Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.I" Acht und Aberacht mußte angeben, wo er den Schmied gesehen hatte. Dabei fiel es ihm ein, und Er sollte bald merken, daß ihn seine Ahnung nicht betrogen hatte. Zuerst Leute nahm sich nun auch vor, seine Aussage möglichst so einzurichten, Sowohl nach der Vernehmung als auch nach der Ortsbesichtigung konnte Als der Tag der Aburteilung herankam, war ihm sehr elend zumute. Es Leute verstand nicht, was Meyer eigentlich meinte, und als ihn der I» Acht und Aberacht mußte angeben, wo er den Schmied gesehen hatte. Dabei fiel es ihm ein, und Er sollte bald merken, daß ihn seine Ahnung nicht betrogen hatte. Zuerst Leute nahm sich nun auch vor, seine Aussage möglichst so einzurichten, Sowohl nach der Vernehmung als auch nach der Ortsbesichtigung konnte Als der Tag der Aburteilung herankam, war ihm sehr elend zumute. Es Leute verstand nicht, was Meyer eigentlich meinte, und als ihn der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0285" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314632"/> <fw type="header" place="top"> I» Acht und Aberacht</fw><lb/> <p xml:id="ID_1371" prev="#ID_1370"> mußte angeben, wo er den Schmied gesehen hatte. Dabei fiel es ihm ein, und<lb/> sein Herz wurde ihm darüber noch schwerer, daß das Stück Bruch vor dem<lb/> herrschaftlichen Holze nicht mehr zu der Schimmelbergschen Jagd gehöre, daß<lb/> Korbes also gewittert hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1372"> Er sollte bald merken, daß ihn seine Ahnung nicht betrogen hatte. Zuerst<lb/> fiel es ihm auf, daß Meyer sich nicht mehr sehen ließ, denn der kam sonst<lb/> jeden Abend eine Stunde. Auch der Schmied ließ sich nicht sehen, sein bester<lb/> Gast. Die andern Stammgäste kamen wohl, aber sie blieben nur kurze Zeit<lb/> und verhielten sich recht kühl, wie es den Krüger deuchte. Am nächsten Tage<lb/> um Uhr drei, zu einer ganz ungewohnten Zeit, erschien der Müller, saß lange<lb/> bei seinem Schnapse, sprach dann von der Heuernte, vom Wetter, von seinem<lb/> Aalfang und von dem Schaden, den ihm die Rehe in seiner Besamung getan<lb/> hätten, und kam schließlich auch auf den beschlagnahmten Rehbock, wobei er so<lb/> bei Wege meinte, man könne auch zu scharfe Augen haben, und es wäre schlimm,<lb/> daß bei einem Manne aus dem Dorfe eine Haussuchung vorgenommen worden<lb/> sei. Übrigens könne man vom Kanal aus nicht sehen, ob der Schmied aus<lb/> dem herrschaftlichen Bruche gekommen sei. Dabei sah er den Wirt scharf an,<lb/> was sonst nicht seine Art war, denn meistenteils sah Kassen mit kleinen Augen<lb/> vor sich hin. So wie Kassen redeten in den nächsten Tagen die andern ge¬<lb/> legentlich auch, denn wenn der Schmied auch ein leichter Hund war, er<lb/> stammte aus einer alten Familie und hatte eine große Freundschaft im Dorfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1373"> Leute nahm sich nun auch vor, seine Aussage möglichst so einzurichten,<lb/> daß sie zugunsten des Schmiedes ausfalle. Er atmete auf, als alle seine<lb/> Gäste wieder antraten, sogar der Schmied kam wieder, gab viel aus, schimpfte<lb/> auf den Förster, der sich im Morgennebel versehen hätte, und meinte, Leute<lb/> hätte doch genau sehen können, daß er mindestens hundert Schritt von der<lb/> Grenze weggeblieben sei. Schließlich glaubte der Krüger das selber. Aber als<lb/> er auf dem Gerichte vernommen wurde, und der Förster einen genauen Plan<lb/> des Tatortes vorlegte, da mußte er zugeben, daß Korbes hinter und nicht vor<lb/> den Ellernbüschen über das Bruch gekommen sei. Vier Wochen hinterher<lb/> fand eine Ortsbesichtigung statt, und in ihr mußte der Krüger trotz aller<lb/> Ausflüchte und aller Hinweise auf den starken Nebel und sein Augenleiden zu¬<lb/> geben, daß er den Schmied hinter den Ellernbüschen hatte gehen sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1374"> Sowohl nach der Vernehmung als auch nach der Ortsbesichtigung konnte<lb/> Leute die Nacht nicht schlafen. Er merkte es anch sofort, wie die Stimmung<lb/> im Dorfe war. Der Verkehr in der Gaststube ließ nach, im Laden wurde<lb/> weniger gekauft, man grüßte ihn mit nachlässiger Kälte, übersah ihn auch<lb/> wohl ganz.</p><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Als der Tag der Aburteilung herankam, war ihm sehr elend zumute. Es<lb/> regnete, und der Wind pfiff, und so kam er naß und verfroren auf dem Ge¬<lb/> richte an. Der Schmied war in bester Laune; er scherzte und versuchte sogar<lb/> ein harmloses Gespräch mit dem Gutsförster und dem Gendarm, hatte aber bei<lb/> beiden kein Glück damit. Sein Vetter, der Kätner Meyer, stand gedrückt neben<lb/> ihm. Er war ebenfalls angeklagt. Ab und zu warf er dein Wirte einen<lb/> Prüfenden Blick zu. Endlich löste er sich von der Wand, trat an ihn heran<lb/> und meinte leise, nachdem er erst von dem Wetter geredet hatte, daß das<lb/> Schwören eine gefährliche Geschichte sei, und man tue am besten und lasse die<lb/> Hand ganz davon. Und dann sprach er laut von den Schweinepreisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376" next="#ID_1377"> Leute verstand nicht, was Meyer eigentlich meinte, und als ihn der<lb/> Richter aufforderte, seinen Zeugeneid abzulegen, tat er das, ohne zu wissen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0285]
I» Acht und Aberacht
mußte angeben, wo er den Schmied gesehen hatte. Dabei fiel es ihm ein, und
sein Herz wurde ihm darüber noch schwerer, daß das Stück Bruch vor dem
herrschaftlichen Holze nicht mehr zu der Schimmelbergschen Jagd gehöre, daß
Korbes also gewittert hatte.
Er sollte bald merken, daß ihn seine Ahnung nicht betrogen hatte. Zuerst
fiel es ihm auf, daß Meyer sich nicht mehr sehen ließ, denn der kam sonst
jeden Abend eine Stunde. Auch der Schmied ließ sich nicht sehen, sein bester
Gast. Die andern Stammgäste kamen wohl, aber sie blieben nur kurze Zeit
und verhielten sich recht kühl, wie es den Krüger deuchte. Am nächsten Tage
um Uhr drei, zu einer ganz ungewohnten Zeit, erschien der Müller, saß lange
bei seinem Schnapse, sprach dann von der Heuernte, vom Wetter, von seinem
Aalfang und von dem Schaden, den ihm die Rehe in seiner Besamung getan
hätten, und kam schließlich auch auf den beschlagnahmten Rehbock, wobei er so
bei Wege meinte, man könne auch zu scharfe Augen haben, und es wäre schlimm,
daß bei einem Manne aus dem Dorfe eine Haussuchung vorgenommen worden
sei. Übrigens könne man vom Kanal aus nicht sehen, ob der Schmied aus
dem herrschaftlichen Bruche gekommen sei. Dabei sah er den Wirt scharf an,
was sonst nicht seine Art war, denn meistenteils sah Kassen mit kleinen Augen
vor sich hin. So wie Kassen redeten in den nächsten Tagen die andern ge¬
legentlich auch, denn wenn der Schmied auch ein leichter Hund war, er
stammte aus einer alten Familie und hatte eine große Freundschaft im Dorfe.
Leute nahm sich nun auch vor, seine Aussage möglichst so einzurichten,
daß sie zugunsten des Schmiedes ausfalle. Er atmete auf, als alle seine
Gäste wieder antraten, sogar der Schmied kam wieder, gab viel aus, schimpfte
auf den Förster, der sich im Morgennebel versehen hätte, und meinte, Leute
hätte doch genau sehen können, daß er mindestens hundert Schritt von der
Grenze weggeblieben sei. Schließlich glaubte der Krüger das selber. Aber als
er auf dem Gerichte vernommen wurde, und der Förster einen genauen Plan
des Tatortes vorlegte, da mußte er zugeben, daß Korbes hinter und nicht vor
den Ellernbüschen über das Bruch gekommen sei. Vier Wochen hinterher
fand eine Ortsbesichtigung statt, und in ihr mußte der Krüger trotz aller
Ausflüchte und aller Hinweise auf den starken Nebel und sein Augenleiden zu¬
geben, daß er den Schmied hinter den Ellernbüschen hatte gehen sehen.
Sowohl nach der Vernehmung als auch nach der Ortsbesichtigung konnte
Leute die Nacht nicht schlafen. Er merkte es anch sofort, wie die Stimmung
im Dorfe war. Der Verkehr in der Gaststube ließ nach, im Laden wurde
weniger gekauft, man grüßte ihn mit nachlässiger Kälte, übersah ihn auch
wohl ganz.
Als der Tag der Aburteilung herankam, war ihm sehr elend zumute. Es
regnete, und der Wind pfiff, und so kam er naß und verfroren auf dem Ge¬
richte an. Der Schmied war in bester Laune; er scherzte und versuchte sogar
ein harmloses Gespräch mit dem Gutsförster und dem Gendarm, hatte aber bei
beiden kein Glück damit. Sein Vetter, der Kätner Meyer, stand gedrückt neben
ihm. Er war ebenfalls angeklagt. Ab und zu warf er dein Wirte einen
Prüfenden Blick zu. Endlich löste er sich von der Wand, trat an ihn heran
und meinte leise, nachdem er erst von dem Wetter geredet hatte, daß das
Schwören eine gefährliche Geschichte sei, und man tue am besten und lasse die
Hand ganz davon. Und dann sprach er laut von den Schweinepreisen.
Leute verstand nicht, was Meyer eigentlich meinte, und als ihn der
Richter aufforderte, seinen Zeugeneid abzulegen, tat er das, ohne zu wissen,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |