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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches
Journalist und Stand.

Ju der Urteilsbegründung des Prozesses Dassel
heißt es unter anderen, das Gericht habe bei Abmessung der Strafe erwogen, daß
"das Treiben Dahsels das Ansehen und die Ehre des Journalistenstandes schwer
zu schädigen geeignet" sei. Das Motiv, aus dem diese Begründung hervorgeht,
sozusagen die Gesinnung des Gerichtshofes, die sie entsteh" ließ, ist gewiß sehr
anerkennenswert. Es wäre nur zu wünschen, daß sich auch sonst die Gerichte
einer ähnlichen Feinfühligkeit für die Ehre der Journalisten befleißigten. Nur
trifft in diesem Falle die Begründung nicht zu. Herr Dassel kann die Ehre der
Journalisten nicht herabsetzen, weil er, soweit sich diese als Stand fühlen, längst
nicht zu ihnen gehörte. An keiner Zeitung oder Zeitschrift, die auf sich hält, hätte
Herr Dassel auf Grund seiner schon bekannten Vergangenheit mitwirken können.
Das war, im Gegensatz zu der Aussage des Journalisten Schweder während des
Prozesses, seit vielen Jahren in allen nur einigermaßen orientierten Journalisten¬
kreisen bekannt. Daß so ein Mann sich "Journalist" nennt, daß er sogar an irgend¬
einem Revolverblatt schreibt, kann ihm natürlich nicht verboten werden. So wenig,
wie einer, der auf der Friedrichstraße mit Schuhbändern und Glaserkitt handelt,
gehindert werden kann, sich "Kaufmann" zu nennen; so wenig, wie einer, der
dreimal über Automobilunfälle oder Petroleusen reportert hat, gehindert werden
kann, sich "Schriftsteller" zu nennen. Das ist in allen freien Berufen so, in allen
Berufe", bei deuen die Zulassung nicht von staatlicher oder korporativer Ge¬
nehmigung abhängt. Daß ein Mann wie Herr Dassel nicht Journalist ist, beweist
er ja gerade dadurch, daß er seineu Schwerpunkt auf das Gebiet der hoch¬
staplerische" Erpressung verlegt hat. Er bedient sich des Journalismus, wie sich
der Köpenicker Betrüger der Offiziersuniform bedient hat. In keinen angesehenen
Jornalistenverein wäre Herr Dassel jemals aufgenommen worden, ganz zu schweigen
von dem Verein Berliner Presse. Andre Standesvertretungen als die, die durch
den Zusammentritt der angesehensten und begabtesten Vertreter gebildet werden,
kann es in einem freien Berufe, wie dem journalistischen, in dem allein der
innerliche Befähigungsnachweis verlangt wird, naturgemäß nicht geben. Im
sonstigen Wortsinne ein "Stand" sind die Journalisten gar nicht. Sie umschließen
im Grunde alle Stände. Jeder repräsentiert die Gesellschaftsstufe, die er durch
seine Erziehung, durch seine Arbeit und Geltung erworben hat. Man könnte
sagen, unter den Journalisten gibt es so viele Stände, als es Persönlichkeiten gibt.
Daß die Journalisten als ein "Stand" im sonstigen Wortsinne nicht aufzufassen
sind und deshalb auch durch eine Existenz wie die des Herrn Dassel nicht be¬
leidigt werden können, geht schon daraus hervor, daß sie gar nicht die Macht
haben, unhonorige Bestandteile auszuscheiden. Diese Macht besteht nur in be¬
stimmten geschlossenen Vereinigungen, in denen sie denn auch rücksichtslos aus¬
geübt wird. Insofern kann allerdings die Zugehörigkeit zum "Verein Berliner
Presse" zum Beispiel als eine Art äußerlicher Legitimation gelten. Aber jeder,
der irgendwelchen "Dreck am Stecken" hat, braucht einfach in so unangenehmen
Vereinigungen, die die Reinlichkeit der Gesinnung und der Bestrebungen fordern, nicht
drin zu sein. Dann kann ihm nichts geschehen. Wirkliche Macht hat allein das
Publikum. Denn ohne Leser keine Schreiber. Ohne die lieben Nächsten, die
gierig die Schmach des andern schlürfen oder auch nur dos Getuschel über ihn
weitergeben, wären alle Winkelschwätzer zum Erstickungstod im eignen Gift und
Schmutz verdammt. Das ist die Mahnung, die aus einem Prozeß wie dem
Berliner Erpresserprozeß in erster Reihe hervorklingt, die sich jeder, der die
Friedrichstraße hinabgeht, jeder der zahllosen Fremden, die ein ausgeschrienes Blatt
zu kaufett im Begriff sind, als obersten Leitsatz vorzustellen hätte: Keinen Groschen für
alles, was auch nur entfernt nach ausgenützten Skandal, nach geflüsterten Geheimnissen,
p. in. nach irgendwelchen breitgetretne" private" Menschlichkeiten aussieht!


Maßgebliches und Unmaßgebliches
Journalist und Stand.

Ju der Urteilsbegründung des Prozesses Dassel
heißt es unter anderen, das Gericht habe bei Abmessung der Strafe erwogen, daß
„das Treiben Dahsels das Ansehen und die Ehre des Journalistenstandes schwer
zu schädigen geeignet" sei. Das Motiv, aus dem diese Begründung hervorgeht,
sozusagen die Gesinnung des Gerichtshofes, die sie entsteh» ließ, ist gewiß sehr
anerkennenswert. Es wäre nur zu wünschen, daß sich auch sonst die Gerichte
einer ähnlichen Feinfühligkeit für die Ehre der Journalisten befleißigten. Nur
trifft in diesem Falle die Begründung nicht zu. Herr Dassel kann die Ehre der
Journalisten nicht herabsetzen, weil er, soweit sich diese als Stand fühlen, längst
nicht zu ihnen gehörte. An keiner Zeitung oder Zeitschrift, die auf sich hält, hätte
Herr Dassel auf Grund seiner schon bekannten Vergangenheit mitwirken können.
Das war, im Gegensatz zu der Aussage des Journalisten Schweder während des
Prozesses, seit vielen Jahren in allen nur einigermaßen orientierten Journalisten¬
kreisen bekannt. Daß so ein Mann sich „Journalist" nennt, daß er sogar an irgend¬
einem Revolverblatt schreibt, kann ihm natürlich nicht verboten werden. So wenig,
wie einer, der auf der Friedrichstraße mit Schuhbändern und Glaserkitt handelt,
gehindert werden kann, sich „Kaufmann" zu nennen; so wenig, wie einer, der
dreimal über Automobilunfälle oder Petroleusen reportert hat, gehindert werden
kann, sich „Schriftsteller" zu nennen. Das ist in allen freien Berufen so, in allen
Berufe», bei deuen die Zulassung nicht von staatlicher oder korporativer Ge¬
nehmigung abhängt. Daß ein Mann wie Herr Dassel nicht Journalist ist, beweist
er ja gerade dadurch, daß er seineu Schwerpunkt auf das Gebiet der hoch¬
staplerische» Erpressung verlegt hat. Er bedient sich des Journalismus, wie sich
der Köpenicker Betrüger der Offiziersuniform bedient hat. In keinen angesehenen
Jornalistenverein wäre Herr Dassel jemals aufgenommen worden, ganz zu schweigen
von dem Verein Berliner Presse. Andre Standesvertretungen als die, die durch
den Zusammentritt der angesehensten und begabtesten Vertreter gebildet werden,
kann es in einem freien Berufe, wie dem journalistischen, in dem allein der
innerliche Befähigungsnachweis verlangt wird, naturgemäß nicht geben. Im
sonstigen Wortsinne ein „Stand" sind die Journalisten gar nicht. Sie umschließen
im Grunde alle Stände. Jeder repräsentiert die Gesellschaftsstufe, die er durch
seine Erziehung, durch seine Arbeit und Geltung erworben hat. Man könnte
sagen, unter den Journalisten gibt es so viele Stände, als es Persönlichkeiten gibt.
Daß die Journalisten als ein „Stand" im sonstigen Wortsinne nicht aufzufassen
sind und deshalb auch durch eine Existenz wie die des Herrn Dassel nicht be¬
leidigt werden können, geht schon daraus hervor, daß sie gar nicht die Macht
haben, unhonorige Bestandteile auszuscheiden. Diese Macht besteht nur in be¬
stimmten geschlossenen Vereinigungen, in denen sie denn auch rücksichtslos aus¬
geübt wird. Insofern kann allerdings die Zugehörigkeit zum „Verein Berliner
Presse" zum Beispiel als eine Art äußerlicher Legitimation gelten. Aber jeder,
der irgendwelchen „Dreck am Stecken" hat, braucht einfach in so unangenehmen
Vereinigungen, die die Reinlichkeit der Gesinnung und der Bestrebungen fordern, nicht
drin zu sein. Dann kann ihm nichts geschehen. Wirkliche Macht hat allein das
Publikum. Denn ohne Leser keine Schreiber. Ohne die lieben Nächsten, die
gierig die Schmach des andern schlürfen oder auch nur dos Getuschel über ihn
weitergeben, wären alle Winkelschwätzer zum Erstickungstod im eignen Gift und
Schmutz verdammt. Das ist die Mahnung, die aus einem Prozeß wie dem
Berliner Erpresserprozeß in erster Reihe hervorklingt, die sich jeder, der die
Friedrichstraße hinabgeht, jeder der zahllosen Fremden, die ein ausgeschrienes Blatt
zu kaufett im Begriff sind, als obersten Leitsatz vorzustellen hätte: Keinen Groschen für
alles, was auch nur entfernt nach ausgenützten Skandal, nach geflüsterten Geheimnissen,
p. in. nach irgendwelchen breitgetretne» private» Menschlichkeiten aussieht!


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[0204] Maßgebliches und Unmaßgebliches Journalist und Stand. Ju der Urteilsbegründung des Prozesses Dassel heißt es unter anderen, das Gericht habe bei Abmessung der Strafe erwogen, daß „das Treiben Dahsels das Ansehen und die Ehre des Journalistenstandes schwer zu schädigen geeignet" sei. Das Motiv, aus dem diese Begründung hervorgeht, sozusagen die Gesinnung des Gerichtshofes, die sie entsteh» ließ, ist gewiß sehr anerkennenswert. Es wäre nur zu wünschen, daß sich auch sonst die Gerichte einer ähnlichen Feinfühligkeit für die Ehre der Journalisten befleißigten. Nur trifft in diesem Falle die Begründung nicht zu. Herr Dassel kann die Ehre der Journalisten nicht herabsetzen, weil er, soweit sich diese als Stand fühlen, längst nicht zu ihnen gehörte. An keiner Zeitung oder Zeitschrift, die auf sich hält, hätte Herr Dassel auf Grund seiner schon bekannten Vergangenheit mitwirken können. Das war, im Gegensatz zu der Aussage des Journalisten Schweder während des Prozesses, seit vielen Jahren in allen nur einigermaßen orientierten Journalisten¬ kreisen bekannt. Daß so ein Mann sich „Journalist" nennt, daß er sogar an irgend¬ einem Revolverblatt schreibt, kann ihm natürlich nicht verboten werden. So wenig, wie einer, der auf der Friedrichstraße mit Schuhbändern und Glaserkitt handelt, gehindert werden kann, sich „Kaufmann" zu nennen; so wenig, wie einer, der dreimal über Automobilunfälle oder Petroleusen reportert hat, gehindert werden kann, sich „Schriftsteller" zu nennen. Das ist in allen freien Berufen so, in allen Berufe», bei deuen die Zulassung nicht von staatlicher oder korporativer Ge¬ nehmigung abhängt. Daß ein Mann wie Herr Dassel nicht Journalist ist, beweist er ja gerade dadurch, daß er seineu Schwerpunkt auf das Gebiet der hoch¬ staplerische» Erpressung verlegt hat. Er bedient sich des Journalismus, wie sich der Köpenicker Betrüger der Offiziersuniform bedient hat. In keinen angesehenen Jornalistenverein wäre Herr Dassel jemals aufgenommen worden, ganz zu schweigen von dem Verein Berliner Presse. Andre Standesvertretungen als die, die durch den Zusammentritt der angesehensten und begabtesten Vertreter gebildet werden, kann es in einem freien Berufe, wie dem journalistischen, in dem allein der innerliche Befähigungsnachweis verlangt wird, naturgemäß nicht geben. Im sonstigen Wortsinne ein „Stand" sind die Journalisten gar nicht. Sie umschließen im Grunde alle Stände. Jeder repräsentiert die Gesellschaftsstufe, die er durch seine Erziehung, durch seine Arbeit und Geltung erworben hat. Man könnte sagen, unter den Journalisten gibt es so viele Stände, als es Persönlichkeiten gibt. Daß die Journalisten als ein „Stand" im sonstigen Wortsinne nicht aufzufassen sind und deshalb auch durch eine Existenz wie die des Herrn Dassel nicht be¬ leidigt werden können, geht schon daraus hervor, daß sie gar nicht die Macht haben, unhonorige Bestandteile auszuscheiden. Diese Macht besteht nur in be¬ stimmten geschlossenen Vereinigungen, in denen sie denn auch rücksichtslos aus¬ geübt wird. Insofern kann allerdings die Zugehörigkeit zum „Verein Berliner Presse" zum Beispiel als eine Art äußerlicher Legitimation gelten. Aber jeder, der irgendwelchen „Dreck am Stecken" hat, braucht einfach in so unangenehmen Vereinigungen, die die Reinlichkeit der Gesinnung und der Bestrebungen fordern, nicht drin zu sein. Dann kann ihm nichts geschehen. Wirkliche Macht hat allein das Publikum. Denn ohne Leser keine Schreiber. Ohne die lieben Nächsten, die gierig die Schmach des andern schlürfen oder auch nur dos Getuschel über ihn weitergeben, wären alle Winkelschwätzer zum Erstickungstod im eignen Gift und Schmutz verdammt. Das ist die Mahnung, die aus einem Prozeß wie dem Berliner Erpresserprozeß in erster Reihe hervorklingt, die sich jeder, der die Friedrichstraße hinabgeht, jeder der zahllosen Fremden, die ein ausgeschrienes Blatt zu kaufett im Begriff sind, als obersten Leitsatz vorzustellen hätte: Keinen Groschen für alles, was auch nur entfernt nach ausgenützten Skandal, nach geflüsterten Geheimnissen, p. in. nach irgendwelchen breitgetretne» private» Menschlichkeiten aussieht!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/204>, abgerufen am 04.07.2024.