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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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klassisches Denkmal der Weltliteratur in der würdigsten Gestalt den Gebildeten
unsers Volkes in die Hand gegeben werden. Es soll eine Bibel sein für alle
die, die mit den Augen Herders und Goethes die Schönheit des gewaltigen
Buches sehen lernen möchten, in "seinen rein menschlichen Gehalt, seinen künst¬
lerischen Wert, seine kulturgeschichtliche Bedeutung" eindringen möchten. Darum
ist auch nicht der Lnthersche Text, sondern eine neuere Übersetzung, die wissen¬
schaftliche Genauigkeit mit künstlerischer Form zu vereinigen flicht, zugrunde gelegt
worden, und besondrer Wert ist auf die äußere Ausstattung gelegt worden: sie
soll die Ausgabe zu einem Meisterwerk neuerer Buchkunst machen.

Wer gewohnt ist, in der Bibel etwas andres, etwas größeres zu sehen
als ein bewundernswertes altorientalisches Literaturdenkmal, wer in ihr die
Quelle seines eignen religiösen Lebens sieht, der wird einer solchen Ausgabe
der Schrift gegenüber zunächst immer ein gewisses Befremden empfinden und
vielleicht fragen: Muß nicht, wo die Bibel mit solcher Absicht und in solcher
Gestalt dargeboten wird, der Sinn gerade abgelenkt werden von dein, was doch
den tiefsten, den eigentlichen Wert des Vnches ausmacht? Aber wenn man sich
daneben vergegenwärtigt, daß weite Kreise unsrer Gebildeten einen Weg zur
Bibel wohl überhaupt nicht finden würden, wenn nicht diesen, den Herder und
Goethe ihnen weisen, und daß doch in einem solchen Unternehmen wieder ein
ernster Versuch gemacht wird, der Bibel einen Ehrenplatz in jedem gebildeten
Hause zu sichern, ihre Schütze wirklich Suchenden auszuschließen, dann wird man
sich doch auch der Gestalt freuen können, in der hier die Bibel unserm Volke
geboten wird. Freilich es wird ja auch uuter den Gebildeten nur ein ver¬
hältnismäßig kleiner Teil sein, der sich diese kostbare Ausgabe (deren Preis
übrigens bei einer solchen Ausstattung durchaus angemessen erscheint) anschaffen
kann; sie wird in der Hauptsache wohl uur den Schrank eigentlicher Bücher¬
liebhaber zieren.

Von dem großartig angelegten Werke liegt bis jetzt der erste Band (die
fünf Bücher Mose und das Buch Josua umfassend) fertig vor, der ein Urteil
ermöglicht über die Ausführung dessen, was der Verlag geplant hat. Ein
glücklicher Gedanke des Herausgebers war es, für das Alte Testament die
meisterhafte Übersetzung von Ed. Reuß zu verwenden, in der überall die Kraft
und Schönheit der Sprache Luthers nachklingt, und die doch eine wissenschaftlich
treue Übertragung nach dem Verständnis unsrer Zeit ist. Vereinzelt hat der
Herausgeber an besonders schwierigen Stellen den Reußschen Text noch nach
den neusten Kommentaren verbessert, sodaß der Sinn des Urtextes dem Leser
möglichst treu dargeboten wird. Volles Lob verdienen auch die kurzen und
doch gehaltvollen Einleitungen von Rnhlwes. die entsprechend dem Plane
des ganzen Werkes vor allem für die literarischen Eigentümlichkeiten der
Schriften das Auge öffnen wollen, aber auch eine geschickte Einführung in die
Entstehung der biblischen Bücher geben und in wohltuender Weise auf den
tiefen religiösen und sittlichen Gehalt hinweisen. Im ganzen zeigt sich überall


klassisches Denkmal der Weltliteratur in der würdigsten Gestalt den Gebildeten
unsers Volkes in die Hand gegeben werden. Es soll eine Bibel sein für alle
die, die mit den Augen Herders und Goethes die Schönheit des gewaltigen
Buches sehen lernen möchten, in „seinen rein menschlichen Gehalt, seinen künst¬
lerischen Wert, seine kulturgeschichtliche Bedeutung" eindringen möchten. Darum
ist auch nicht der Lnthersche Text, sondern eine neuere Übersetzung, die wissen¬
schaftliche Genauigkeit mit künstlerischer Form zu vereinigen flicht, zugrunde gelegt
worden, und besondrer Wert ist auf die äußere Ausstattung gelegt worden: sie
soll die Ausgabe zu einem Meisterwerk neuerer Buchkunst machen.

Wer gewohnt ist, in der Bibel etwas andres, etwas größeres zu sehen
als ein bewundernswertes altorientalisches Literaturdenkmal, wer in ihr die
Quelle seines eignen religiösen Lebens sieht, der wird einer solchen Ausgabe
der Schrift gegenüber zunächst immer ein gewisses Befremden empfinden und
vielleicht fragen: Muß nicht, wo die Bibel mit solcher Absicht und in solcher
Gestalt dargeboten wird, der Sinn gerade abgelenkt werden von dein, was doch
den tiefsten, den eigentlichen Wert des Vnches ausmacht? Aber wenn man sich
daneben vergegenwärtigt, daß weite Kreise unsrer Gebildeten einen Weg zur
Bibel wohl überhaupt nicht finden würden, wenn nicht diesen, den Herder und
Goethe ihnen weisen, und daß doch in einem solchen Unternehmen wieder ein
ernster Versuch gemacht wird, der Bibel einen Ehrenplatz in jedem gebildeten
Hause zu sichern, ihre Schütze wirklich Suchenden auszuschließen, dann wird man
sich doch auch der Gestalt freuen können, in der hier die Bibel unserm Volke
geboten wird. Freilich es wird ja auch uuter den Gebildeten nur ein ver¬
hältnismäßig kleiner Teil sein, der sich diese kostbare Ausgabe (deren Preis
übrigens bei einer solchen Ausstattung durchaus angemessen erscheint) anschaffen
kann; sie wird in der Hauptsache wohl uur den Schrank eigentlicher Bücher¬
liebhaber zieren.

Von dem großartig angelegten Werke liegt bis jetzt der erste Band (die
fünf Bücher Mose und das Buch Josua umfassend) fertig vor, der ein Urteil
ermöglicht über die Ausführung dessen, was der Verlag geplant hat. Ein
glücklicher Gedanke des Herausgebers war es, für das Alte Testament die
meisterhafte Übersetzung von Ed. Reuß zu verwenden, in der überall die Kraft
und Schönheit der Sprache Luthers nachklingt, und die doch eine wissenschaftlich
treue Übertragung nach dem Verständnis unsrer Zeit ist. Vereinzelt hat der
Herausgeber an besonders schwierigen Stellen den Reußschen Text noch nach
den neusten Kommentaren verbessert, sodaß der Sinn des Urtextes dem Leser
möglichst treu dargeboten wird. Volles Lob verdienen auch die kurzen und
doch gehaltvollen Einleitungen von Rnhlwes. die entsprechend dem Plane
des ganzen Werkes vor allem für die literarischen Eigentümlichkeiten der
Schriften das Auge öffnen wollen, aber auch eine geschickte Einführung in die
Entstehung der biblischen Bücher geben und in wohltuender Weise auf den
tiefen religiösen und sittlichen Gehalt hinweisen. Im ganzen zeigt sich überall


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[0459] klassisches Denkmal der Weltliteratur in der würdigsten Gestalt den Gebildeten unsers Volkes in die Hand gegeben werden. Es soll eine Bibel sein für alle die, die mit den Augen Herders und Goethes die Schönheit des gewaltigen Buches sehen lernen möchten, in „seinen rein menschlichen Gehalt, seinen künst¬ lerischen Wert, seine kulturgeschichtliche Bedeutung" eindringen möchten. Darum ist auch nicht der Lnthersche Text, sondern eine neuere Übersetzung, die wissen¬ schaftliche Genauigkeit mit künstlerischer Form zu vereinigen flicht, zugrunde gelegt worden, und besondrer Wert ist auf die äußere Ausstattung gelegt worden: sie soll die Ausgabe zu einem Meisterwerk neuerer Buchkunst machen. Wer gewohnt ist, in der Bibel etwas andres, etwas größeres zu sehen als ein bewundernswertes altorientalisches Literaturdenkmal, wer in ihr die Quelle seines eignen religiösen Lebens sieht, der wird einer solchen Ausgabe der Schrift gegenüber zunächst immer ein gewisses Befremden empfinden und vielleicht fragen: Muß nicht, wo die Bibel mit solcher Absicht und in solcher Gestalt dargeboten wird, der Sinn gerade abgelenkt werden von dein, was doch den tiefsten, den eigentlichen Wert des Vnches ausmacht? Aber wenn man sich daneben vergegenwärtigt, daß weite Kreise unsrer Gebildeten einen Weg zur Bibel wohl überhaupt nicht finden würden, wenn nicht diesen, den Herder und Goethe ihnen weisen, und daß doch in einem solchen Unternehmen wieder ein ernster Versuch gemacht wird, der Bibel einen Ehrenplatz in jedem gebildeten Hause zu sichern, ihre Schütze wirklich Suchenden auszuschließen, dann wird man sich doch auch der Gestalt freuen können, in der hier die Bibel unserm Volke geboten wird. Freilich es wird ja auch uuter den Gebildeten nur ein ver¬ hältnismäßig kleiner Teil sein, der sich diese kostbare Ausgabe (deren Preis übrigens bei einer solchen Ausstattung durchaus angemessen erscheint) anschaffen kann; sie wird in der Hauptsache wohl uur den Schrank eigentlicher Bücher¬ liebhaber zieren. Von dem großartig angelegten Werke liegt bis jetzt der erste Band (die fünf Bücher Mose und das Buch Josua umfassend) fertig vor, der ein Urteil ermöglicht über die Ausführung dessen, was der Verlag geplant hat. Ein glücklicher Gedanke des Herausgebers war es, für das Alte Testament die meisterhafte Übersetzung von Ed. Reuß zu verwenden, in der überall die Kraft und Schönheit der Sprache Luthers nachklingt, und die doch eine wissenschaftlich treue Übertragung nach dem Verständnis unsrer Zeit ist. Vereinzelt hat der Herausgeber an besonders schwierigen Stellen den Reußschen Text noch nach den neusten Kommentaren verbessert, sodaß der Sinn des Urtextes dem Leser möglichst treu dargeboten wird. Volles Lob verdienen auch die kurzen und doch gehaltvollen Einleitungen von Rnhlwes. die entsprechend dem Plane des ganzen Werkes vor allem für die literarischen Eigentümlichkeiten der Schriften das Auge öffnen wollen, aber auch eine geschickte Einführung in die Entstehung der biblischen Bücher geben und in wohltuender Weise auf den tiefen religiösen und sittlichen Gehalt hinweisen. Im ganzen zeigt sich überall

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/459>, abgerufen am 24.07.2024.