Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.Der rote Hahn Liese im freien Trabe Justesens Patrouillenwagen über den flüchtig hingeworfnen Und auf dem Telephondraht sitzt die Ammer und wippt mit dem Schwanz, um Und während der Wagen Myggefjed zurollt, erzählt Kaj Seydewitz Klein- Justesen hatte seine Zeit nicht vergeudet. Es war seine Art, bedächtig zu Werke Er hatte die vielen Brände nicht aufklären können. , Justesen war ganz Pfiffig, aber er war nicht klug. Er kam nicht zu seinen Da kamen die Kopenhagner, und Justesen nahm seine alte Idee wieder auf. Justesen zerbrach sich seinen Kopf. Er hatte wohl schon von Sachen gehört, Da kam der Tag, an dem Seydewitz draußen auf Deichhof war, um Abbitte Der rote Hahn Liese im freien Trabe Justesens Patrouillenwagen über den flüchtig hingeworfnen Und auf dem Telephondraht sitzt die Ammer und wippt mit dem Schwanz, um Und während der Wagen Myggefjed zurollt, erzählt Kaj Seydewitz Klein- Justesen hatte seine Zeit nicht vergeudet. Es war seine Art, bedächtig zu Werke Er hatte die vielen Brände nicht aufklären können. , Justesen war ganz Pfiffig, aber er war nicht klug. Er kam nicht zu seinen Da kamen die Kopenhagner, und Justesen nahm seine alte Idee wieder auf. Justesen zerbrach sich seinen Kopf. Er hatte wohl schon von Sachen gehört, Da kam der Tag, an dem Seydewitz draußen auf Deichhof war, um Abbitte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314541"/> <fw type="header" place="top"> Der rote Hahn</fw><lb/> <p xml:id="ID_961" prev="#ID_960"> Liese im freien Trabe Justesens Patrouillenwagen über den flüchtig hingeworfnen<lb/> Schal zieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_962"> Und auf dem Telephondraht sitzt die Ammer und wippt mit dem Schwanz, um<lb/> sich eilends vorwärts zu schwingen, hinabzusenken und mit freundlichem Kiwitt<lb/> wieder zu erheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_963"> Und während der Wagen Myggefjed zurollt, erzählt Kaj Seydewitz Klein-<lb/> Jnger, weshalb sie diesen Weg machen, was Justesen erfahren hat, und was das<lb/> Ziel der Reise ist. Er hätte wohl lieber sehr vieles andre gesagt, aber er sah ein,<lb/> jetzt galt es vor allen Dingen die Sache — die große, wichtige Sache.</p><lb/> <p xml:id="ID_964"> Justesen hatte seine Zeit nicht vergeudet. Es war seine Art, bedächtig zu Werke<lb/> zu gehn, sich in das Vertrauen der Menschen hineinzuarbeiten und mit ihrer Hilfe<lb/> vorwärts zu dringen. Er hatte gelernt zu fragen, zutrauen, zu mißtrauen; er hatte<lb/> gelernt, daß die Bauern draußen nur schwer Vertrauen schenkten, aber schenkten sie<lb/> es einem, so behielt man es. Und Justesen hatte das Vertrauen der Bauern, der<lb/> großen und der kleinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_965"> Er hatte die vielen Brände nicht aufklären können. ,</p><lb/> <p xml:id="ID_966"> Justesen war ganz Pfiffig, aber er war nicht klug. Er kam nicht zu seinen<lb/> Resultaten, indem er eine Hypothese aufstellte und bei seiner Arbeit von dieser<lb/> ausging, Wie es „studierte Leute" tun. Er erfuhr etwas, und dann erfuhr er mehr,<lb/> bis er zuletzt genug wußte. Deshalb irrte er sich selten, fand er jedoch seinen Aus¬<lb/> gangspunkt nicht draußen, so konnte man sicher darauf rechnen, daß er ihn niemals<lb/> in sich selbst fand. Sein Verdacht auf Ole Mathem war erweckt worden, als er und<lb/> Seydewitz zum erstenmal auf Myggefjed pfändeten. Dieser Verdacht war nur schwach<lb/> und unbestimmt. Die Worte der alten Fran hatten ihn zum Teil wieder eingeschläfert;<lb/> Justesen kannte und respektierte Ole Matheus Mutter. Und der Brand auf Deichhof<lb/> hatte Justesen vollends Mißtrauen eingeflößt. Den Brand konnte Ole nicht verursacht<lb/> haben. Die Untersuchungen waren stark nach dieser Seite hin gerichtet worden, aber<lb/> vergeblich. Und der Brand auf Deichhof war die eigentliche Ursache davon, daß<lb/> Justesens Verdacht gegen Ole vollständig schwand.</p><lb/> <p xml:id="ID_967"> Da kamen die Kopenhagner, und Justesen nahm seine alte Idee wieder auf.<lb/> Er lenkte seine Schritte öfter nach Myggefjed, plauderte sich allmählich in das<lb/> Vertrauen der alten Frau hinein, und sie schüttete ihni ihr Herz aus. Es war in<lb/> Oich Oberstübchen nicht ganz richtig, die Alte hatte Angst vor ihm bekomme«. Er<lb/> konnte heftige Anfälle von Delirium bekommen, er redete wirres Zeug und pusselte<lb/> so merkwürdig im Hause umher. signe war auf Deichhof, und die alte Frau fürchtete<lb/> für ihr Leben. Schon beim Brande des Myrehauses hatte Justesen sein Augenmerk<lb/> auf Ole gerichtet, aber er konnte nachweisen, daß er in der Mühle gewesen war,<lb/> den ganzen Tag, weit entfernt vom Hause.</p><lb/> <p xml:id="ID_968"> Justesen zerbrach sich seinen Kopf. Er hatte wohl schon von Sachen gehört,<lb/> in denen der Brand durch Lichtstümpfchen entstanden war, die man unter Milcheimer<lb/> oder in Kästen auf Heuböden gestellt hatte — aber bei den Bränden, um die es<lb/> sich hier handelte, war nichts dergleichen zu entdecken. Und Oich Alibi war stets<lb/> so verdammt solide, es handelte sich um Stunden, um ganze und halbe Tage. Justesen<lb/> kratzte sich den Kopf und paßte auf Ole auf. Aber Ole ging umher und machte<lb/> Dummheiten und trank.</p><lb/> <p xml:id="ID_969" next="#ID_970"> Da kam der Tag, an dem Seydewitz draußen auf Deichhof war, um Abbitte<lb/> zu leisten. Justesen, der ihn fuhr, bekam unten an der Schule von Viehlcmd einen<lb/> zerknautschten Papierfetzen von einem flachsköpfigen Häuslerjungen zugesteckt, und auf<lb/> diesem standen die wenigen Worte: „Ole macht eine Michanick. Kommen Sie her."<lb/> Justesen kam, aber die „Michanick" kriegte er nicht zu sehen. Die alte Frau erzählte,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
Der rote Hahn
Liese im freien Trabe Justesens Patrouillenwagen über den flüchtig hingeworfnen
Schal zieht.
Und auf dem Telephondraht sitzt die Ammer und wippt mit dem Schwanz, um
sich eilends vorwärts zu schwingen, hinabzusenken und mit freundlichem Kiwitt
wieder zu erheben.
Und während der Wagen Myggefjed zurollt, erzählt Kaj Seydewitz Klein-
Jnger, weshalb sie diesen Weg machen, was Justesen erfahren hat, und was das
Ziel der Reise ist. Er hätte wohl lieber sehr vieles andre gesagt, aber er sah ein,
jetzt galt es vor allen Dingen die Sache — die große, wichtige Sache.
Justesen hatte seine Zeit nicht vergeudet. Es war seine Art, bedächtig zu Werke
zu gehn, sich in das Vertrauen der Menschen hineinzuarbeiten und mit ihrer Hilfe
vorwärts zu dringen. Er hatte gelernt zu fragen, zutrauen, zu mißtrauen; er hatte
gelernt, daß die Bauern draußen nur schwer Vertrauen schenkten, aber schenkten sie
es einem, so behielt man es. Und Justesen hatte das Vertrauen der Bauern, der
großen und der kleinen.
Er hatte die vielen Brände nicht aufklären können. ,
Justesen war ganz Pfiffig, aber er war nicht klug. Er kam nicht zu seinen
Resultaten, indem er eine Hypothese aufstellte und bei seiner Arbeit von dieser
ausging, Wie es „studierte Leute" tun. Er erfuhr etwas, und dann erfuhr er mehr,
bis er zuletzt genug wußte. Deshalb irrte er sich selten, fand er jedoch seinen Aus¬
gangspunkt nicht draußen, so konnte man sicher darauf rechnen, daß er ihn niemals
in sich selbst fand. Sein Verdacht auf Ole Mathem war erweckt worden, als er und
Seydewitz zum erstenmal auf Myggefjed pfändeten. Dieser Verdacht war nur schwach
und unbestimmt. Die Worte der alten Fran hatten ihn zum Teil wieder eingeschläfert;
Justesen kannte und respektierte Ole Matheus Mutter. Und der Brand auf Deichhof
hatte Justesen vollends Mißtrauen eingeflößt. Den Brand konnte Ole nicht verursacht
haben. Die Untersuchungen waren stark nach dieser Seite hin gerichtet worden, aber
vergeblich. Und der Brand auf Deichhof war die eigentliche Ursache davon, daß
Justesens Verdacht gegen Ole vollständig schwand.
Da kamen die Kopenhagner, und Justesen nahm seine alte Idee wieder auf.
Er lenkte seine Schritte öfter nach Myggefjed, plauderte sich allmählich in das
Vertrauen der alten Frau hinein, und sie schüttete ihni ihr Herz aus. Es war in
Oich Oberstübchen nicht ganz richtig, die Alte hatte Angst vor ihm bekomme«. Er
konnte heftige Anfälle von Delirium bekommen, er redete wirres Zeug und pusselte
so merkwürdig im Hause umher. signe war auf Deichhof, und die alte Frau fürchtete
für ihr Leben. Schon beim Brande des Myrehauses hatte Justesen sein Augenmerk
auf Ole gerichtet, aber er konnte nachweisen, daß er in der Mühle gewesen war,
den ganzen Tag, weit entfernt vom Hause.
Justesen zerbrach sich seinen Kopf. Er hatte wohl schon von Sachen gehört,
in denen der Brand durch Lichtstümpfchen entstanden war, die man unter Milcheimer
oder in Kästen auf Heuböden gestellt hatte — aber bei den Bränden, um die es
sich hier handelte, war nichts dergleichen zu entdecken. Und Oich Alibi war stets
so verdammt solide, es handelte sich um Stunden, um ganze und halbe Tage. Justesen
kratzte sich den Kopf und paßte auf Ole auf. Aber Ole ging umher und machte
Dummheiten und trank.
Da kam der Tag, an dem Seydewitz draußen auf Deichhof war, um Abbitte
zu leisten. Justesen, der ihn fuhr, bekam unten an der Schule von Viehlcmd einen
zerknautschten Papierfetzen von einem flachsköpfigen Häuslerjungen zugesteckt, und auf
diesem standen die wenigen Worte: „Ole macht eine Michanick. Kommen Sie her."
Justesen kam, aber die „Michanick" kriegte er nicht zu sehen. Die alte Frau erzählte,
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