Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Line Hilf- zur Euthanasie

Antrag, zwei junge Schotten zuzulassen, nicht durchsetzen konnte, dermaßen
alteriert wurde (ich gebrauche dieses volkstümliche Fremdwort, weil es die
Natur des Vorgangs: eine plötzliche Veränderung des physiologischen Zu¬
standes, richtig angibt), daß er aus dem Beratungszimmer hinausstürzte und
im Nebenzimmer tot zusammenbrach. steigert sich die Furcht zur heftigen
Angst, so kann auch sie den Tod zur Folge haben. Bekannt sind die Fälle,
wo eine Scheinhinrichtung getötet hat; Bloch führt mehrere an. Daß die
Angst vor einer Operation tötet, ehe der Chirurg das Messer ansetzt, ist vor
einiger Zeit in meinem Bekanntenkreise vorgekommen. Außerdem erzählt Bloch
noch manche merkwürdige Anekdoten. So von einem gefühlvollen Eunuchen,
den der Sultan Soliman (welcher Soliman?) entsandte mit dem Auftrage.
Bajazets kleinen Sohn zu töten. Wie er dem Kinde die Schnur um den Hals
legen will, lächelt dieses ihm zu. streckt ihm die Hündchen entgegen und will
ihn küssen. Das ergreift ihn so. daß er tot zu Boden stürzt. Wie wenig
Verlaß jedoch auf die historischen Beispiele ist, die Bloch anführt, steht man
daraus, daß er den Papst Klemens den Siebenten an seinem Geiz ersticken
läßt. Im ..Schlosse Se. Auge", als die Stadt von den ..Imperialisten" er¬
obert worden sei. habe er sich die Plünderung seiner Schätze so zu Herzen ge¬
nommen, daß er starb. Bekanntlich hat der in der Engelsburg belagerte Papst
mit den Landsknechten kapituliert und den saooo 6i Koma um sieben Jahre
überlebt. So was durfte ein deutscher Übersetzer dem dänischen Arzte Nicht
durchgehn lassen. Es sei jedoch gleich hier bemerkt, daß Bloch auch gute
Gewährsmänner benutzt. Goethes Tod zum Beispiel erzählte er nach Ecker¬
mann und dem Reclambande von Julius R. Haarhaus. Daß der durch eme
heftige Gemütsbewegung herbeigeführte plötzliche Tod - dasselbe gilt natürlich
v°n der durch eine körperliche Ursache bewirkten Apoplexie - der allerleichteste
'se. und daß die letzten Augenblicke auch nicht einmal durch Gedanken an
den Tod. der ja ganz unerwartet kommt, verdüstert werden, leuchtet von
selbst ein.ewalt

Nicht so leicht haben es Menschen, die eine äußere feindlicheG
ins Jenseits befördert. Eine solche ist die Wüste, in der der Wandrer ver¬
hungert und verdurstet. Die Durstpein ist die größere, so groß, daß der
Hunger gar nicht empfunden wird. Sven Hedin hat diese Pein ausführlich
beschrieben. Bloch druckt den Bericht ab. ohne das Land und die Jahreszahl
anzugeben (nach dem Titel des Werkes, das er benutzt ist es Turkestan ^
wehen); er sagt nur. daß diese Wüstenwanderung ohne Wasser "°in 27 Ap
bis zum 4 Mai dauerte Die Leiden des Forschungsreisenden und en e er
Begleiter waren entsetzlich. Drei unterlagen. Sven wollte acht sterben,
hielt darum aus. bis er Wasser fand, und vermochte noch einen der Leidens¬
geführten zu retten. Ein zweiter Feind ist ungeeignete Temperatur: eme Tem¬
peratur, die nach oben oder unten eine bestimmte Grenze überschreitet, tötet
den Menschenleib. Bei der Kälte ist nun die bekannte Tayache zu beachten.


Line Hilf- zur Euthanasie

Antrag, zwei junge Schotten zuzulassen, nicht durchsetzen konnte, dermaßen
alteriert wurde (ich gebrauche dieses volkstümliche Fremdwort, weil es die
Natur des Vorgangs: eine plötzliche Veränderung des physiologischen Zu¬
standes, richtig angibt), daß er aus dem Beratungszimmer hinausstürzte und
im Nebenzimmer tot zusammenbrach. steigert sich die Furcht zur heftigen
Angst, so kann auch sie den Tod zur Folge haben. Bekannt sind die Fälle,
wo eine Scheinhinrichtung getötet hat; Bloch führt mehrere an. Daß die
Angst vor einer Operation tötet, ehe der Chirurg das Messer ansetzt, ist vor
einiger Zeit in meinem Bekanntenkreise vorgekommen. Außerdem erzählt Bloch
noch manche merkwürdige Anekdoten. So von einem gefühlvollen Eunuchen,
den der Sultan Soliman (welcher Soliman?) entsandte mit dem Auftrage.
Bajazets kleinen Sohn zu töten. Wie er dem Kinde die Schnur um den Hals
legen will, lächelt dieses ihm zu. streckt ihm die Hündchen entgegen und will
ihn küssen. Das ergreift ihn so. daß er tot zu Boden stürzt. Wie wenig
Verlaß jedoch auf die historischen Beispiele ist, die Bloch anführt, steht man
daraus, daß er den Papst Klemens den Siebenten an seinem Geiz ersticken
läßt. Im ..Schlosse Se. Auge", als die Stadt von den ..Imperialisten" er¬
obert worden sei. habe er sich die Plünderung seiner Schätze so zu Herzen ge¬
nommen, daß er starb. Bekanntlich hat der in der Engelsburg belagerte Papst
mit den Landsknechten kapituliert und den saooo 6i Koma um sieben Jahre
überlebt. So was durfte ein deutscher Übersetzer dem dänischen Arzte Nicht
durchgehn lassen. Es sei jedoch gleich hier bemerkt, daß Bloch auch gute
Gewährsmänner benutzt. Goethes Tod zum Beispiel erzählte er nach Ecker¬
mann und dem Reclambande von Julius R. Haarhaus. Daß der durch eme
heftige Gemütsbewegung herbeigeführte plötzliche Tod - dasselbe gilt natürlich
v°n der durch eine körperliche Ursache bewirkten Apoplexie - der allerleichteste
'se. und daß die letzten Augenblicke auch nicht einmal durch Gedanken an
den Tod. der ja ganz unerwartet kommt, verdüstert werden, leuchtet von
selbst ein.ewalt

Nicht so leicht haben es Menschen, die eine äußere feindlicheG
ins Jenseits befördert. Eine solche ist die Wüste, in der der Wandrer ver¬
hungert und verdurstet. Die Durstpein ist die größere, so groß, daß der
Hunger gar nicht empfunden wird. Sven Hedin hat diese Pein ausführlich
beschrieben. Bloch druckt den Bericht ab. ohne das Land und die Jahreszahl
anzugeben (nach dem Titel des Werkes, das er benutzt ist es Turkestan ^
wehen); er sagt nur. daß diese Wüstenwanderung ohne Wasser »°in 27 Ap
bis zum 4 Mai dauerte Die Leiden des Forschungsreisenden und en e er
Begleiter waren entsetzlich. Drei unterlagen. Sven wollte acht sterben,
hielt darum aus. bis er Wasser fand, und vermochte noch einen der Leidens¬
geführten zu retten. Ein zweiter Feind ist ungeeignete Temperatur: eme Tem¬
peratur, die nach oben oder unten eine bestimmte Grenze überschreitet, tötet
den Menschenleib. Bei der Kälte ist nun die bekannte Tayache zu beachten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314854"/>
          <fw type="header" place="top"> Line Hilf- zur Euthanasie</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2346" prev="#ID_2345"> Antrag, zwei junge Schotten zuzulassen, nicht durchsetzen konnte, dermaßen<lb/>
alteriert wurde (ich gebrauche dieses volkstümliche Fremdwort, weil es die<lb/>
Natur des Vorgangs: eine plötzliche Veränderung des physiologischen Zu¬<lb/>
standes, richtig angibt), daß er aus dem Beratungszimmer hinausstürzte und<lb/>
im Nebenzimmer tot zusammenbrach.  steigert sich die Furcht zur heftigen<lb/>
Angst, so kann auch sie den Tod zur Folge haben.  Bekannt sind die Fälle,<lb/>
wo eine Scheinhinrichtung getötet hat; Bloch führt mehrere an.  Daß die<lb/>
Angst vor einer Operation tötet, ehe der Chirurg das Messer ansetzt, ist vor<lb/>
einiger Zeit in meinem Bekanntenkreise vorgekommen. Außerdem erzählt Bloch<lb/>
noch manche merkwürdige Anekdoten.  So von einem gefühlvollen Eunuchen,<lb/>
den der Sultan Soliman (welcher Soliman?) entsandte mit dem Auftrage.<lb/>
Bajazets kleinen Sohn zu töten. Wie er dem Kinde die Schnur um den Hals<lb/>
legen will, lächelt dieses ihm zu. streckt ihm die Hündchen entgegen und will<lb/>
ihn küssen.  Das ergreift ihn so. daß er tot zu Boden stürzt.  Wie wenig<lb/>
Verlaß jedoch auf die historischen Beispiele ist, die Bloch anführt, steht man<lb/>
daraus, daß er den Papst Klemens den Siebenten an seinem Geiz ersticken<lb/>
läßt. Im ..Schlosse Se. Auge", als die Stadt von den ..Imperialisten" er¬<lb/>
obert worden sei. habe er sich die Plünderung seiner Schätze so zu Herzen ge¬<lb/>
nommen, daß er starb. Bekanntlich hat der in der Engelsburg belagerte Papst<lb/>
mit den Landsknechten kapituliert und den saooo 6i Koma um sieben Jahre<lb/>
überlebt.  So was durfte ein deutscher Übersetzer dem dänischen Arzte Nicht<lb/>
durchgehn lassen.  Es sei jedoch gleich hier bemerkt, daß Bloch auch gute<lb/>
Gewährsmänner benutzt.  Goethes Tod zum Beispiel erzählte er nach Ecker¬<lb/>
mann und dem Reclambande von Julius R. Haarhaus. Daß der durch eme<lb/>
heftige Gemütsbewegung herbeigeführte plötzliche Tod - dasselbe gilt natürlich<lb/>
v°n der durch eine körperliche Ursache bewirkten Apoplexie - der allerleichteste<lb/>
'se. und daß die letzten Augenblicke auch nicht einmal durch Gedanken an<lb/>
den Tod. der ja ganz unerwartet kommt, verdüstert werden, leuchtet von<lb/>
selbst ein.ewalt</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2347" next="#ID_2348"> Nicht so leicht haben es Menschen, die eine äußere feindlicheG<lb/>
ins Jenseits befördert.  Eine solche ist die Wüste, in der der Wandrer ver¬<lb/>
hungert und verdurstet.  Die Durstpein ist die größere, so groß, daß der<lb/>
Hunger gar nicht empfunden wird. Sven Hedin hat diese Pein ausführlich<lb/>
beschrieben. Bloch druckt den Bericht ab. ohne das Land und die Jahreszahl<lb/>
anzugeben (nach dem Titel des Werkes, das er benutzt ist es Turkestan ^<lb/>
wehen); er sagt nur. daß diese Wüstenwanderung ohne Wasser »°in 27 Ap<lb/>
bis zum 4 Mai dauerte Die Leiden des Forschungsreisenden und en e er<lb/>
Begleiter waren entsetzlich.  Drei unterlagen.  Sven wollte acht sterben,<lb/>
hielt darum aus. bis er Wasser fand, und vermochte noch einen der Leidens¬<lb/>
geführten zu retten. Ein zweiter Feind ist ungeeignete Temperatur: eme Tem¬<lb/>
peratur, die nach oben oder unten eine bestimmte Grenze überschreitet, tötet<lb/>
den Menschenleib.  Bei der Kälte ist nun die bekannte Tayache zu beachten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0507] Line Hilf- zur Euthanasie Antrag, zwei junge Schotten zuzulassen, nicht durchsetzen konnte, dermaßen alteriert wurde (ich gebrauche dieses volkstümliche Fremdwort, weil es die Natur des Vorgangs: eine plötzliche Veränderung des physiologischen Zu¬ standes, richtig angibt), daß er aus dem Beratungszimmer hinausstürzte und im Nebenzimmer tot zusammenbrach. steigert sich die Furcht zur heftigen Angst, so kann auch sie den Tod zur Folge haben. Bekannt sind die Fälle, wo eine Scheinhinrichtung getötet hat; Bloch führt mehrere an. Daß die Angst vor einer Operation tötet, ehe der Chirurg das Messer ansetzt, ist vor einiger Zeit in meinem Bekanntenkreise vorgekommen. Außerdem erzählt Bloch noch manche merkwürdige Anekdoten. So von einem gefühlvollen Eunuchen, den der Sultan Soliman (welcher Soliman?) entsandte mit dem Auftrage. Bajazets kleinen Sohn zu töten. Wie er dem Kinde die Schnur um den Hals legen will, lächelt dieses ihm zu. streckt ihm die Hündchen entgegen und will ihn küssen. Das ergreift ihn so. daß er tot zu Boden stürzt. Wie wenig Verlaß jedoch auf die historischen Beispiele ist, die Bloch anführt, steht man daraus, daß er den Papst Klemens den Siebenten an seinem Geiz ersticken läßt. Im ..Schlosse Se. Auge", als die Stadt von den ..Imperialisten" er¬ obert worden sei. habe er sich die Plünderung seiner Schätze so zu Herzen ge¬ nommen, daß er starb. Bekanntlich hat der in der Engelsburg belagerte Papst mit den Landsknechten kapituliert und den saooo 6i Koma um sieben Jahre überlebt. So was durfte ein deutscher Übersetzer dem dänischen Arzte Nicht durchgehn lassen. Es sei jedoch gleich hier bemerkt, daß Bloch auch gute Gewährsmänner benutzt. Goethes Tod zum Beispiel erzählte er nach Ecker¬ mann und dem Reclambande von Julius R. Haarhaus. Daß der durch eme heftige Gemütsbewegung herbeigeführte plötzliche Tod - dasselbe gilt natürlich v°n der durch eine körperliche Ursache bewirkten Apoplexie - der allerleichteste 'se. und daß die letzten Augenblicke auch nicht einmal durch Gedanken an den Tod. der ja ganz unerwartet kommt, verdüstert werden, leuchtet von selbst ein.ewalt Nicht so leicht haben es Menschen, die eine äußere feindlicheG ins Jenseits befördert. Eine solche ist die Wüste, in der der Wandrer ver¬ hungert und verdurstet. Die Durstpein ist die größere, so groß, daß der Hunger gar nicht empfunden wird. Sven Hedin hat diese Pein ausführlich beschrieben. Bloch druckt den Bericht ab. ohne das Land und die Jahreszahl anzugeben (nach dem Titel des Werkes, das er benutzt ist es Turkestan ^ wehen); er sagt nur. daß diese Wüstenwanderung ohne Wasser »°in 27 Ap bis zum 4 Mai dauerte Die Leiden des Forschungsreisenden und en e er Begleiter waren entsetzlich. Drei unterlagen. Sven wollte acht sterben, hielt darum aus. bis er Wasser fand, und vermochte noch einen der Leidens¬ geführten zu retten. Ein zweiter Feind ist ungeeignete Temperatur: eme Tem¬ peratur, die nach oben oder unten eine bestimmte Grenze überschreitet, tötet den Menschenleib. Bei der Kälte ist nun die bekannte Tayache zu beachten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/507
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/507>, abgerufen am 24.07.2024.