geben, als es hier geschieht. Diese Aus¬
führungen zeugen ebenso von gründlicher Sachkenntnis wie von geistreicher Auf¬
fassung, die durch vielfache treffende Beziehungen zumal zur deutschen Literatur
belebt wird. So uneingeschränkt kann die Übertragung selbst nicht gelobt werden.
Allerdings steckt sich der Verf. sein Ziel so hoch als möglich. Er möchte Treue
gegen den Text und künstlerische Wiedergabe des Tones und Kolorits mit strenger
Nachbildung der rhythmisch-metrischen Formen vereinigen. Nur so glaubt er ein
wirklich Mittler zu sein. Gleichwohl muß man von der setzten Forderung entschieden
nachlassen, soll es nicht zur Künstelei kommen. Jedenfalls ist das gebildete
Publikum unserer Zeit, für das die Sammlung vor allem berechnet ist, nicht mehr
imstande, solch komplizierte Strophengebäude, wie sie bei den chorischen Lyrikern
und Tragikern erscheinen, in der Grundform zu genießen. Mit Recht hat der
Verf. daher sein Prinzip wenigstens einmal durchbrochen und einen Pindarschen
Gesang in freien Rhythmen übertragen. Aber auch sonst begegnen noch mancherlei
Härten oder prosaische Wendungen, die das Ringen mit dem Stoffe zeigen. Als
Ganzes ist das Buch mit sichtlicher Liebe geschrieben, auch mit guten Abbildungen
geschmückt und wohl geeignet, den Leser zu fesseln und innerlich zu bereichern.
Gelo Ladendorf




Verantwortlich für den Politischen Teil: George Cleinow in Berlin-Schöneberg, sür den nichtpolitischen Teil:
Dr. Paul Mahn in Charlott-nbura-West-ut, Verlag der Grenzvot-n G, in b, H. in Berlin 3>V. 11,
Druck von Richard George in Berlin SV. 11, Dcssmier Straszs 37.


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[0108] Neue Bücher Liederdichtung und Spruchweisheit der alte» Heitere« betitelt Lorenz Strand einen stattlichen Band eigener Übersetzungen (Spemann, Berlin), worin er von neuem den Versuch macht, die Schätze der griechischen Dichtung dem all¬ gemeinen Verständnis zu erschlichen. Das Buch hat so wesentliche Vorzüge, daß es neben den zahlreichen verwandten Arbeiten mit Ehren besteht. Schon die Auswahl ist mit so sicherem ästhetischen Urteil getroffen und so reichhaltig gestaltet, daß tatsächlich die Quintessenz dieses poetischen Nachlasses herausgehoben ist. Von Homer bis zu den Epigrammen der Anthologie werden wir geführt, und neben der spezifischen Lyrik und Gnomik werden auch entsprechende Partien der Epik wie der Tragödie und Komödie geboten. Auch neuere Funde sind berücksichtigt. Bei dieser Wanderung übernimmt der Verf. zugleich die Führung durch die ein¬ gefügten Literaturskizzen und Erläuterungen. Sie erfüllen ihren Zweck in aus¬ gezeichneter Weise. Man kann die Charakteristik der einzelnen Gruppen und ihrer geschichtlichen Bedingtheit und die Würdigung der Dichtung und ihrer Schöpfungen kaum anschaulicher und geschmackvoller geben, als es hier geschieht. Diese Aus¬ führungen zeugen ebenso von gründlicher Sachkenntnis wie von geistreicher Auf¬ fassung, die durch vielfache treffende Beziehungen zumal zur deutschen Literatur belebt wird. So uneingeschränkt kann die Übertragung selbst nicht gelobt werden. Allerdings steckt sich der Verf. sein Ziel so hoch als möglich. Er möchte Treue gegen den Text und künstlerische Wiedergabe des Tones und Kolorits mit strenger Nachbildung der rhythmisch-metrischen Formen vereinigen. Nur so glaubt er ein wirklich Mittler zu sein. Gleichwohl muß man von der setzten Forderung entschieden nachlassen, soll es nicht zur Künstelei kommen. Jedenfalls ist das gebildete Publikum unserer Zeit, für das die Sammlung vor allem berechnet ist, nicht mehr imstande, solch komplizierte Strophengebäude, wie sie bei den chorischen Lyrikern und Tragikern erscheinen, in der Grundform zu genießen. Mit Recht hat der Verf. daher sein Prinzip wenigstens einmal durchbrochen und einen Pindarschen Gesang in freien Rhythmen übertragen. Aber auch sonst begegnen noch mancherlei Härten oder prosaische Wendungen, die das Ringen mit dem Stoffe zeigen. Als Ganzes ist das Buch mit sichtlicher Liebe geschrieben, auch mit guten Abbildungen geschmückt und wohl geeignet, den Leser zu fesseln und innerlich zu bereichern. Gelo Ladendorf Verantwortlich für den Politischen Teil: George Cleinow in Berlin-Schöneberg, sür den nichtpolitischen Teil: Dr. Paul Mahn in Charlott-nbura-West-ut, Verlag der Grenzvot-n G, in b, H. in Berlin 3>V. 11, Druck von Richard George in Berlin SV. 11, Dcssmier Straszs 37.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/108>, abgerufen am 04.07.2024.