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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Breswu

Kornschen Hause empfing er am 18. März die ersten Freiwilligen. Hier, in
demselben Hause, in dem Saale, wo jetzt die Rotationsmaschinen rollen, teilte
der König in Gegenwart des Zaren Alexander dem sechzehnjähriger Prinzen
Wilhelm, unserm spätern Heldenkaiser, seine Beförderung zum Premierleutnant
mit." Den Arbeitern seiner Papierfabrik in Sacrau hat Heinrich von Korn eine
reizende, meist aus Zweifamilienhäusern bestehende Gartenstadt geschaffen.

Das mittelalterliche Breslciu wird nur durch die Kirchen und das Rat¬
haus repräsentiert, aber was dieser Repräsentation an Zahl fehlt, das wird
durch die Größe und Schönheit der Bauwerke reichlich aufgewogen. Es sind,
abgesehen von einigen kleinen Anstaltskirchen, drei evangelische und sechs
katholische Pfarrkirchen (die Zahl der Pfarreien beider Konfessionen ist be¬
deutend größer), und die drei evangelischen, zwei der katholischen und der
Dom sind Kolosfalbcmten. Für die Baustile, Bauzeiten und die in diesen
Kirchen angehäuften Kunstwerke verweise ich auf den Bädeker und den Führer
durch Breslciu. Diese Kirchen vorzüglich hat König Wladislans gemeint, als
er (1505) in der Stiftungsurkunde für die von ihm -- vergebens -- geplante
Universität von Breslau schrieb, es übertreffe aeclilioiorum s,o insignium
struewriu-uni prasstantig. ounows tavils (?primaria6 urbes. Eine Anzahl
schlesischer Maler hat ihre Tätigkeit der Darstellung dieser Kirchen gewidmet
(Wölffl, Günther, Jrmcmn, Josef Langer), und eine Sammlung von Re¬
produktionen einiger ihrer Architektur- und Stadtbilder wird demnächst von
Wilh. Gottl. Korns Verlag in einer kunstvollen Mappe (Preis 20 Mark)
herausgegeben werden. Und diese Kirchen sind angefüllt mit Gemälden,
Skulpturen und Erzeugnissen des Breslauer Kunsthandwerks, das, besonders
in der Goldschmiederei, mit dem Nürnberger konkurrierte. Der letzte Katholiken¬
tag hat eine Ausstellung kirchlicher Kunst im Schlesischen Museum für Kunst¬
gewerbe und Altertümer veranlaßt, von der ein Korrespondent der Frankfurter
Zeitung unter anderen berichtet: "Der Breslauer Domschatz verfügt über
einzelne Objekte, die an Seltenheit ihresgleichen suchen, und die zu sehen sich
sonst wohl nie wieder Gelegenheit bieten wird. Auch der Kunstforschung sind
diese Objekte bisher verschlossen gewesen." Aus dem Führer ist jedoch zu
ersehen, daß sie gegen ein Eintrittsgeld von 1 Mark 50 Pfg., bei wiederholtem
Besuch 1 Mark, besichtigt werden können.

Nicht diese Einzelheiten, die außerhalb des Bereichs meiner Interessen und
meiner Kompetenz liegen, sind das, was diese Kirchen zu einem Bestandteile
meines Seelenschatzes gemacht hat, sondern ihre imposante, malerische und
zugleich belehrende Gesamterscheinung. Drei von ihnen sind mir besonders
lieb. Die Sandkirche und die Kreuzkirche deswegen, weil in ihnen nicht die
"ehrwürdige Nacht" gotischer Dome herrscht, sondern freundliche Helle. Himmel¬
hoch steigen die weißen, schlanken Säulen dieser dreischiffigen Hallenkirchen
empor, und durch große, nicht gemalte Fenster fällt das Licht ungeschwächt
herein, sodaß man die Empfindung hat, jeder Druck sei von der Seele hinweg-


Breswu

Kornschen Hause empfing er am 18. März die ersten Freiwilligen. Hier, in
demselben Hause, in dem Saale, wo jetzt die Rotationsmaschinen rollen, teilte
der König in Gegenwart des Zaren Alexander dem sechzehnjähriger Prinzen
Wilhelm, unserm spätern Heldenkaiser, seine Beförderung zum Premierleutnant
mit." Den Arbeitern seiner Papierfabrik in Sacrau hat Heinrich von Korn eine
reizende, meist aus Zweifamilienhäusern bestehende Gartenstadt geschaffen.

Das mittelalterliche Breslciu wird nur durch die Kirchen und das Rat¬
haus repräsentiert, aber was dieser Repräsentation an Zahl fehlt, das wird
durch die Größe und Schönheit der Bauwerke reichlich aufgewogen. Es sind,
abgesehen von einigen kleinen Anstaltskirchen, drei evangelische und sechs
katholische Pfarrkirchen (die Zahl der Pfarreien beider Konfessionen ist be¬
deutend größer), und die drei evangelischen, zwei der katholischen und der
Dom sind Kolosfalbcmten. Für die Baustile, Bauzeiten und die in diesen
Kirchen angehäuften Kunstwerke verweise ich auf den Bädeker und den Führer
durch Breslciu. Diese Kirchen vorzüglich hat König Wladislans gemeint, als
er (1505) in der Stiftungsurkunde für die von ihm — vergebens — geplante
Universität von Breslau schrieb, es übertreffe aeclilioiorum s,o insignium
struewriu-uni prasstantig. ounows tavils (?primaria6 urbes. Eine Anzahl
schlesischer Maler hat ihre Tätigkeit der Darstellung dieser Kirchen gewidmet
(Wölffl, Günther, Jrmcmn, Josef Langer), und eine Sammlung von Re¬
produktionen einiger ihrer Architektur- und Stadtbilder wird demnächst von
Wilh. Gottl. Korns Verlag in einer kunstvollen Mappe (Preis 20 Mark)
herausgegeben werden. Und diese Kirchen sind angefüllt mit Gemälden,
Skulpturen und Erzeugnissen des Breslauer Kunsthandwerks, das, besonders
in der Goldschmiederei, mit dem Nürnberger konkurrierte. Der letzte Katholiken¬
tag hat eine Ausstellung kirchlicher Kunst im Schlesischen Museum für Kunst¬
gewerbe und Altertümer veranlaßt, von der ein Korrespondent der Frankfurter
Zeitung unter anderen berichtet: „Der Breslauer Domschatz verfügt über
einzelne Objekte, die an Seltenheit ihresgleichen suchen, und die zu sehen sich
sonst wohl nie wieder Gelegenheit bieten wird. Auch der Kunstforschung sind
diese Objekte bisher verschlossen gewesen." Aus dem Führer ist jedoch zu
ersehen, daß sie gegen ein Eintrittsgeld von 1 Mark 50 Pfg., bei wiederholtem
Besuch 1 Mark, besichtigt werden können.

Nicht diese Einzelheiten, die außerhalb des Bereichs meiner Interessen und
meiner Kompetenz liegen, sind das, was diese Kirchen zu einem Bestandteile
meines Seelenschatzes gemacht hat, sondern ihre imposante, malerische und
zugleich belehrende Gesamterscheinung. Drei von ihnen sind mir besonders
lieb. Die Sandkirche und die Kreuzkirche deswegen, weil in ihnen nicht die
„ehrwürdige Nacht" gotischer Dome herrscht, sondern freundliche Helle. Himmel¬
hoch steigen die weißen, schlanken Säulen dieser dreischiffigen Hallenkirchen
empor, und durch große, nicht gemalte Fenster fällt das Licht ungeschwächt
herein, sodaß man die Empfindung hat, jeder Druck sei von der Seele hinweg-


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[0311] Breswu Kornschen Hause empfing er am 18. März die ersten Freiwilligen. Hier, in demselben Hause, in dem Saale, wo jetzt die Rotationsmaschinen rollen, teilte der König in Gegenwart des Zaren Alexander dem sechzehnjähriger Prinzen Wilhelm, unserm spätern Heldenkaiser, seine Beförderung zum Premierleutnant mit." Den Arbeitern seiner Papierfabrik in Sacrau hat Heinrich von Korn eine reizende, meist aus Zweifamilienhäusern bestehende Gartenstadt geschaffen. Das mittelalterliche Breslciu wird nur durch die Kirchen und das Rat¬ haus repräsentiert, aber was dieser Repräsentation an Zahl fehlt, das wird durch die Größe und Schönheit der Bauwerke reichlich aufgewogen. Es sind, abgesehen von einigen kleinen Anstaltskirchen, drei evangelische und sechs katholische Pfarrkirchen (die Zahl der Pfarreien beider Konfessionen ist be¬ deutend größer), und die drei evangelischen, zwei der katholischen und der Dom sind Kolosfalbcmten. Für die Baustile, Bauzeiten und die in diesen Kirchen angehäuften Kunstwerke verweise ich auf den Bädeker und den Führer durch Breslciu. Diese Kirchen vorzüglich hat König Wladislans gemeint, als er (1505) in der Stiftungsurkunde für die von ihm — vergebens — geplante Universität von Breslau schrieb, es übertreffe aeclilioiorum s,o insignium struewriu-uni prasstantig. ounows tavils (?primaria6 urbes. Eine Anzahl schlesischer Maler hat ihre Tätigkeit der Darstellung dieser Kirchen gewidmet (Wölffl, Günther, Jrmcmn, Josef Langer), und eine Sammlung von Re¬ produktionen einiger ihrer Architektur- und Stadtbilder wird demnächst von Wilh. Gottl. Korns Verlag in einer kunstvollen Mappe (Preis 20 Mark) herausgegeben werden. Und diese Kirchen sind angefüllt mit Gemälden, Skulpturen und Erzeugnissen des Breslauer Kunsthandwerks, das, besonders in der Goldschmiederei, mit dem Nürnberger konkurrierte. Der letzte Katholiken¬ tag hat eine Ausstellung kirchlicher Kunst im Schlesischen Museum für Kunst¬ gewerbe und Altertümer veranlaßt, von der ein Korrespondent der Frankfurter Zeitung unter anderen berichtet: „Der Breslauer Domschatz verfügt über einzelne Objekte, die an Seltenheit ihresgleichen suchen, und die zu sehen sich sonst wohl nie wieder Gelegenheit bieten wird. Auch der Kunstforschung sind diese Objekte bisher verschlossen gewesen." Aus dem Führer ist jedoch zu ersehen, daß sie gegen ein Eintrittsgeld von 1 Mark 50 Pfg., bei wiederholtem Besuch 1 Mark, besichtigt werden können. Nicht diese Einzelheiten, die außerhalb des Bereichs meiner Interessen und meiner Kompetenz liegen, sind das, was diese Kirchen zu einem Bestandteile meines Seelenschatzes gemacht hat, sondern ihre imposante, malerische und zugleich belehrende Gesamterscheinung. Drei von ihnen sind mir besonders lieb. Die Sandkirche und die Kreuzkirche deswegen, weil in ihnen nicht die „ehrwürdige Nacht" gotischer Dome herrscht, sondern freundliche Helle. Himmel¬ hoch steigen die weißen, schlanken Säulen dieser dreischiffigen Hallenkirchen empor, und durch große, nicht gemalte Fenster fällt das Licht ungeschwächt herein, sodaß man die Empfindung hat, jeder Druck sei von der Seele hinweg-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/311>, abgerufen am 24.07.2024.