Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches uno Unmaßgebliches es sich bei dem Feldzug gegen die Kongoberwaltung nicht um humanitäre Dinge, - Übrigens müßte uns der ganze Vorfall eine Mahnung zur Beschleunigung Somit wären die wichtigsten Vorgänge auf kolonialen Gebiet erörtert. Über Südwestafrika entwickelt sich in erfreulicher Weise. Die Ein- und Aus¬ Maßgebliches uno Unmaßgebliches es sich bei dem Feldzug gegen die Kongoberwaltung nicht um humanitäre Dinge, - Übrigens müßte uns der ganze Vorfall eine Mahnung zur Beschleunigung Somit wären die wichtigsten Vorgänge auf kolonialen Gebiet erörtert. Über Südwestafrika entwickelt sich in erfreulicher Weise. Die Ein- und Aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314642"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches uno Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1405" prev="#ID_1404"> es sich bei dem Feldzug gegen die Kongoberwaltung nicht um humanitäre Dinge,<lb/> sondern um wirtschaftliche Interessen. In der Kongoakte ist bestimmt, daß im<lb/> Kongobecken Handelsfreiheit herrschen soll. Die Belgier haben sich aber all die Jahre<lb/> nicht im geringsten daran gekehrt. Von Handelsfreiheit konnte keine Rede sein, die<lb/> Belgier hatten vielmehr den Handel mit Elfenbein, Kautschuk und Kopai — etwas<lb/> andres kommt vorläufig für den Handel nicht in Betracht -^ vollkommen in<lb/> der Hand des Staates monopolisiert. Auf welche Weise, läßt sich in . Kürze<lb/> nicht auseinandersetzen, die gegenteilige Behauptung ist aber einfach Schwindel.<lb/> Unser ostafrikanischer Handel hat jedenfalls jahraus jahrein ungeheuern Schaden durch<lb/> diese Umgehung der Kongoakte erlitten, und es ist bedauerlich, daß sich die Kolonial¬<lb/> verwaltung und das Auswärtige Amt dies solange haben gefallen lassen. Den<lb/> Engländern ist mittlerweile die Geduld gerissen, sie haben einfach, um den unsichern<lb/> Verhältnissen in Zentralafrika ein Ende zu machen, dort ein Gebiet besetzt, von<lb/> dem die Belgier behaupten, daß es ihnen gehöre. Wir befinden uns in ähnlicher<lb/> Lage. Die Belgier machen ebenfalls auf halb Ruanda Anspruch. Aber wir<lb/> müßten verrückt sein, wenn wir dieses Gebiet, das geradezu das reichste in unsrer<lb/> Kolonie ist, preisgeben wollen. Übrigens würden sich die Watussi, die Bewohner<lb/> von Ruanda, eine solche Teilung, die die schwerste wirtschaftliche und politische<lb/> Konfusion nach sich ziehen würde, gar nicht ohne weiteres gefallen lassen. Die<lb/> natürliche Grenze zwischen Deutsch-Ostafrika und der Kongokolonie bildet die Kamm-<lb/> linie der Kiwuvulkane, wie namentlich aus der durch die Expedition des Herzogs<lb/> Adolf Friedrich zu Mecklenburg aufgenommnen Karte deutlich erhellt. Er scheint, daß<lb/> das deutsche Kolonialamt mit dem Auswärtigen Amt und die englische Regierung<lb/> im gegenseitigen Einverständnis handeln. Daraufist wohl das plötzliche Nachgeben<lb/> der Belgier zurückzuführen. Vor einigen Tagen ging die Nachricht durch die Presse,<lb/> daß den belgischen Parlamenten von der Regierung ein Reformplan zugegangen<lb/> sei, der seinem Wortlaut nach einer vollkommnen Änderung der seitherigen belgischen<lb/> Politik am Kongo gleichkommt ^— vorausgesetzt, daß er ehrlich durchgeführt würde.<lb/> Übrigens liegt in diesem „Reformplan" das deutliche Zugeständnis, daß man bisher<lb/> auf belgischer Seite die Kongoakte Nicht eingehalten hat. Bezüglich der Ehrlichkeit<lb/> dieser Aktion wird man übrigens begründete Zweifel hegen müssen, denn wenn von<lb/> den Belgiern die Kongoakte ehrlich eingehalten worden wäre, so wäre dieser<lb/> „Reformplan" ganz überflüssig gewesen. Es wird gut sein, wenn wir uns gegen¬<lb/> über den belgischen Zugeständnissen sehr reserviert verhalten und durch Einsetzung<lb/> von konsularischen Vertretungen im Kongostaat für die nötige Kontrolle sorgen.<lb/> Insbesondre aber müssen wir darauf dringen, daß die LVOWO Hektar Land^die<lb/> nach dem „Reformplan" von der Handelsfreiheit ausgenommen sein sollen, nicht<lb/> ausgerechnet an unsrer Grenze liegen. Denn von der Handelsfreiheit in den uns<lb/> benachbarten Gebieten der Kongokolonie hängt nicht zum wenigsten die Rentabilität<lb/> unsrer künftigen großen Überlandbahnen ab. ' . ,</p><lb/> <p xml:id="ID_1406"> - Übrigens müßte uns der ganze Vorfall eine Mahnung zur Beschleunigung<lb/> des Bahnbaues nach dem Viktoriasee und darüber hinaus nach Ruanda sein, da¬<lb/> mit das herrliche und fruchtbare Bergland, das heute schon ungeheure Viehherden<lb/> beherbergt, endlich nutzbar gemacht und unserm Kolonialbesitz unwiderruflich ein¬<lb/> verleibt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1407"> Somit wären die wichtigsten Vorgänge auf kolonialen Gebiet erörtert. Über<lb/> die andern Kolonien müssen wir uns heute kurz fassen, wir werden aber in der<lb/> nächsten Nummer nochmals auf verschiedne Punkte zurückkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1408" next="#ID_1409"> Südwestafrika entwickelt sich in erfreulicher Weise. Die Ein- und Aus¬<lb/> fuhr hat sich im Kalenderjahre 1908 bedeutend gesteigert. Dabei spielt die Diamanten-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
Maßgebliches uno Unmaßgebliches
es sich bei dem Feldzug gegen die Kongoberwaltung nicht um humanitäre Dinge,
sondern um wirtschaftliche Interessen. In der Kongoakte ist bestimmt, daß im
Kongobecken Handelsfreiheit herrschen soll. Die Belgier haben sich aber all die Jahre
nicht im geringsten daran gekehrt. Von Handelsfreiheit konnte keine Rede sein, die
Belgier hatten vielmehr den Handel mit Elfenbein, Kautschuk und Kopai — etwas
andres kommt vorläufig für den Handel nicht in Betracht -^ vollkommen in
der Hand des Staates monopolisiert. Auf welche Weise, läßt sich in . Kürze
nicht auseinandersetzen, die gegenteilige Behauptung ist aber einfach Schwindel.
Unser ostafrikanischer Handel hat jedenfalls jahraus jahrein ungeheuern Schaden durch
diese Umgehung der Kongoakte erlitten, und es ist bedauerlich, daß sich die Kolonial¬
verwaltung und das Auswärtige Amt dies solange haben gefallen lassen. Den
Engländern ist mittlerweile die Geduld gerissen, sie haben einfach, um den unsichern
Verhältnissen in Zentralafrika ein Ende zu machen, dort ein Gebiet besetzt, von
dem die Belgier behaupten, daß es ihnen gehöre. Wir befinden uns in ähnlicher
Lage. Die Belgier machen ebenfalls auf halb Ruanda Anspruch. Aber wir
müßten verrückt sein, wenn wir dieses Gebiet, das geradezu das reichste in unsrer
Kolonie ist, preisgeben wollen. Übrigens würden sich die Watussi, die Bewohner
von Ruanda, eine solche Teilung, die die schwerste wirtschaftliche und politische
Konfusion nach sich ziehen würde, gar nicht ohne weiteres gefallen lassen. Die
natürliche Grenze zwischen Deutsch-Ostafrika und der Kongokolonie bildet die Kamm-
linie der Kiwuvulkane, wie namentlich aus der durch die Expedition des Herzogs
Adolf Friedrich zu Mecklenburg aufgenommnen Karte deutlich erhellt. Er scheint, daß
das deutsche Kolonialamt mit dem Auswärtigen Amt und die englische Regierung
im gegenseitigen Einverständnis handeln. Daraufist wohl das plötzliche Nachgeben
der Belgier zurückzuführen. Vor einigen Tagen ging die Nachricht durch die Presse,
daß den belgischen Parlamenten von der Regierung ein Reformplan zugegangen
sei, der seinem Wortlaut nach einer vollkommnen Änderung der seitherigen belgischen
Politik am Kongo gleichkommt ^— vorausgesetzt, daß er ehrlich durchgeführt würde.
Übrigens liegt in diesem „Reformplan" das deutliche Zugeständnis, daß man bisher
auf belgischer Seite die Kongoakte Nicht eingehalten hat. Bezüglich der Ehrlichkeit
dieser Aktion wird man übrigens begründete Zweifel hegen müssen, denn wenn von
den Belgiern die Kongoakte ehrlich eingehalten worden wäre, so wäre dieser
„Reformplan" ganz überflüssig gewesen. Es wird gut sein, wenn wir uns gegen¬
über den belgischen Zugeständnissen sehr reserviert verhalten und durch Einsetzung
von konsularischen Vertretungen im Kongostaat für die nötige Kontrolle sorgen.
Insbesondre aber müssen wir darauf dringen, daß die LVOWO Hektar Land^die
nach dem „Reformplan" von der Handelsfreiheit ausgenommen sein sollen, nicht
ausgerechnet an unsrer Grenze liegen. Denn von der Handelsfreiheit in den uns
benachbarten Gebieten der Kongokolonie hängt nicht zum wenigsten die Rentabilität
unsrer künftigen großen Überlandbahnen ab. ' . ,
- Übrigens müßte uns der ganze Vorfall eine Mahnung zur Beschleunigung
des Bahnbaues nach dem Viktoriasee und darüber hinaus nach Ruanda sein, da¬
mit das herrliche und fruchtbare Bergland, das heute schon ungeheure Viehherden
beherbergt, endlich nutzbar gemacht und unserm Kolonialbesitz unwiderruflich ein¬
verleibt wird.
Somit wären die wichtigsten Vorgänge auf kolonialen Gebiet erörtert. Über
die andern Kolonien müssen wir uns heute kurz fassen, wir werden aber in der
nächsten Nummer nochmals auf verschiedne Punkte zurückkommen.
Südwestafrika entwickelt sich in erfreulicher Weise. Die Ein- und Aus¬
fuhr hat sich im Kalenderjahre 1908 bedeutend gesteigert. Dabei spielt die Diamanten-
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