Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Theodor Wilhelm Lngelmann, ein deutscher Forscher

Eingriff nach kodifiziertem Recht geschieht oder mit dem der Macht und des
Siegers, Im Staats- und Völkerleben lassen sich Existenzfragen nach privat¬
rechtlichen Grundsätzen und Sentimentalität niemals entscheiden. Sonst wäre
alle Staatenbildung, die, um ihren Zweck und ihre Aufgaben zu erfüllen, auf
der Macht und dem Willen hierzu beruhen muß, in aller Vergangenheit un¬
möglich gewesen, ebenso wie sie ohne jene undenkbar ist in Gegenwart und
Zukunft.

Ehre dem letzten Wassergange König Georgs! Denn gerade durch ihn
ist dem Laude wie den braven Truppen die für versöhnende Auffassung gar
nicht hoch genug anzuschlagende Genugtuung geworden, den Verlust der staat¬
lichen Selbständigkeit, die Auflösung seiner wackern Armee mit einem Waffen¬
erfolge abgeschlossen zu haben. Das ist in seiner Wirkung ein tatsächliches,
wenn auch unbeabsichtigtes Verdienst König Georgs um heilt früheres Land
und um Deutschlands Größe und Zukunft.

So ist denn einer der besten Volksstämme, der im Blute reiugehaltenste,
der tüchtige, zähe, tapfere, in Haß und Liebe starke, treue der Niedersachsen,
der bis dahin abseits gestanden hatte, in ein machtvolles Staatswesen ein¬
gereiht worden. Schon nach wenigen Jahren nahm er ruhmreichen Anteil ein
dem Kampfe um Alldeutschlcmds Einheit, und seine Söhne flochten weitere
Lorbeeren um ihre neuen Feldzeichen. Seitdem wirkt er in gemeinsamer Arbeit
mit an der Mehrung von "Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete
nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung".




Theodor Wilhelm Gngelmann, ein deutscher Forscher

^l^V! ohannes Müller -- Emil Du Bois-Reymond -- Wilhelm Engel¬
mann! Welch gewaltiges Stück deutschen Geisteslebens wird von
diesen drei Namen umschlossen! Hatte Johannes Müller mit
mächtiger Hand eine neue Physiologie und damit auch eine neue
! Weltanschauung gegründet, und hatte Du Bois-Nchmoud mit
den scharfen Waffen seines glänzenden Geistes die Lehren seines Meisters und
ihre Konsequenzen zum Siege geführt, so war es Engelmanns historische
Mission, das Errungene in Ruhe auszubauen und Keime zu weiterem Fort¬
schritt teils zu entwickeln, teils auszustreuen.

Sein Leben fällt in die große Zeit unsers Volkes, in jene einzigartige
Renaissanceperiode des Zeitalters Wilhelms des Ersten, in dem der solange
zurückgehaltne deutsche Genius plötzlich, wie mit übermächtiger Gewalt hervor¬
brach und an allen Zweigen der Kultur Blüte über Blüte trieb.

Schon mit vierundzwanzig Jahren sehen wir Engelmann im Jahre 1867
-- er war am 14. November 1843 zu Leipzig geboren -- in den Kreis der


Theodor Wilhelm Lngelmann, ein deutscher Forscher

Eingriff nach kodifiziertem Recht geschieht oder mit dem der Macht und des
Siegers, Im Staats- und Völkerleben lassen sich Existenzfragen nach privat¬
rechtlichen Grundsätzen und Sentimentalität niemals entscheiden. Sonst wäre
alle Staatenbildung, die, um ihren Zweck und ihre Aufgaben zu erfüllen, auf
der Macht und dem Willen hierzu beruhen muß, in aller Vergangenheit un¬
möglich gewesen, ebenso wie sie ohne jene undenkbar ist in Gegenwart und
Zukunft.

Ehre dem letzten Wassergange König Georgs! Denn gerade durch ihn
ist dem Laude wie den braven Truppen die für versöhnende Auffassung gar
nicht hoch genug anzuschlagende Genugtuung geworden, den Verlust der staat¬
lichen Selbständigkeit, die Auflösung seiner wackern Armee mit einem Waffen¬
erfolge abgeschlossen zu haben. Das ist in seiner Wirkung ein tatsächliches,
wenn auch unbeabsichtigtes Verdienst König Georgs um heilt früheres Land
und um Deutschlands Größe und Zukunft.

So ist denn einer der besten Volksstämme, der im Blute reiugehaltenste,
der tüchtige, zähe, tapfere, in Haß und Liebe starke, treue der Niedersachsen,
der bis dahin abseits gestanden hatte, in ein machtvolles Staatswesen ein¬
gereiht worden. Schon nach wenigen Jahren nahm er ruhmreichen Anteil ein
dem Kampfe um Alldeutschlcmds Einheit, und seine Söhne flochten weitere
Lorbeeren um ihre neuen Feldzeichen. Seitdem wirkt er in gemeinsamer Arbeit
mit an der Mehrung von „Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete
nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung".




Theodor Wilhelm Gngelmann, ein deutscher Forscher

^l^V! ohannes Müller — Emil Du Bois-Reymond — Wilhelm Engel¬
mann! Welch gewaltiges Stück deutschen Geisteslebens wird von
diesen drei Namen umschlossen! Hatte Johannes Müller mit
mächtiger Hand eine neue Physiologie und damit auch eine neue
! Weltanschauung gegründet, und hatte Du Bois-Nchmoud mit
den scharfen Waffen seines glänzenden Geistes die Lehren seines Meisters und
ihre Konsequenzen zum Siege geführt, so war es Engelmanns historische
Mission, das Errungene in Ruhe auszubauen und Keime zu weiterem Fort¬
schritt teils zu entwickeln, teils auszustreuen.

Sein Leben fällt in die große Zeit unsers Volkes, in jene einzigartige
Renaissanceperiode des Zeitalters Wilhelms des Ersten, in dem der solange
zurückgehaltne deutsche Genius plötzlich, wie mit übermächtiger Gewalt hervor¬
brach und an allen Zweigen der Kultur Blüte über Blüte trieb.

Schon mit vierundzwanzig Jahren sehen wir Engelmann im Jahre 1867
— er war am 14. November 1843 zu Leipzig geboren — in den Kreis der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313789"/>
          <fw type="header" place="top"> Theodor Wilhelm Lngelmann, ein deutscher Forscher</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_279" prev="#ID_278"> Eingriff nach kodifiziertem Recht geschieht oder mit dem der Macht und des<lb/>
Siegers, Im Staats- und Völkerleben lassen sich Existenzfragen nach privat¬<lb/>
rechtlichen Grundsätzen und Sentimentalität niemals entscheiden. Sonst wäre<lb/>
alle Staatenbildung, die, um ihren Zweck und ihre Aufgaben zu erfüllen, auf<lb/>
der Macht und dem Willen hierzu beruhen muß, in aller Vergangenheit un¬<lb/>
möglich gewesen, ebenso wie sie ohne jene undenkbar ist in Gegenwart und<lb/>
Zukunft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_280"> Ehre dem letzten Wassergange König Georgs! Denn gerade durch ihn<lb/>
ist dem Laude wie den braven Truppen die für versöhnende Auffassung gar<lb/>
nicht hoch genug anzuschlagende Genugtuung geworden, den Verlust der staat¬<lb/>
lichen Selbständigkeit, die Auflösung seiner wackern Armee mit einem Waffen¬<lb/>
erfolge abgeschlossen zu haben. Das ist in seiner Wirkung ein tatsächliches,<lb/>
wenn auch unbeabsichtigtes Verdienst König Georgs um heilt früheres Land<lb/>
und um Deutschlands Größe und Zukunft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_281"> So ist denn einer der besten Volksstämme, der im Blute reiugehaltenste,<lb/>
der tüchtige, zähe, tapfere, in Haß und Liebe starke, treue der Niedersachsen,<lb/>
der bis dahin abseits gestanden hatte, in ein machtvolles Staatswesen ein¬<lb/>
gereiht worden. Schon nach wenigen Jahren nahm er ruhmreichen Anteil ein<lb/>
dem Kampfe um Alldeutschlcmds Einheit, und seine Söhne flochten weitere<lb/>
Lorbeeren um ihre neuen Feldzeichen. Seitdem wirkt er in gemeinsamer Arbeit<lb/>
mit an der Mehrung von &#x201E;Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete<lb/>
nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung".</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Theodor Wilhelm Gngelmann, ein deutscher Forscher</head><lb/>
          <p xml:id="ID_282"> ^l^V! ohannes Müller &#x2014; Emil Du Bois-Reymond &#x2014; Wilhelm Engel¬<lb/>
mann! Welch gewaltiges Stück deutschen Geisteslebens wird von<lb/>
diesen drei Namen umschlossen! Hatte Johannes Müller mit<lb/>
mächtiger Hand eine neue Physiologie und damit auch eine neue<lb/>
! Weltanschauung gegründet, und hatte Du Bois-Nchmoud mit<lb/>
den scharfen Waffen seines glänzenden Geistes die Lehren seines Meisters und<lb/>
ihre Konsequenzen zum Siege geführt, so war es Engelmanns historische<lb/>
Mission, das Errungene in Ruhe auszubauen und Keime zu weiterem Fort¬<lb/>
schritt teils zu entwickeln, teils auszustreuen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_283"> Sein Leben fällt in die große Zeit unsers Volkes, in jene einzigartige<lb/>
Renaissanceperiode des Zeitalters Wilhelms des Ersten, in dem der solange<lb/>
zurückgehaltne deutsche Genius plötzlich, wie mit übermächtiger Gewalt hervor¬<lb/>
brach und an allen Zweigen der Kultur Blüte über Blüte trieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_284" next="#ID_285"> Schon mit vierundzwanzig Jahren sehen wir Engelmann im Jahre 1867<lb/>
&#x2014; er war am 14. November 1843 zu Leipzig geboren &#x2014; in den Kreis der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0086] Theodor Wilhelm Lngelmann, ein deutscher Forscher Eingriff nach kodifiziertem Recht geschieht oder mit dem der Macht und des Siegers, Im Staats- und Völkerleben lassen sich Existenzfragen nach privat¬ rechtlichen Grundsätzen und Sentimentalität niemals entscheiden. Sonst wäre alle Staatenbildung, die, um ihren Zweck und ihre Aufgaben zu erfüllen, auf der Macht und dem Willen hierzu beruhen muß, in aller Vergangenheit un¬ möglich gewesen, ebenso wie sie ohne jene undenkbar ist in Gegenwart und Zukunft. Ehre dem letzten Wassergange König Georgs! Denn gerade durch ihn ist dem Laude wie den braven Truppen die für versöhnende Auffassung gar nicht hoch genug anzuschlagende Genugtuung geworden, den Verlust der staat¬ lichen Selbständigkeit, die Auflösung seiner wackern Armee mit einem Waffen¬ erfolge abgeschlossen zu haben. Das ist in seiner Wirkung ein tatsächliches, wenn auch unbeabsichtigtes Verdienst König Georgs um heilt früheres Land und um Deutschlands Größe und Zukunft. So ist denn einer der besten Volksstämme, der im Blute reiugehaltenste, der tüchtige, zähe, tapfere, in Haß und Liebe starke, treue der Niedersachsen, der bis dahin abseits gestanden hatte, in ein machtvolles Staatswesen ein¬ gereiht worden. Schon nach wenigen Jahren nahm er ruhmreichen Anteil ein dem Kampfe um Alldeutschlcmds Einheit, und seine Söhne flochten weitere Lorbeeren um ihre neuen Feldzeichen. Seitdem wirkt er in gemeinsamer Arbeit mit an der Mehrung von „Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung". Theodor Wilhelm Gngelmann, ein deutscher Forscher ^l^V! ohannes Müller — Emil Du Bois-Reymond — Wilhelm Engel¬ mann! Welch gewaltiges Stück deutschen Geisteslebens wird von diesen drei Namen umschlossen! Hatte Johannes Müller mit mächtiger Hand eine neue Physiologie und damit auch eine neue ! Weltanschauung gegründet, und hatte Du Bois-Nchmoud mit den scharfen Waffen seines glänzenden Geistes die Lehren seines Meisters und ihre Konsequenzen zum Siege geführt, so war es Engelmanns historische Mission, das Errungene in Ruhe auszubauen und Keime zu weiterem Fort¬ schritt teils zu entwickeln, teils auszustreuen. Sein Leben fällt in die große Zeit unsers Volkes, in jene einzigartige Renaissanceperiode des Zeitalters Wilhelms des Ersten, in dem der solange zurückgehaltne deutsche Genius plötzlich, wie mit übermächtiger Gewalt hervor¬ brach und an allen Zweigen der Kultur Blüte über Blüte trieb. Schon mit vierundzwanzig Jahren sehen wir Engelmann im Jahre 1867 — er war am 14. November 1843 zu Leipzig geboren — in den Kreis der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/86
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/86>, abgerufen am 23.12.2024.