Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches zeitgemäßes Unternehmen, insofern wir das Bedürfnis haben, außer unsrer Berufs.- Eine arge Enttäuschung hat uns M. Kronenbergs "Geschichte des deutscheu Eine neue Darstellung der oft erzählten, durch wissenschaftliche Einzchorschung Maßgebliches und Unmaßgebliches zeitgemäßes Unternehmen, insofern wir das Bedürfnis haben, außer unsrer Berufs.- Eine arge Enttäuschung hat uns M. Kronenbergs „Geschichte des deutscheu Eine neue Darstellung der oft erzählten, durch wissenschaftliche Einzchorschung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0539" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314886"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2442" prev="#ID_2441"> zeitgemäßes Unternehmen, insofern wir das Bedürfnis haben, außer unsrer Berufs.-<lb/> Migkeit unsre Blicke für das gesamte geistige Leben der Gegenwart offen zu<lb/> halten. Von Teubners großer Enzyklopädie „Die Kultur der Gegenwart" liegen<lb/> als neunter Band (1909) „Die romanischen Literaturen und Sprachen mit Ein¬<lb/> schluß des Keltischen" vor, darin eine glänzende Leistung Heinrich Morfs ..Ro¬<lb/> manische Literaturen", die mau etwa mit Scherrs Darstellung in dessen Allge¬<lb/> meiner Literaturgeschichte vergleichen mag, um sich des neuen Gehalts und.der<lb/> neuen Darstellungskunst bewußt zu werden; auch W. Meyer-Lübkcs „Romanische<lb/> Sprachen" (nur einige 20 Seiten) bieten gediegne Belehrung über viles wichtige<lb/> ans diesem Gebiete in der wohltuendsten Form. /</p><lb/> <p xml:id="ID_2443"> Eine arge Enttäuschung hat uns M. Kronenbergs „Geschichte des deutscheu<lb/> Idealismus" ! bereitet. Ein Werk dieses Titels, vornehm härtlich ausgestattet und<lb/> auf das chönste gedruckt, von derselben Beetschen Verlagsbuchhandlung in München<lb/> veröffentlicht, die uns Bielschowskys Goethe und Bergers Schiller gegeben hat, nimmt<lb/> man mit großer Erwartung in die Hand, und es ist ja gewiß, daß. was der Ver¬<lb/> fasser aus Leibniz. Winckelmann. Herder und dem jungen Kant reproduziert, nichts<lb/> schlechtes sein kaum Aber wie das alles mit weichen Phrasen umkleidet; ja manchmal<lb/> zugedeckt wird, wie in der leicht lesbar sein sollenden Darstellung auch ungereimte<lb/> Verdrehungen vorgenommen werden bis zur groben Entstellung eines Schillerten<lb/> Zitats aus dem Wallenstetn (S. 173), das obendrein als Goethisches Urwort auf¬<lb/> getischt wird, das ist weder deittsch noch ideal. Übrigens ist unter Idealismus in<lb/> diesem Buche nur der philosophische Idealismus verstanden; Namen wie Walther<lb/> von der Vogelweide. Dürer, Luther kommen nicht vor, und der versuchte Seiten¬<lb/> sprung, den „Mystiker" Bach in den Gang der Darstellung hineinzuziehen, muß<lb/> als dilettantisch und verfehlt bezeichnet werden. Nimmt man den Begriff „deutscher<lb/> Idealismus" in weiterem Sinne und sieht ihn nicht nur beim Objekt, sondern auch<lb/> bei dem Subjekt des Geschichtschreibers, so enthält ein andres, gleichzeitig erschienenes<lb/> Buch des Beetschen Verlags viel mehr deutsch-idealistische Historik: der erste Band<lb/> von Oskar Jägers Deutscher Geschichte, der bis zum Westfälischen Frieden<lb/> reicht. Der bewährte und berühmte Greis, der ihn verfaßt hat. und der hier, seine<lb/> letzte Gabe vorlegend, von dem deutschen Publikum Abschied nimmt, sagt im Vor¬<lb/> wort: „Mit achtzehn Jahren, dem Alter, das für vaterländische Begeisterung und<lb/> für ein Leben im Zusammenhang mit dem Ganzen unsers Volkes am zugänglichsten<lb/> ist. hat das gewaltige Jahr 1848 auch mich, wie alle Welt, auf den Kampfplatz<lb/> gerufen, alles erhielt damals eine Beziehung auf Politik und Vaterland und zwang<lb/> jeden patriotisch denkenden oder auch nur patriotisch empfindenden Mann, den ehernen<lb/> Gang, der unser Vaterland an Abgründen hin zu seiner jetzigen Höhe führte, Mit¬<lb/> zumachen ... Dieses Buch soll, indem es in engerm Rahmen doch einen gewissen<lb/> Reichtum geschichtlichen Lebens vorführt, jugendliche Leser, Jünglinge, nicht Knaben,<lb/> für das Studium der trefflichen und glänzenden SpezialWerke, an denen unsre<lb/> historische Literatur so reich ist, gewinnen . - - Männern und Frauen, denen ihre Zeit<lb/> und ihr Beruf die Lektüre umfangreicher Einz^ "W<lb/> es eine solche einigermaßen ersetzen." Wir bezeugen gern, daß das Buch nach An¬<lb/> lage und Abfassung diesen Zwecken wohl zu entsprechen vermag.</p><lb/> <p xml:id="ID_2444" next="#ID_2445"> Eine neue Darstellung der oft erzählten, durch wissenschaftliche Einzchorschung<lb/> aber immer wieder etwas anders beleuchteten „Deutschen Kaisergeschichte" in den Jahr¬<lb/> hunderten der Salier und der Staufer liefert K. Hampe (Leipzig, Quelle 6 Meyer),<lb/> und an dieser präzisen, von energischem politischem Interesse zeugenden Arbeit, die<lb/> sich nicht als deutsche Geschichte jener Zeiten gibt, sondern nur als Erzählung der<lb/> damaligen kaiserlichen und Päpstlichen Politik, wird man gern die bedachte Abwägung<lb/> der Dinge und Worte und eine scharfe HerauSmeißelung des Charakteristischen rühmen.<lb/> Wie hier Historikerpersönlichkeit und altpolitisches Substrat eine neue Verbindung</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0539]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
zeitgemäßes Unternehmen, insofern wir das Bedürfnis haben, außer unsrer Berufs.-
Migkeit unsre Blicke für das gesamte geistige Leben der Gegenwart offen zu
halten. Von Teubners großer Enzyklopädie „Die Kultur der Gegenwart" liegen
als neunter Band (1909) „Die romanischen Literaturen und Sprachen mit Ein¬
schluß des Keltischen" vor, darin eine glänzende Leistung Heinrich Morfs ..Ro¬
manische Literaturen", die mau etwa mit Scherrs Darstellung in dessen Allge¬
meiner Literaturgeschichte vergleichen mag, um sich des neuen Gehalts und.der
neuen Darstellungskunst bewußt zu werden; auch W. Meyer-Lübkcs „Romanische
Sprachen" (nur einige 20 Seiten) bieten gediegne Belehrung über viles wichtige
ans diesem Gebiete in der wohltuendsten Form. /
Eine arge Enttäuschung hat uns M. Kronenbergs „Geschichte des deutscheu
Idealismus" ! bereitet. Ein Werk dieses Titels, vornehm härtlich ausgestattet und
auf das chönste gedruckt, von derselben Beetschen Verlagsbuchhandlung in München
veröffentlicht, die uns Bielschowskys Goethe und Bergers Schiller gegeben hat, nimmt
man mit großer Erwartung in die Hand, und es ist ja gewiß, daß. was der Ver¬
fasser aus Leibniz. Winckelmann. Herder und dem jungen Kant reproduziert, nichts
schlechtes sein kaum Aber wie das alles mit weichen Phrasen umkleidet; ja manchmal
zugedeckt wird, wie in der leicht lesbar sein sollenden Darstellung auch ungereimte
Verdrehungen vorgenommen werden bis zur groben Entstellung eines Schillerten
Zitats aus dem Wallenstetn (S. 173), das obendrein als Goethisches Urwort auf¬
getischt wird, das ist weder deittsch noch ideal. Übrigens ist unter Idealismus in
diesem Buche nur der philosophische Idealismus verstanden; Namen wie Walther
von der Vogelweide. Dürer, Luther kommen nicht vor, und der versuchte Seiten¬
sprung, den „Mystiker" Bach in den Gang der Darstellung hineinzuziehen, muß
als dilettantisch und verfehlt bezeichnet werden. Nimmt man den Begriff „deutscher
Idealismus" in weiterem Sinne und sieht ihn nicht nur beim Objekt, sondern auch
bei dem Subjekt des Geschichtschreibers, so enthält ein andres, gleichzeitig erschienenes
Buch des Beetschen Verlags viel mehr deutsch-idealistische Historik: der erste Band
von Oskar Jägers Deutscher Geschichte, der bis zum Westfälischen Frieden
reicht. Der bewährte und berühmte Greis, der ihn verfaßt hat. und der hier, seine
letzte Gabe vorlegend, von dem deutschen Publikum Abschied nimmt, sagt im Vor¬
wort: „Mit achtzehn Jahren, dem Alter, das für vaterländische Begeisterung und
für ein Leben im Zusammenhang mit dem Ganzen unsers Volkes am zugänglichsten
ist. hat das gewaltige Jahr 1848 auch mich, wie alle Welt, auf den Kampfplatz
gerufen, alles erhielt damals eine Beziehung auf Politik und Vaterland und zwang
jeden patriotisch denkenden oder auch nur patriotisch empfindenden Mann, den ehernen
Gang, der unser Vaterland an Abgründen hin zu seiner jetzigen Höhe führte, Mit¬
zumachen ... Dieses Buch soll, indem es in engerm Rahmen doch einen gewissen
Reichtum geschichtlichen Lebens vorführt, jugendliche Leser, Jünglinge, nicht Knaben,
für das Studium der trefflichen und glänzenden SpezialWerke, an denen unsre
historische Literatur so reich ist, gewinnen . - - Männern und Frauen, denen ihre Zeit
und ihr Beruf die Lektüre umfangreicher Einz^ "W
es eine solche einigermaßen ersetzen." Wir bezeugen gern, daß das Buch nach An¬
lage und Abfassung diesen Zwecken wohl zu entsprechen vermag.
Eine neue Darstellung der oft erzählten, durch wissenschaftliche Einzchorschung
aber immer wieder etwas anders beleuchteten „Deutschen Kaisergeschichte" in den Jahr¬
hunderten der Salier und der Staufer liefert K. Hampe (Leipzig, Quelle 6 Meyer),
und an dieser präzisen, von energischem politischem Interesse zeugenden Arbeit, die
sich nicht als deutsche Geschichte jener Zeiten gibt, sondern nur als Erzählung der
damaligen kaiserlichen und Päpstlichen Politik, wird man gern die bedachte Abwägung
der Dinge und Worte und eine scharfe HerauSmeißelung des Charakteristischen rühmen.
Wie hier Historikerpersönlichkeit und altpolitisches Substrat eine neue Verbindung
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