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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Die kaufmännische Bildung

einer Bauschule seine Fachbildung erlangte, oder zwischen dem Lehrer einer
höhern Lehranstalt und dem Lehrer der Volksschule unterscheidet. Es gehört
nicht viel prophetische Gabe dazu, vorauszusagen, daß die folgenden Generationen
eine Gliederung in diesem Sinne innerhalb des Kaufmannstandes vornehmen
werden!

Wenn nun auch die Notwendigkeit einer allgemeinen Fachbildung für den
Kaufmann feststeht, so bleibt doch noch die Hauptfrage: Wie ist diese zu er¬
langen? Diese Frage reduziert sich heute, wo dem Kaufmann eine reichliche
Auswahl von Bildungsanstalten zur Verfügung steht, auf die Entscheidung
bei der Wahl einer geeigneten Bildungsstätte. Dabei kann es sich haupt¬
sächlich um drei Arten handeln: Fortbildungsschule, Handelsschule oder Handels¬
hochschule.

Da die Handelsschüler in Deutschland meist drei-, vier- oder sechsstufige
Anstalten sind, da sie ferner entweder auf ein bestimmtes Berechtigungs-
zeuguis hinarbeiten oder dieses voraussetzen, da sie also vornehmlich Schulen
für junge Leute sind, die erst Kaufleute werden wollen, so können wir sie
beiseite lassen, wenn wir von der Bildung des Mannes sprechen, der schon
dem Kaufmannstande angehört. Für ihn stehn nur Fortbildungsschule und
Hochschule zur Wahl. Die Fortbildungsschule bietet vielleicht dem Lehrling
eine genügende Ausbildung, sie wird aber meist dem jungen Kaufmann, der
sich nach beendeter Lehrzeit, vielleicht schon nach mehrjähriger Tätigkeit in
seinem Berufe der Unzulänglichen seiner Bildung bewußt wird, nicht genügen
können. Für ihn könnte also nur die Handelshochschule in Betracht kommen.
Nach Professor Apts Ansicht ist die Handelshochschule jedoch nur "für einen
ausgewählten Kreis bestimmt, sie soll das Elitekorps des Kaufmannstandes
heranbilden". Aber selbst wenn man dieser Ansicht nicht völlig beipflichtet,
so bleibt ein Nachteil für den Kaufmann bei dem Besuch der Handelshoch¬
schule doch bestehn. Er muß zwei Jahre aus seinem Beruf heraus und büßt
in dieser Zeit nicht nur seinen Verdienst ein, sondern braucht noch bedeutende
Mittel, um die Kosten, die der Besuch der Handelshochschule mit sich bringt,
zu bestreiten. Wie viel Kaufleute sind dazu imstande? Soll aber die Handels¬
hochschule nur eine Bildungsstätte für Vermögende sein? Wollen wir eine
einseitige Bevorzugung der vermögenden Schichten vielleicht in der Weise, wie
wir sie leider noch heute in manchen Berufen finden? Derartige Anschauungen
dürfen doch unmöglich die Basis für moderne Bildungsfragen sein. Damit
soll nun nicht an der Bedeutung der Handelshochschule im allgemeinen ge¬
rüttelt werden. Nur das muß festgestellt werden, daß die Handelshochschule
in ihrer jetzigen Verfassung einem zu großen Prozentsatz bildungsbedürftiger
Kaufleute verschlossen bleiben muß.

Vielleicht ließe sich hier Wandel schaffen, wenn man das zweijährige
Studium auf der Handelshochschule, in das heute etwa neun bis zehn Monate
Ferien hineinzurechnen sind, auf ein einjähriges Studium zusammendrängte.


Die kaufmännische Bildung

einer Bauschule seine Fachbildung erlangte, oder zwischen dem Lehrer einer
höhern Lehranstalt und dem Lehrer der Volksschule unterscheidet. Es gehört
nicht viel prophetische Gabe dazu, vorauszusagen, daß die folgenden Generationen
eine Gliederung in diesem Sinne innerhalb des Kaufmannstandes vornehmen
werden!

Wenn nun auch die Notwendigkeit einer allgemeinen Fachbildung für den
Kaufmann feststeht, so bleibt doch noch die Hauptfrage: Wie ist diese zu er¬
langen? Diese Frage reduziert sich heute, wo dem Kaufmann eine reichliche
Auswahl von Bildungsanstalten zur Verfügung steht, auf die Entscheidung
bei der Wahl einer geeigneten Bildungsstätte. Dabei kann es sich haupt¬
sächlich um drei Arten handeln: Fortbildungsschule, Handelsschule oder Handels¬
hochschule.

Da die Handelsschüler in Deutschland meist drei-, vier- oder sechsstufige
Anstalten sind, da sie ferner entweder auf ein bestimmtes Berechtigungs-
zeuguis hinarbeiten oder dieses voraussetzen, da sie also vornehmlich Schulen
für junge Leute sind, die erst Kaufleute werden wollen, so können wir sie
beiseite lassen, wenn wir von der Bildung des Mannes sprechen, der schon
dem Kaufmannstande angehört. Für ihn stehn nur Fortbildungsschule und
Hochschule zur Wahl. Die Fortbildungsschule bietet vielleicht dem Lehrling
eine genügende Ausbildung, sie wird aber meist dem jungen Kaufmann, der
sich nach beendeter Lehrzeit, vielleicht schon nach mehrjähriger Tätigkeit in
seinem Berufe der Unzulänglichen seiner Bildung bewußt wird, nicht genügen
können. Für ihn könnte also nur die Handelshochschule in Betracht kommen.
Nach Professor Apts Ansicht ist die Handelshochschule jedoch nur „für einen
ausgewählten Kreis bestimmt, sie soll das Elitekorps des Kaufmannstandes
heranbilden". Aber selbst wenn man dieser Ansicht nicht völlig beipflichtet,
so bleibt ein Nachteil für den Kaufmann bei dem Besuch der Handelshoch¬
schule doch bestehn. Er muß zwei Jahre aus seinem Beruf heraus und büßt
in dieser Zeit nicht nur seinen Verdienst ein, sondern braucht noch bedeutende
Mittel, um die Kosten, die der Besuch der Handelshochschule mit sich bringt,
zu bestreiten. Wie viel Kaufleute sind dazu imstande? Soll aber die Handels¬
hochschule nur eine Bildungsstätte für Vermögende sein? Wollen wir eine
einseitige Bevorzugung der vermögenden Schichten vielleicht in der Weise, wie
wir sie leider noch heute in manchen Berufen finden? Derartige Anschauungen
dürfen doch unmöglich die Basis für moderne Bildungsfragen sein. Damit
soll nun nicht an der Bedeutung der Handelshochschule im allgemeinen ge¬
rüttelt werden. Nur das muß festgestellt werden, daß die Handelshochschule
in ihrer jetzigen Verfassung einem zu großen Prozentsatz bildungsbedürftiger
Kaufleute verschlossen bleiben muß.

Vielleicht ließe sich hier Wandel schaffen, wenn man das zweijährige
Studium auf der Handelshochschule, in das heute etwa neun bis zehn Monate
Ferien hineinzurechnen sind, auf ein einjähriges Studium zusammendrängte.


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[0083] Die kaufmännische Bildung einer Bauschule seine Fachbildung erlangte, oder zwischen dem Lehrer einer höhern Lehranstalt und dem Lehrer der Volksschule unterscheidet. Es gehört nicht viel prophetische Gabe dazu, vorauszusagen, daß die folgenden Generationen eine Gliederung in diesem Sinne innerhalb des Kaufmannstandes vornehmen werden! Wenn nun auch die Notwendigkeit einer allgemeinen Fachbildung für den Kaufmann feststeht, so bleibt doch noch die Hauptfrage: Wie ist diese zu er¬ langen? Diese Frage reduziert sich heute, wo dem Kaufmann eine reichliche Auswahl von Bildungsanstalten zur Verfügung steht, auf die Entscheidung bei der Wahl einer geeigneten Bildungsstätte. Dabei kann es sich haupt¬ sächlich um drei Arten handeln: Fortbildungsschule, Handelsschule oder Handels¬ hochschule. Da die Handelsschüler in Deutschland meist drei-, vier- oder sechsstufige Anstalten sind, da sie ferner entweder auf ein bestimmtes Berechtigungs- zeuguis hinarbeiten oder dieses voraussetzen, da sie also vornehmlich Schulen für junge Leute sind, die erst Kaufleute werden wollen, so können wir sie beiseite lassen, wenn wir von der Bildung des Mannes sprechen, der schon dem Kaufmannstande angehört. Für ihn stehn nur Fortbildungsschule und Hochschule zur Wahl. Die Fortbildungsschule bietet vielleicht dem Lehrling eine genügende Ausbildung, sie wird aber meist dem jungen Kaufmann, der sich nach beendeter Lehrzeit, vielleicht schon nach mehrjähriger Tätigkeit in seinem Berufe der Unzulänglichen seiner Bildung bewußt wird, nicht genügen können. Für ihn könnte also nur die Handelshochschule in Betracht kommen. Nach Professor Apts Ansicht ist die Handelshochschule jedoch nur „für einen ausgewählten Kreis bestimmt, sie soll das Elitekorps des Kaufmannstandes heranbilden". Aber selbst wenn man dieser Ansicht nicht völlig beipflichtet, so bleibt ein Nachteil für den Kaufmann bei dem Besuch der Handelshoch¬ schule doch bestehn. Er muß zwei Jahre aus seinem Beruf heraus und büßt in dieser Zeit nicht nur seinen Verdienst ein, sondern braucht noch bedeutende Mittel, um die Kosten, die der Besuch der Handelshochschule mit sich bringt, zu bestreiten. Wie viel Kaufleute sind dazu imstande? Soll aber die Handels¬ hochschule nur eine Bildungsstätte für Vermögende sein? Wollen wir eine einseitige Bevorzugung der vermögenden Schichten vielleicht in der Weise, wie wir sie leider noch heute in manchen Berufen finden? Derartige Anschauungen dürfen doch unmöglich die Basis für moderne Bildungsfragen sein. Damit soll nun nicht an der Bedeutung der Handelshochschule im allgemeinen ge¬ rüttelt werden. Nur das muß festgestellt werden, daß die Handelshochschule in ihrer jetzigen Verfassung einem zu großen Prozentsatz bildungsbedürftiger Kaufleute verschlossen bleiben muß. Vielleicht ließe sich hier Wandel schaffen, wenn man das zweijährige Studium auf der Handelshochschule, in das heute etwa neun bis zehn Monate Ferien hineinzurechnen sind, auf ein einjähriges Studium zusammendrängte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/83>, abgerufen am 24.07.2024.