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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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vom thrakischen Meere

Nschzug" gesellt. Endlich sei als besonders rühmlich hervorgehoben, daß der
Cottasche Verlag von der bisher sehr teuern Wilhelm Hertzschen Bearbeitung
von Gottfrieds von Straßburg "Tristan und Isolde" eine wohlfeile, schön
ausgestattete Ausgabe mit einem literarhistorischen Nachwort von Friedrich von
der Lehen vorlegt.




vom thrakischen Meere
von Lari Fredrich
6. Die Inseln vor Magnesia

b
seits von dem dichten Kranz der Kykladen, der sich rund um die
heilige Delos legt, entfernt auch von den großen Schwestern im
thrakischen Meere ragt nördlich von Euboia und östlich von Thessalien
eine Masse von kleinern und kleinen Inseln auf. Sie heißen ge¬
wöhnlich Nördliche Sporaden, wie man die an der Südwestküste von
Kleinasien zerstreuten Inseln Sporaden genannt hat. Aber der Name
kann irreführen, und zerstreut sind sie auch nicht; sie drängen sich eng zusammen,
und Skyros, das weiter südlich aufsteigt, wird mit Recht nicht zu ihnen gerechnet.
Weit passender sagen schon antike Geographen: Die Inseln, die vor Magnesia
liegen, d. h. vor der hohen Halbinsel, die sich wie ein Finger östlich um den paga-
säischen Golf krallt und eine Fortsetzung des Gebirgszuges darstellt, auf dem Olymp,
Ossa und Pelion thronen. Formatton, Lage und Geschichte weisen die Inseln zur
Magnesia, nach Thessalien. Seitdem Thessalien zum Königreich Griechenland ge¬
hört, gehören sie politisch zu dieser Provinz, und wenn heute jemand vom Piräus
aus sie besuchen will, muß er auf einzig schöner Meerfahrt zuerst Volo in Thessalien
erreichen: um Kap Sunium herum, zwischen Euboia und dem Festlande hindurch,
am Golf von Lamia vorbei, an dem die Gegend der Thermopylen sichtbar wird,
durch die enge Einfahrt und durch den Golf, der im Altertum nach der größten
Stadt Golf von Pagasai hieß und heute nach dem wichtigsten Hafen Golf von
Volo genannt wird. Im nördlichsten Winkel dieses weiten, von Bergen umkränzten,
seeartigen Meerbusens hat zu allen Zeiten seine Herrin gelegen. In grauer Vor¬
zeit war es Jolkos; von ihr aus trat Jason mit seinen Argonauten die kühne
Entdeckungsfahrt gen Osten an. Später wich die kleine Ritterburg der großen
Stadt Pagasai, die sich ihr gegenüber im Nordwesten über Hügel hinzog. Ihr
gab im Jahre 293 Demetrios Poliorketes eine Konkurrentin, seine Stadt Demetrias,
die nach seinem Willen die Herrscherin über die See werden sollte. Hoch und fest
stand sie gegenüber von Pagasai. also im Nordosten, südlich von Jolkos, unmittel¬
bar über der Einfahrt in den nördlichen engen Teil des Golfes. Zum Schaden
von Pagasai blühte der starke Platz rasch auf. Die makedonischer Herrscher be¬
nutzten ihn lange als Stützpunkt sür ihre Herrschaft über Griechenland neben Chalkis
und Korinth und residierten ost dort. Seit dem Beginn der Römerherrschaft trat
Demetrias gegen Pagasai wieder zurück, bestand aber als feste Stadt noch die byzan¬
tinische Periode hindurch. In türkischer Zeit lag dort oben ein Dorf, und im
vorigen Jahrhundert zogen die Bewohner allmählich hinab nach Volo, das gleich
nördlich von Demetrias am Strande in einer für den Verkehr viel günstigern
Lage erstand. Für die Bauten von Volo wurden die Mauern und Gebäude des


vom thrakischen Meere

Nschzug" gesellt. Endlich sei als besonders rühmlich hervorgehoben, daß der
Cottasche Verlag von der bisher sehr teuern Wilhelm Hertzschen Bearbeitung
von Gottfrieds von Straßburg „Tristan und Isolde" eine wohlfeile, schön
ausgestattete Ausgabe mit einem literarhistorischen Nachwort von Friedrich von
der Lehen vorlegt.




vom thrakischen Meere
von Lari Fredrich
6. Die Inseln vor Magnesia

b
seits von dem dichten Kranz der Kykladen, der sich rund um die
heilige Delos legt, entfernt auch von den großen Schwestern im
thrakischen Meere ragt nördlich von Euboia und östlich von Thessalien
eine Masse von kleinern und kleinen Inseln auf. Sie heißen ge¬
wöhnlich Nördliche Sporaden, wie man die an der Südwestküste von
Kleinasien zerstreuten Inseln Sporaden genannt hat. Aber der Name
kann irreführen, und zerstreut sind sie auch nicht; sie drängen sich eng zusammen,
und Skyros, das weiter südlich aufsteigt, wird mit Recht nicht zu ihnen gerechnet.
Weit passender sagen schon antike Geographen: Die Inseln, die vor Magnesia
liegen, d. h. vor der hohen Halbinsel, die sich wie ein Finger östlich um den paga-
säischen Golf krallt und eine Fortsetzung des Gebirgszuges darstellt, auf dem Olymp,
Ossa und Pelion thronen. Formatton, Lage und Geschichte weisen die Inseln zur
Magnesia, nach Thessalien. Seitdem Thessalien zum Königreich Griechenland ge¬
hört, gehören sie politisch zu dieser Provinz, und wenn heute jemand vom Piräus
aus sie besuchen will, muß er auf einzig schöner Meerfahrt zuerst Volo in Thessalien
erreichen: um Kap Sunium herum, zwischen Euboia und dem Festlande hindurch,
am Golf von Lamia vorbei, an dem die Gegend der Thermopylen sichtbar wird,
durch die enge Einfahrt und durch den Golf, der im Altertum nach der größten
Stadt Golf von Pagasai hieß und heute nach dem wichtigsten Hafen Golf von
Volo genannt wird. Im nördlichsten Winkel dieses weiten, von Bergen umkränzten,
seeartigen Meerbusens hat zu allen Zeiten seine Herrin gelegen. In grauer Vor¬
zeit war es Jolkos; von ihr aus trat Jason mit seinen Argonauten die kühne
Entdeckungsfahrt gen Osten an. Später wich die kleine Ritterburg der großen
Stadt Pagasai, die sich ihr gegenüber im Nordwesten über Hügel hinzog. Ihr
gab im Jahre 293 Demetrios Poliorketes eine Konkurrentin, seine Stadt Demetrias,
die nach seinem Willen die Herrscherin über die See werden sollte. Hoch und fest
stand sie gegenüber von Pagasai. also im Nordosten, südlich von Jolkos, unmittel¬
bar über der Einfahrt in den nördlichen engen Teil des Golfes. Zum Schaden
von Pagasai blühte der starke Platz rasch auf. Die makedonischer Herrscher be¬
nutzten ihn lange als Stützpunkt sür ihre Herrschaft über Griechenland neben Chalkis
und Korinth und residierten ost dort. Seit dem Beginn der Römerherrschaft trat
Demetrias gegen Pagasai wieder zurück, bestand aber als feste Stadt noch die byzan¬
tinische Periode hindurch. In türkischer Zeit lag dort oben ein Dorf, und im
vorigen Jahrhundert zogen die Bewohner allmählich hinab nach Volo, das gleich
nördlich von Demetrias am Strande in einer für den Verkehr viel günstigern
Lage erstand. Für die Bauten von Volo wurden die Mauern und Gebäude des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/275>, abgerufen am 24.07.2024.