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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Nur die Patrizierhäuser am Ringe und in einigen vornehmen Straßen haben
fünf und mehr Fenster Front. Mit ihren meist zwei Höfe umschließenden
Seiten- und Hintergebäuden boten sie Raum für den Handel, dessen damaligen
Betrieb ich nicht zu beschreiben brauche, weil es Gustav Freytag in "Soll
und Haben" getan hat. Bekanntlich ist es die Firma Molinari, die er unter
dem Namen Schröter verherrlicht. Das Haus der Familie auf der Albrecht¬
straße ist an einen andern Besitzer übergegangen, in dessen Laden, der schön
gewölbten alten Verkaufshalle, man Photographien der beiden Höfe bekommt
mit den Fenstern der Wohnungen von Sabine, Wohlfart und Fink. Von
der großen Wage im Hausflur, ein der Herr Pix seinen Pinselzepter über
Auflader und Hausknechte schwang, und von wo aus er die Damen des
Hauses auf ihrem Wüschboden bedrängte, hat man den Wagebalken hängen
lassen. Zimmerfluchten im ersten Stock, wie die dem guten Anton Wohl¬
fart imponierende, können den heutigen Anforderungen vornehmer Leute
höchstens dann entsprechen, wenn das Haus ein Eckhaus ist, sodaß eine der
Langseiten frei liegt. Dieses Vorzugs erfreut sich unter andern: das Haus der
Firma Korn, der Eigentümerin der Schlesischen Zeitung, auf der Schweidnitzer
Straße. Die (jetzt nicht mehr bewohnte) lange Zimmerreihe ist von den
kunstsinnigen Familienhäuptern mit wertvollen Gemälden alter und neuer
Meister, Skulpturen, Bronzen. Meisterwerken der Kunsttischlerei ausgeschmückt,
und ein vornheraus liegender Saal geradezu als Museum eingerichtet worden.
Dessen Perle war ein Böcklin: "Poesie und Malerei", dessen Entstehung der
gegenwärtige Leiter der Kornschen Unternehmungen, Dr. Wilhelm Korn, in
Ur. 411 der Schlesischen Zeitung erzählt hat. Der vorm Jahre entschlafne
Heinrich von Korn hatte als Mitbegründer und Kuratoriumsvorsitzender des
Provinzialmuseums der bildenden Künste, dem er viele wertvolle Stücke seiner
eignen Sammlung geschenkt hat, Böcklin für die Ausmalung des Treppen¬
hauses gewinnen wollen, was nicht gelang. Er fand einen Ersatz für den
gescheiterten Plan darin, daß er das genannte Bild, dessen Entwurf er bei
einem Besuche des Meisters in Florenz sah, für sein Privatmuseum vollenden
ließ. Nach seinem Tode ist es seinem Willen gemäß ebenfalls dem Provinzial-
museum übergeben worden, das jetzt fünf Böcklins besitzt, nur die Schackgalerie
in München und die Berliner Nationalgalerie haben deren mehr auszuweisen.
Das Arrangement auf dem oben genannten Bilde erinnert an das Gemälde
Tizians, das unter dem sonderbaren Namen (ein Novellist hat ihn jüngst zu
motivieren versucht) Himmlische und irdische Liebe bekannt ist: zwei Frauen¬
gestalten zu beiden Seiten eines Springbrunnens in einem Lorbeerhain, der
sich vom tiefblauen Himmel abhebt. Das Kornsche Haus ist in höherm Sinne
als das Molinarische ein historisches Haus. Im Nachruf auf den an,
20. März 1907 verstorbnen Dr. Heinrich von Korn liest man: "Im Jahre
1813 gab Friedrich Wilhelm der Dritte die Ausrufe "An mein Volk" und
"An mein Kriegsheer" der Schlesischen Zeitung zur ersten Veröffentlichung. Im


Lreslau

Nur die Patrizierhäuser am Ringe und in einigen vornehmen Straßen haben
fünf und mehr Fenster Front. Mit ihren meist zwei Höfe umschließenden
Seiten- und Hintergebäuden boten sie Raum für den Handel, dessen damaligen
Betrieb ich nicht zu beschreiben brauche, weil es Gustav Freytag in „Soll
und Haben" getan hat. Bekanntlich ist es die Firma Molinari, die er unter
dem Namen Schröter verherrlicht. Das Haus der Familie auf der Albrecht¬
straße ist an einen andern Besitzer übergegangen, in dessen Laden, der schön
gewölbten alten Verkaufshalle, man Photographien der beiden Höfe bekommt
mit den Fenstern der Wohnungen von Sabine, Wohlfart und Fink. Von
der großen Wage im Hausflur, ein der Herr Pix seinen Pinselzepter über
Auflader und Hausknechte schwang, und von wo aus er die Damen des
Hauses auf ihrem Wüschboden bedrängte, hat man den Wagebalken hängen
lassen. Zimmerfluchten im ersten Stock, wie die dem guten Anton Wohl¬
fart imponierende, können den heutigen Anforderungen vornehmer Leute
höchstens dann entsprechen, wenn das Haus ein Eckhaus ist, sodaß eine der
Langseiten frei liegt. Dieses Vorzugs erfreut sich unter andern: das Haus der
Firma Korn, der Eigentümerin der Schlesischen Zeitung, auf der Schweidnitzer
Straße. Die (jetzt nicht mehr bewohnte) lange Zimmerreihe ist von den
kunstsinnigen Familienhäuptern mit wertvollen Gemälden alter und neuer
Meister, Skulpturen, Bronzen. Meisterwerken der Kunsttischlerei ausgeschmückt,
und ein vornheraus liegender Saal geradezu als Museum eingerichtet worden.
Dessen Perle war ein Böcklin: „Poesie und Malerei", dessen Entstehung der
gegenwärtige Leiter der Kornschen Unternehmungen, Dr. Wilhelm Korn, in
Ur. 411 der Schlesischen Zeitung erzählt hat. Der vorm Jahre entschlafne
Heinrich von Korn hatte als Mitbegründer und Kuratoriumsvorsitzender des
Provinzialmuseums der bildenden Künste, dem er viele wertvolle Stücke seiner
eignen Sammlung geschenkt hat, Böcklin für die Ausmalung des Treppen¬
hauses gewinnen wollen, was nicht gelang. Er fand einen Ersatz für den
gescheiterten Plan darin, daß er das genannte Bild, dessen Entwurf er bei
einem Besuche des Meisters in Florenz sah, für sein Privatmuseum vollenden
ließ. Nach seinem Tode ist es seinem Willen gemäß ebenfalls dem Provinzial-
museum übergeben worden, das jetzt fünf Böcklins besitzt, nur die Schackgalerie
in München und die Berliner Nationalgalerie haben deren mehr auszuweisen.
Das Arrangement auf dem oben genannten Bilde erinnert an das Gemälde
Tizians, das unter dem sonderbaren Namen (ein Novellist hat ihn jüngst zu
motivieren versucht) Himmlische und irdische Liebe bekannt ist: zwei Frauen¬
gestalten zu beiden Seiten eines Springbrunnens in einem Lorbeerhain, der
sich vom tiefblauen Himmel abhebt. Das Kornsche Haus ist in höherm Sinne
als das Molinarische ein historisches Haus. Im Nachruf auf den an,
20. März 1907 verstorbnen Dr. Heinrich von Korn liest man: „Im Jahre
1813 gab Friedrich Wilhelm der Dritte die Ausrufe »An mein Volk« und
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[0310] Lreslau Nur die Patrizierhäuser am Ringe und in einigen vornehmen Straßen haben fünf und mehr Fenster Front. Mit ihren meist zwei Höfe umschließenden Seiten- und Hintergebäuden boten sie Raum für den Handel, dessen damaligen Betrieb ich nicht zu beschreiben brauche, weil es Gustav Freytag in „Soll und Haben" getan hat. Bekanntlich ist es die Firma Molinari, die er unter dem Namen Schröter verherrlicht. Das Haus der Familie auf der Albrecht¬ straße ist an einen andern Besitzer übergegangen, in dessen Laden, der schön gewölbten alten Verkaufshalle, man Photographien der beiden Höfe bekommt mit den Fenstern der Wohnungen von Sabine, Wohlfart und Fink. Von der großen Wage im Hausflur, ein der Herr Pix seinen Pinselzepter über Auflader und Hausknechte schwang, und von wo aus er die Damen des Hauses auf ihrem Wüschboden bedrängte, hat man den Wagebalken hängen lassen. Zimmerfluchten im ersten Stock, wie die dem guten Anton Wohl¬ fart imponierende, können den heutigen Anforderungen vornehmer Leute höchstens dann entsprechen, wenn das Haus ein Eckhaus ist, sodaß eine der Langseiten frei liegt. Dieses Vorzugs erfreut sich unter andern: das Haus der Firma Korn, der Eigentümerin der Schlesischen Zeitung, auf der Schweidnitzer Straße. Die (jetzt nicht mehr bewohnte) lange Zimmerreihe ist von den kunstsinnigen Familienhäuptern mit wertvollen Gemälden alter und neuer Meister, Skulpturen, Bronzen. Meisterwerken der Kunsttischlerei ausgeschmückt, und ein vornheraus liegender Saal geradezu als Museum eingerichtet worden. Dessen Perle war ein Böcklin: „Poesie und Malerei", dessen Entstehung der gegenwärtige Leiter der Kornschen Unternehmungen, Dr. Wilhelm Korn, in Ur. 411 der Schlesischen Zeitung erzählt hat. Der vorm Jahre entschlafne Heinrich von Korn hatte als Mitbegründer und Kuratoriumsvorsitzender des Provinzialmuseums der bildenden Künste, dem er viele wertvolle Stücke seiner eignen Sammlung geschenkt hat, Böcklin für die Ausmalung des Treppen¬ hauses gewinnen wollen, was nicht gelang. Er fand einen Ersatz für den gescheiterten Plan darin, daß er das genannte Bild, dessen Entwurf er bei einem Besuche des Meisters in Florenz sah, für sein Privatmuseum vollenden ließ. Nach seinem Tode ist es seinem Willen gemäß ebenfalls dem Provinzial- museum übergeben worden, das jetzt fünf Böcklins besitzt, nur die Schackgalerie in München und die Berliner Nationalgalerie haben deren mehr auszuweisen. Das Arrangement auf dem oben genannten Bilde erinnert an das Gemälde Tizians, das unter dem sonderbaren Namen (ein Novellist hat ihn jüngst zu motivieren versucht) Himmlische und irdische Liebe bekannt ist: zwei Frauen¬ gestalten zu beiden Seiten eines Springbrunnens in einem Lorbeerhain, der sich vom tiefblauen Himmel abhebt. Das Kornsche Haus ist in höherm Sinne als das Molinarische ein historisches Haus. Im Nachruf auf den an, 20. März 1907 verstorbnen Dr. Heinrich von Korn liest man: „Im Jahre 1813 gab Friedrich Wilhelm der Dritte die Ausrufe »An mein Volk« und »An mein Kriegsheer« der Schlesischen Zeitung zur ersten Veröffentlichung. Im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/310>, abgerufen am 24.07.2024.