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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Die Literaturen Osteuropas
von Dr. U. Dieterich

as Interesse nicht nur an dem politischen
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! , sondern auch an dem
geistigen Leben der Völker des europäischen Ostens und Süd¬
ostens ist in ebenso erfreulichem Wachsen begriffen wie dieses
Leben selbst; wenigstens wird von seiten der Wissenschaft wie
des geschäftlichen Unternehmungsgeistes nichts unterlassen, dieses
Interesse zu beleben. So liegt jetzt das große Amelangsche Unternehmen der
"Literaturen des Ostens" in seiner europäischen Abteilung (die Literaturen
Osteuropas) in sechs Bänden fertig vor, und zugleich tritt uns dieselbe
Literaturgruppe gleichsam in einem Auszuge daraus entgegen in Gestalt eines
jener so geschickt und praktisch angelegten Bände der modernen Enzyklopädie,
der "Kultur der Gegenwart" (Teil i, Abteilung IX). Es treten also zwei
Konkurrenzwerke auf den Plan, die aber einander nicht aus dem Felde zu
schlagen brauchen, sondern die sich sehr wohl ergänzen können: zur Einführung
eignet sich der Teubnersche Band besser, zu einem vertiefenden Studium
werden die Amelangschen Bände nicht zu entbehren sein; denn jener gibt,
wenn man von der russischen Literatur absieht, der ein sehr breiter, vielleicht
zu breiter Raum eingeräumt ist (112 Seiten), nur ganz summarische Dar¬
stellungen von 17 bis 50 Seiten, wie es begreiflich ist bei einem Bande,
der außer einer Übersicht über die slawischen Sprachen (S. 1 bis 39) nicht
weniger als zehn verschiedne Literaturen zu bewältigen hat, nämlich vier
slawische, drei filmisch-ugrische, zwei keltisch-litauische und eine neugriechische
Literatur. Es kann sich also nur um eine ganz allgemeine Orientierung
handeln, die manchem freilich fürs erste genügen, für andres ihm den Appetit
erst recht reizen wird; den können dann die Amelangschen Bände befriedigen.

Es herrschen aber doch in vielen Punkten zu starke innere Unterschiede
zwischen dem großen und dem kleinen Sammelwerke, als daß nicht näher darauf
eingegangen werden sollte.

Da ist zunächst die Verschiedenheit der Mitarbeiter, die ja stark ins
Gewicht fällt. Nur zwei treffen wir in beiden Werken an, nämlich Bruckner
(Berlin), der die polnische, und Murko (Graz), der die südslawischen Literaturen
bearbeitet hat. Aber auch für die übrigen, verschiednen Bearbeiter haben beide
Verleger an dem Prinzip festgehalten, möglichst einheimische Gelehrte heran-




Die Literaturen Osteuropas
von Dr. U. Dieterich

as Interesse nicht nur an dem politischen
>
! , sondern auch an dem
geistigen Leben der Völker des europäischen Ostens und Süd¬
ostens ist in ebenso erfreulichem Wachsen begriffen wie dieses
Leben selbst; wenigstens wird von seiten der Wissenschaft wie
des geschäftlichen Unternehmungsgeistes nichts unterlassen, dieses
Interesse zu beleben. So liegt jetzt das große Amelangsche Unternehmen der
„Literaturen des Ostens" in seiner europäischen Abteilung (die Literaturen
Osteuropas) in sechs Bänden fertig vor, und zugleich tritt uns dieselbe
Literaturgruppe gleichsam in einem Auszuge daraus entgegen in Gestalt eines
jener so geschickt und praktisch angelegten Bände der modernen Enzyklopädie,
der „Kultur der Gegenwart" (Teil i, Abteilung IX). Es treten also zwei
Konkurrenzwerke auf den Plan, die aber einander nicht aus dem Felde zu
schlagen brauchen, sondern die sich sehr wohl ergänzen können: zur Einführung
eignet sich der Teubnersche Band besser, zu einem vertiefenden Studium
werden die Amelangschen Bände nicht zu entbehren sein; denn jener gibt,
wenn man von der russischen Literatur absieht, der ein sehr breiter, vielleicht
zu breiter Raum eingeräumt ist (112 Seiten), nur ganz summarische Dar¬
stellungen von 17 bis 50 Seiten, wie es begreiflich ist bei einem Bande,
der außer einer Übersicht über die slawischen Sprachen (S. 1 bis 39) nicht
weniger als zehn verschiedne Literaturen zu bewältigen hat, nämlich vier
slawische, drei filmisch-ugrische, zwei keltisch-litauische und eine neugriechische
Literatur. Es kann sich also nur um eine ganz allgemeine Orientierung
handeln, die manchem freilich fürs erste genügen, für andres ihm den Appetit
erst recht reizen wird; den können dann die Amelangschen Bände befriedigen.

Es herrschen aber doch in vielen Punkten zu starke innere Unterschiede
zwischen dem großen und dem kleinen Sammelwerke, als daß nicht näher darauf
eingegangen werden sollte.

Da ist zunächst die Verschiedenheit der Mitarbeiter, die ja stark ins
Gewicht fällt. Nur zwei treffen wir in beiden Werken an, nämlich Bruckner
(Berlin), der die polnische, und Murko (Graz), der die südslawischen Literaturen
bearbeitet hat. Aber auch für die übrigen, verschiednen Bearbeiter haben beide
Verleger an dem Prinzip festgehalten, möglichst einheimische Gelehrte heran-


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[0560] [Abbildung] Die Literaturen Osteuropas von Dr. U. Dieterich as Interesse nicht nur an dem politischen > ! , sondern auch an dem geistigen Leben der Völker des europäischen Ostens und Süd¬ ostens ist in ebenso erfreulichem Wachsen begriffen wie dieses Leben selbst; wenigstens wird von seiten der Wissenschaft wie des geschäftlichen Unternehmungsgeistes nichts unterlassen, dieses Interesse zu beleben. So liegt jetzt das große Amelangsche Unternehmen der „Literaturen des Ostens" in seiner europäischen Abteilung (die Literaturen Osteuropas) in sechs Bänden fertig vor, und zugleich tritt uns dieselbe Literaturgruppe gleichsam in einem Auszuge daraus entgegen in Gestalt eines jener so geschickt und praktisch angelegten Bände der modernen Enzyklopädie, der „Kultur der Gegenwart" (Teil i, Abteilung IX). Es treten also zwei Konkurrenzwerke auf den Plan, die aber einander nicht aus dem Felde zu schlagen brauchen, sondern die sich sehr wohl ergänzen können: zur Einführung eignet sich der Teubnersche Band besser, zu einem vertiefenden Studium werden die Amelangschen Bände nicht zu entbehren sein; denn jener gibt, wenn man von der russischen Literatur absieht, der ein sehr breiter, vielleicht zu breiter Raum eingeräumt ist (112 Seiten), nur ganz summarische Dar¬ stellungen von 17 bis 50 Seiten, wie es begreiflich ist bei einem Bande, der außer einer Übersicht über die slawischen Sprachen (S. 1 bis 39) nicht weniger als zehn verschiedne Literaturen zu bewältigen hat, nämlich vier slawische, drei filmisch-ugrische, zwei keltisch-litauische und eine neugriechische Literatur. Es kann sich also nur um eine ganz allgemeine Orientierung handeln, die manchem freilich fürs erste genügen, für andres ihm den Appetit erst recht reizen wird; den können dann die Amelangschen Bände befriedigen. Es herrschen aber doch in vielen Punkten zu starke innere Unterschiede zwischen dem großen und dem kleinen Sammelwerke, als daß nicht näher darauf eingegangen werden sollte. Da ist zunächst die Verschiedenheit der Mitarbeiter, die ja stark ins Gewicht fällt. Nur zwei treffen wir in beiden Werken an, nämlich Bruckner (Berlin), der die polnische, und Murko (Graz), der die südslawischen Literaturen bearbeitet hat. Aber auch für die übrigen, verschiednen Bearbeiter haben beide Verleger an dem Prinzip festgehalten, möglichst einheimische Gelehrte heran-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/560>, abgerufen am 24.07.2024.