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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Breslau

bis zum niedrigsten Range einen reichlichen Niederschlag zurückließen. In den
vier Tagen des Frühjahrswollmarkts hatte das Bankhaus Eichborn zur Zeit
der höchsten Blüte der schlesischen Schafzucht durchschnittlich zwei Millionen
Taler auszuzahlen. Die schlesischen Landwirte haben durch Lieferung von
Zuchtböcken die australische Konkurrenz großgezogen, und da zudem die
steigende Intensität der Landwirtschaft die Benutzung unsers teuern Bodens
als Schafweide erschwert, hat der Wollmarkt seinen Glanz verloren. Einiger¬
maßen ersetzt ihn der Maschinenmarkt, dessen Besucher jedoch zur Betrübnis
der Breslauer weit weniger lustig sind als die alten Wollonkel. Rechts wird
der Torplatz von den Terrassen und Gruppen des Kaiser Wilhelm-Denkmals
und von der Corpus Christikirche begrenzt. Zwischen beiden beginnt der öst¬
liche, der Hauptteil der Promenaden. Um diesen hat sich der 1834 verstorbne
Direktor und in mancher Beziehung Schöpfer des Botanischen Gartens, "der
alte Göppert", hoch verdient gemacht. Er hat auch die Promenaden den
Unterrichtszwecken der ihm anvertrauten Institute dienstbar gemacht, indem er
die Bäume mit ihren deutschen und botanischen Namen etikettieren ließ, und
wenn ich nicht irre, ist er der Urheber des glücklichen Gedankens gewesen,
öffentliche Anlagen "unter den Schutz des Publikums" zu stellen. Auf einem
der schönsten Promenadenplätze hat man seine Büste aufgestellt (von Schayer.
Selbstverständlich besitzt Breslau eine Menge alter und neuer Denkmäler nebst
Gedenktafeln an den Geburtshäusern seiner berühmten Kinder). Zwei Anhöhen,
die Taschen- und die Ziegelbastion, erinnern an die alten Festungswerke. Jene
heißt Liebichshöhc, seitdem sie der Kaufmann Liebich mit einem Aussichtsturin
geschmückt hat, der mit den zu ihm hinaufführenden Treppen, den von Säulen¬
hallen umgebnen Terrassen und der einem Atrium ähnlichen Eingangshalle
(mit Bassin und Springbrunnen) einen ganz originellen Schmuck der Stadt
bildet. Die Ziegelbastion heißt jetzt Holteihöhe, von einer Büste des populärsten
aller berühmten Breslauer. Die Aussicht über den von Bergnügungsdampfern
belebten Strom (die Lastschiffe umfahren im Norden die Stadt auf dem 1897
vollendeten Großschiffahrtswege), auf den Dom und die Sandinsel habe ich im
ersten Bande der Wandlungen beschrieben. Leider ist das Grün, in das
beide gebettet daliegen, so üppig geworden, daß es die Rückseite des
bischöflichen Palais und der Domherrnkurien vollständig verdeckt. Auch so
noch hat man ein ganz unvergleichliches abgerundetes Stadtbild vor Augen.
Ich weiß ihm keins an die Seite zu setzen als den Blick auf die Ofener
Burg vom Franz-Josephplatze aus; das Budapester Bild ist großartiger, das
Breslauer idyllischer.

Die neue Stadt ist gebaut, wie man eben um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts zu bauen pflegte. Unter den vielen Monumental- und Pracht¬
bauten jener Periode ist das Museum der bildenden Künste das schönste. Sein
Treppenhaus ist nicht so weiträumig und großartig wie das des Neuen Museums
in Berlin, aber mit dem warmen Farbentone seines Stuckmarmors, seinem


Breslau

bis zum niedrigsten Range einen reichlichen Niederschlag zurückließen. In den
vier Tagen des Frühjahrswollmarkts hatte das Bankhaus Eichborn zur Zeit
der höchsten Blüte der schlesischen Schafzucht durchschnittlich zwei Millionen
Taler auszuzahlen. Die schlesischen Landwirte haben durch Lieferung von
Zuchtböcken die australische Konkurrenz großgezogen, und da zudem die
steigende Intensität der Landwirtschaft die Benutzung unsers teuern Bodens
als Schafweide erschwert, hat der Wollmarkt seinen Glanz verloren. Einiger¬
maßen ersetzt ihn der Maschinenmarkt, dessen Besucher jedoch zur Betrübnis
der Breslauer weit weniger lustig sind als die alten Wollonkel. Rechts wird
der Torplatz von den Terrassen und Gruppen des Kaiser Wilhelm-Denkmals
und von der Corpus Christikirche begrenzt. Zwischen beiden beginnt der öst¬
liche, der Hauptteil der Promenaden. Um diesen hat sich der 1834 verstorbne
Direktor und in mancher Beziehung Schöpfer des Botanischen Gartens, „der
alte Göppert", hoch verdient gemacht. Er hat auch die Promenaden den
Unterrichtszwecken der ihm anvertrauten Institute dienstbar gemacht, indem er
die Bäume mit ihren deutschen und botanischen Namen etikettieren ließ, und
wenn ich nicht irre, ist er der Urheber des glücklichen Gedankens gewesen,
öffentliche Anlagen „unter den Schutz des Publikums" zu stellen. Auf einem
der schönsten Promenadenplätze hat man seine Büste aufgestellt (von Schayer.
Selbstverständlich besitzt Breslau eine Menge alter und neuer Denkmäler nebst
Gedenktafeln an den Geburtshäusern seiner berühmten Kinder). Zwei Anhöhen,
die Taschen- und die Ziegelbastion, erinnern an die alten Festungswerke. Jene
heißt Liebichshöhc, seitdem sie der Kaufmann Liebich mit einem Aussichtsturin
geschmückt hat, der mit den zu ihm hinaufführenden Treppen, den von Säulen¬
hallen umgebnen Terrassen und der einem Atrium ähnlichen Eingangshalle
(mit Bassin und Springbrunnen) einen ganz originellen Schmuck der Stadt
bildet. Die Ziegelbastion heißt jetzt Holteihöhe, von einer Büste des populärsten
aller berühmten Breslauer. Die Aussicht über den von Bergnügungsdampfern
belebten Strom (die Lastschiffe umfahren im Norden die Stadt auf dem 1897
vollendeten Großschiffahrtswege), auf den Dom und die Sandinsel habe ich im
ersten Bande der Wandlungen beschrieben. Leider ist das Grün, in das
beide gebettet daliegen, so üppig geworden, daß es die Rückseite des
bischöflichen Palais und der Domherrnkurien vollständig verdeckt. Auch so
noch hat man ein ganz unvergleichliches abgerundetes Stadtbild vor Augen.
Ich weiß ihm keins an die Seite zu setzen als den Blick auf die Ofener
Burg vom Franz-Josephplatze aus; das Budapester Bild ist großartiger, das
Breslauer idyllischer.

Die neue Stadt ist gebaut, wie man eben um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts zu bauen pflegte. Unter den vielen Monumental- und Pracht¬
bauten jener Periode ist das Museum der bildenden Künste das schönste. Sein
Treppenhaus ist nicht so weiträumig und großartig wie das des Neuen Museums
in Berlin, aber mit dem warmen Farbentone seines Stuckmarmors, seinem


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[0314] Breslau bis zum niedrigsten Range einen reichlichen Niederschlag zurückließen. In den vier Tagen des Frühjahrswollmarkts hatte das Bankhaus Eichborn zur Zeit der höchsten Blüte der schlesischen Schafzucht durchschnittlich zwei Millionen Taler auszuzahlen. Die schlesischen Landwirte haben durch Lieferung von Zuchtböcken die australische Konkurrenz großgezogen, und da zudem die steigende Intensität der Landwirtschaft die Benutzung unsers teuern Bodens als Schafweide erschwert, hat der Wollmarkt seinen Glanz verloren. Einiger¬ maßen ersetzt ihn der Maschinenmarkt, dessen Besucher jedoch zur Betrübnis der Breslauer weit weniger lustig sind als die alten Wollonkel. Rechts wird der Torplatz von den Terrassen und Gruppen des Kaiser Wilhelm-Denkmals und von der Corpus Christikirche begrenzt. Zwischen beiden beginnt der öst¬ liche, der Hauptteil der Promenaden. Um diesen hat sich der 1834 verstorbne Direktor und in mancher Beziehung Schöpfer des Botanischen Gartens, „der alte Göppert", hoch verdient gemacht. Er hat auch die Promenaden den Unterrichtszwecken der ihm anvertrauten Institute dienstbar gemacht, indem er die Bäume mit ihren deutschen und botanischen Namen etikettieren ließ, und wenn ich nicht irre, ist er der Urheber des glücklichen Gedankens gewesen, öffentliche Anlagen „unter den Schutz des Publikums" zu stellen. Auf einem der schönsten Promenadenplätze hat man seine Büste aufgestellt (von Schayer. Selbstverständlich besitzt Breslau eine Menge alter und neuer Denkmäler nebst Gedenktafeln an den Geburtshäusern seiner berühmten Kinder). Zwei Anhöhen, die Taschen- und die Ziegelbastion, erinnern an die alten Festungswerke. Jene heißt Liebichshöhc, seitdem sie der Kaufmann Liebich mit einem Aussichtsturin geschmückt hat, der mit den zu ihm hinaufführenden Treppen, den von Säulen¬ hallen umgebnen Terrassen und der einem Atrium ähnlichen Eingangshalle (mit Bassin und Springbrunnen) einen ganz originellen Schmuck der Stadt bildet. Die Ziegelbastion heißt jetzt Holteihöhe, von einer Büste des populärsten aller berühmten Breslauer. Die Aussicht über den von Bergnügungsdampfern belebten Strom (die Lastschiffe umfahren im Norden die Stadt auf dem 1897 vollendeten Großschiffahrtswege), auf den Dom und die Sandinsel habe ich im ersten Bande der Wandlungen beschrieben. Leider ist das Grün, in das beide gebettet daliegen, so üppig geworden, daß es die Rückseite des bischöflichen Palais und der Domherrnkurien vollständig verdeckt. Auch so noch hat man ein ganz unvergleichliches abgerundetes Stadtbild vor Augen. Ich weiß ihm keins an die Seite zu setzen als den Blick auf die Ofener Burg vom Franz-Josephplatze aus; das Budapester Bild ist großartiger, das Breslauer idyllischer. Die neue Stadt ist gebaut, wie man eben um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zu bauen pflegte. Unter den vielen Monumental- und Pracht¬ bauten jener Periode ist das Museum der bildenden Künste das schönste. Sein Treppenhaus ist nicht so weiträumig und großartig wie das des Neuen Museums in Berlin, aber mit dem warmen Farbentone seines Stuckmarmors, seinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/314>, abgerufen am 24.07.2024.