Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.Die Lrenntagenallee wenn ich "Asts" Namen preisgab, und ich schwieg. Sollten er und sie sich wirklich Währenddes saßen die drei andern -- oder richtiger Lund und Eller -- denn -- -- Man geht nicht so einfach hin und vertraut seine Herzensangelegen¬ Dem ersten besten? wiederholte Lund ein wenig pikiert. Ja, verzeih; ich hatte vergessen, daß da auch noch ein verliebtes Ehepaar im Ja, das tue ich, antwortete ich -- ich hatte ja nun auch meine besondern Den ersten Kuß! wiederholte Eller und pfiff vor sich hin. Ja, wollte man Na na, nur nicht renommieren! sagte Lund. Du hast überhaupt noch nie den Was hab ich nicht? -- Ach so ist es gemeint -- Unsinn! -- Aber wollen wir Ja, das kommt vielleicht daher, weil sie mich -- gewissermaßen -- an eine Gib uns diese Geschichte in Anbetracht des Regenwetters zum besten! Und ich erzählte. Im Jahre 48 stand beim Jägerbataillon ein ganz junger Leutnant, ein Gleich zu Anfang des Krieges wurde der Leutnant mit seiner Abteilung eines Die Lrenntagenallee wenn ich „Asts" Namen preisgab, und ich schwieg. Sollten er und sie sich wirklich Währenddes saßen die drei andern — oder richtiger Lund und Eller — denn — — Man geht nicht so einfach hin und vertraut seine Herzensangelegen¬ Dem ersten besten? wiederholte Lund ein wenig pikiert. Ja, verzeih; ich hatte vergessen, daß da auch noch ein verliebtes Ehepaar im Ja, das tue ich, antwortete ich — ich hatte ja nun auch meine besondern Den ersten Kuß! wiederholte Eller und pfiff vor sich hin. Ja, wollte man Na na, nur nicht renommieren! sagte Lund. Du hast überhaupt noch nie den Was hab ich nicht? — Ach so ist es gemeint — Unsinn! — Aber wollen wir Ja, das kommt vielleicht daher, weil sie mich — gewissermaßen — an eine Gib uns diese Geschichte in Anbetracht des Regenwetters zum besten! Und ich erzählte. Im Jahre 48 stand beim Jägerbataillon ein ganz junger Leutnant, ein Gleich zu Anfang des Krieges wurde der Leutnant mit seiner Abteilung eines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314686"/> <fw type="header" place="top"> Die Lrenntagenallee</fw><lb/> <p xml:id="ID_1574" prev="#ID_1573"> wenn ich „Asts" Namen preisgab, und ich schwieg. Sollten er und sie sich wirklich<lb/> begegnen — es konnte ja auch ein Zufall sein, daß das Inserat mit diesem Namen<lb/> unterschrieben war —> so sollten sie auf alle Fälle keinen andern verständnisvollen<lb/> Zeugen bei dieser Begegnung haben als mich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1575"> Währenddes saßen die drei andern — oder richtiger Lund und Eller — denn<lb/> Frederik Gjedde sagte noch immer nicht viel — und redeten über das Erlebnis in<lb/> Berlin. Eller war offenbar sehr skeptisch. Er wußte, daß der gute Lund nicht ganz<lb/> abgeneigt war, ein wenig auszuschmücken, und er betrachtete wohl im Grunde die Ge¬<lb/> schichte als „Dichtung und Wahrheit" — mit außerordentlich wenig von der letzten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1576"> — — Man geht nicht so einfach hin und vertraut seine Herzensangelegen¬<lb/> heiten dem ersten besten an! erklärte er sehr bestimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1577"> Dem ersten besten? wiederholte Lund ein wenig pikiert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1578"> Ja, verzeih; ich hatte vergessen, daß da auch noch ein verliebtes Ehepaar im<lb/> Restaurant anwesend war! — Aber dieser Mann mit der Tasche, die er übrigens<lb/> heute nicht mitzuhabe» schien — wenn er es überhaupt ist —, muß doch ein sonder¬<lb/> barer Kauz sein! weshalb muß er denn so absolut reden, weil eine Dame — ich<lb/> gehe von der Voraussetzung aus, daß es eine Dame gewesen ist — ihm gesagt<lb/> hat, daß sie ihn liebt. — In, was sagst denn du dazu? wandte er sich an mich.<lb/> Nimmst du so ohne weiteres die Geschichte für bare Münze?</p><lb/> <p xml:id="ID_1579"> Ja, das tue ich, antwortete ich — ich hatte ja nun auch meine besondern<lb/> Gründe, mehr daran zu glauben als er —, und ich kann es mir im Grunde auch<lb/> sehr gut denken, daß man sich in einer Situation wie die, in der er sich befand,<lb/> so überströmend glücklich, so stolz, wenn du willst, fühlen kann, daß man irgend<lb/> etwas tun muß, sich aussprechen, einen Mann totschlagen oder sonst irgend etwas<lb/> Außergewöhnliches. Vielleicht hat ihm obendrein „Ast" an jenem Tage den ersten<lb/> Kuß gegeben, und dann — —</p><lb/> <p xml:id="ID_1580"> Den ersten Kuß! wiederholte Eller und pfiff vor sich hin. Ja, wollte man<lb/> jedesmal einen Menschen totschlagen, wenn man ... dann säße man längst als<lb/> Massenmörder im Zuchthause!</p><lb/> <p xml:id="ID_1581"> Na na, nur nicht renommieren! sagte Lund. Du hast überhaupt noch nie den<lb/> ersten Kuß bekommen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1582"> Was hab ich nicht? — Ach so ist es gemeint — Unsinn! — Aber wollen wir<lb/> jetzt nicht ein wenig in die Luft hinaus? Nein, es gießt ja noch immer, entgegnete<lb/> Lund und nippte an dem Rüdesheimer. Aber es freut mich doch, daß du — das<lb/> war ich — die Geschichte glaubst und sie verstehen kannst.</p><lb/> <p xml:id="ID_1583"> Ja, das kommt vielleicht daher, weil sie mich — gewissermaßen — an eine<lb/> Geschichte aus dem Kriege von 48 erinnert, die mir mein Vater einmal erzählt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1584"> Gib uns diese Geschichte in Anbetracht des Regenwetters zum besten!</p><lb/> <p xml:id="ID_1585"> Und ich erzählte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1586"> Im Jahre 48 stand beim Jägerbataillon ein ganz junger Leutnant, ein<lb/> sonderbar eingeschüchterter, melancholischer Mensch. Er war eigentlich häßlich,<lb/> unansehnlich von Statur und ohne militärische Haltung. Aber vor allem war<lb/> er auch gleichsam überall überflüssig, unsicher und wortkarg — er war gewiß<lb/> auch aus einer wenig feinen Familie. Mit den Kameraden hatte er keine Fühlung,<lb/> und die Leute hatten keinen rechten Respekt vor ihm, namentlich nachdem er sich<lb/> bei der Feuertanfe nicht geradezu feige, aber doch ohne Initiative, bedrückt wie<lb/> immer, gezeigt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1587" next="#ID_1588"> Gleich zu Anfang des Krieges wurde der Leutnant mit seiner Abteilung eines<lb/> Nachmittags auf einem abseits gelegnen Pfarrhof in Nordschleswig einquartiert, wo</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0339]
Die Lrenntagenallee
wenn ich „Asts" Namen preisgab, und ich schwieg. Sollten er und sie sich wirklich
begegnen — es konnte ja auch ein Zufall sein, daß das Inserat mit diesem Namen
unterschrieben war —> so sollten sie auf alle Fälle keinen andern verständnisvollen
Zeugen bei dieser Begegnung haben als mich.
Währenddes saßen die drei andern — oder richtiger Lund und Eller — denn
Frederik Gjedde sagte noch immer nicht viel — und redeten über das Erlebnis in
Berlin. Eller war offenbar sehr skeptisch. Er wußte, daß der gute Lund nicht ganz
abgeneigt war, ein wenig auszuschmücken, und er betrachtete wohl im Grunde die Ge¬
schichte als „Dichtung und Wahrheit" — mit außerordentlich wenig von der letzten.
— — Man geht nicht so einfach hin und vertraut seine Herzensangelegen¬
heiten dem ersten besten an! erklärte er sehr bestimmt.
Dem ersten besten? wiederholte Lund ein wenig pikiert.
Ja, verzeih; ich hatte vergessen, daß da auch noch ein verliebtes Ehepaar im
Restaurant anwesend war! — Aber dieser Mann mit der Tasche, die er übrigens
heute nicht mitzuhabe» schien — wenn er es überhaupt ist —, muß doch ein sonder¬
barer Kauz sein! weshalb muß er denn so absolut reden, weil eine Dame — ich
gehe von der Voraussetzung aus, daß es eine Dame gewesen ist — ihm gesagt
hat, daß sie ihn liebt. — In, was sagst denn du dazu? wandte er sich an mich.
Nimmst du so ohne weiteres die Geschichte für bare Münze?
Ja, das tue ich, antwortete ich — ich hatte ja nun auch meine besondern
Gründe, mehr daran zu glauben als er —, und ich kann es mir im Grunde auch
sehr gut denken, daß man sich in einer Situation wie die, in der er sich befand,
so überströmend glücklich, so stolz, wenn du willst, fühlen kann, daß man irgend
etwas tun muß, sich aussprechen, einen Mann totschlagen oder sonst irgend etwas
Außergewöhnliches. Vielleicht hat ihm obendrein „Ast" an jenem Tage den ersten
Kuß gegeben, und dann — —
Den ersten Kuß! wiederholte Eller und pfiff vor sich hin. Ja, wollte man
jedesmal einen Menschen totschlagen, wenn man ... dann säße man längst als
Massenmörder im Zuchthause!
Na na, nur nicht renommieren! sagte Lund. Du hast überhaupt noch nie den
ersten Kuß bekommen!
Was hab ich nicht? — Ach so ist es gemeint — Unsinn! — Aber wollen wir
jetzt nicht ein wenig in die Luft hinaus? Nein, es gießt ja noch immer, entgegnete
Lund und nippte an dem Rüdesheimer. Aber es freut mich doch, daß du — das
war ich — die Geschichte glaubst und sie verstehen kannst.
Ja, das kommt vielleicht daher, weil sie mich — gewissermaßen — an eine
Geschichte aus dem Kriege von 48 erinnert, die mir mein Vater einmal erzählt hat.
Gib uns diese Geschichte in Anbetracht des Regenwetters zum besten!
Und ich erzählte.
Im Jahre 48 stand beim Jägerbataillon ein ganz junger Leutnant, ein
sonderbar eingeschüchterter, melancholischer Mensch. Er war eigentlich häßlich,
unansehnlich von Statur und ohne militärische Haltung. Aber vor allem war
er auch gleichsam überall überflüssig, unsicher und wortkarg — er war gewiß
auch aus einer wenig feinen Familie. Mit den Kameraden hatte er keine Fühlung,
und die Leute hatten keinen rechten Respekt vor ihm, namentlich nachdem er sich
bei der Feuertanfe nicht geradezu feige, aber doch ohne Initiative, bedrückt wie
immer, gezeigt hatte.
Gleich zu Anfang des Krieges wurde der Leutnant mit seiner Abteilung eines
Nachmittags auf einem abseits gelegnen Pfarrhof in Nordschleswig einquartiert, wo
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |