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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Gin Wort zu den Katholikentagen

Kraftentfaltung eingewirkt worden wäre wie auf die rein kirchliche? Und
wenn dies geschehen, wäre es dann denkbar, daß wenn Katholiken im öffent¬
lichen Leben sich derartige Handlungen zuschulden kommen lassen, die Katho¬
likentage hierfür auch nicht ein Wort des Tadels haben, daß sie über solche
Dinge so glatt hinweggehn, als wenn gar nichts vorgefallen wäre?

Die katholische Weltanschauung nimmt es für sich in Anspruch -- und,
wenn man sie richtig auffaßt, mit Recht --, daß sie die festeste Stütze für
Thron und Altar sei. Die katholischen Generalversammlungen be¬
fassen sich aber nur mit den Pflichten gegen Altar. Leider gehn
sie sogar zum Teil uoch weiter. Es läßt sich nicht leugnen, daß sich mehr¬
fach Strömungen kundtun, die vielleicht nicht durchweg als absichtlich anti-
national zu bezeichnen sind, aber jedenfalls klar zeigen, daß das vater¬
ländische Empfinden doch vielfach zu wünschen übrig läßt. Man braucht nur
auf das diesjährige Verhalten den Polen gegenüber hinzuweisen. Eine Art
Erklärung für diesen Mißstand läßt sich nur darin finden, daß die katholischen
Generalversammlungen ursprünglich dem Zwecke dienten, die Rechte der Kirche
dem Staate gegenüber zu vertreten, wie dies der Geheime Justizrat Porsch
in seiner geschichtlichen Übersicht über die Entwicklung der Katholikentage ja
anch ausgeführt hat. Die Kulturkampfzeit trug dann natürlich nicht dazu bei,
die Erziehung des katholischen Volkes zu den Pflichten gegen den Staat mit
besondrer Liebe zu pflegen. Aber aus diesem allen sollten wir längst heraus¬
gewachsen sein. Sind ja doch auch w andrer Beziehung die Aufgaben der
Katholikentage weit größer, weit umfassender geworden.

Denen, die den Einwand erheben, die nationalen Fragen gehörten nicht auf
die Katholikentage, weil sie rein religiöse Veranstaltungen seien, kann man nur
erwidern: Einverstanden, dann aber auch fort mit all den Reden und Resolutionen
über Verhältnis von Staat und Kirche zueinander, über konfessionelle Schulen,
kurz über alles, was das öffentliche Leben berührt. Fraglos wäre dann aber
diesen Tagungen der größte Teil ihrer Bedeutung genommen, ja ihr Lebens¬
nerv zerschnitten.

Sorgen wir lieber für das Gegenteil. Erziehen wir in ihnen das katholische
Volk nicht nur zu guten Katholiken, sondern auch zu guten Deutschen, machen
wir ihm klar, daß beides zusammengehört, und daß die Liebe und Treue
zu Herrscher und Vaterland sowie die Erfüllung der Pflichten gegen den
Staat auch einen Teil unsrer religiösen Verpflichtungen ausmachen. Von
dieser Rücksicht auf das staatliche Allgemeinwohl muß man auch in der Frage
des konfessionellen Friedens ausgehn. Die Notwendigkeit, dahin zu
gelangen, daß im Deutschen Reiche Katholiken und Protestanten friedlich
nebeneinander leben, ist zu einleuchtend, als daß sie noch einer nähern Be¬
gründung bedürfte.

Der Sünden gegen den konfessionellen Frieden gibt es nun mehrerlei.
Das Schlimmste ist natürlich die eigentliche konfessionelle Hetze. Sie ist auf


Gin Wort zu den Katholikentagen

Kraftentfaltung eingewirkt worden wäre wie auf die rein kirchliche? Und
wenn dies geschehen, wäre es dann denkbar, daß wenn Katholiken im öffent¬
lichen Leben sich derartige Handlungen zuschulden kommen lassen, die Katho¬
likentage hierfür auch nicht ein Wort des Tadels haben, daß sie über solche
Dinge so glatt hinweggehn, als wenn gar nichts vorgefallen wäre?

Die katholische Weltanschauung nimmt es für sich in Anspruch — und,
wenn man sie richtig auffaßt, mit Recht —, daß sie die festeste Stütze für
Thron und Altar sei. Die katholischen Generalversammlungen be¬
fassen sich aber nur mit den Pflichten gegen Altar. Leider gehn
sie sogar zum Teil uoch weiter. Es läßt sich nicht leugnen, daß sich mehr¬
fach Strömungen kundtun, die vielleicht nicht durchweg als absichtlich anti-
national zu bezeichnen sind, aber jedenfalls klar zeigen, daß das vater¬
ländische Empfinden doch vielfach zu wünschen übrig läßt. Man braucht nur
auf das diesjährige Verhalten den Polen gegenüber hinzuweisen. Eine Art
Erklärung für diesen Mißstand läßt sich nur darin finden, daß die katholischen
Generalversammlungen ursprünglich dem Zwecke dienten, die Rechte der Kirche
dem Staate gegenüber zu vertreten, wie dies der Geheime Justizrat Porsch
in seiner geschichtlichen Übersicht über die Entwicklung der Katholikentage ja
anch ausgeführt hat. Die Kulturkampfzeit trug dann natürlich nicht dazu bei,
die Erziehung des katholischen Volkes zu den Pflichten gegen den Staat mit
besondrer Liebe zu pflegen. Aber aus diesem allen sollten wir längst heraus¬
gewachsen sein. Sind ja doch auch w andrer Beziehung die Aufgaben der
Katholikentage weit größer, weit umfassender geworden.

Denen, die den Einwand erheben, die nationalen Fragen gehörten nicht auf
die Katholikentage, weil sie rein religiöse Veranstaltungen seien, kann man nur
erwidern: Einverstanden, dann aber auch fort mit all den Reden und Resolutionen
über Verhältnis von Staat und Kirche zueinander, über konfessionelle Schulen,
kurz über alles, was das öffentliche Leben berührt. Fraglos wäre dann aber
diesen Tagungen der größte Teil ihrer Bedeutung genommen, ja ihr Lebens¬
nerv zerschnitten.

Sorgen wir lieber für das Gegenteil. Erziehen wir in ihnen das katholische
Volk nicht nur zu guten Katholiken, sondern auch zu guten Deutschen, machen
wir ihm klar, daß beides zusammengehört, und daß die Liebe und Treue
zu Herrscher und Vaterland sowie die Erfüllung der Pflichten gegen den
Staat auch einen Teil unsrer religiösen Verpflichtungen ausmachen. Von
dieser Rücksicht auf das staatliche Allgemeinwohl muß man auch in der Frage
des konfessionellen Friedens ausgehn. Die Notwendigkeit, dahin zu
gelangen, daß im Deutschen Reiche Katholiken und Protestanten friedlich
nebeneinander leben, ist zu einleuchtend, als daß sie noch einer nähern Be¬
gründung bedürfte.

Der Sünden gegen den konfessionellen Frieden gibt es nun mehrerlei.
Das Schlimmste ist natürlich die eigentliche konfessionelle Hetze. Sie ist auf


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[0593] Gin Wort zu den Katholikentagen Kraftentfaltung eingewirkt worden wäre wie auf die rein kirchliche? Und wenn dies geschehen, wäre es dann denkbar, daß wenn Katholiken im öffent¬ lichen Leben sich derartige Handlungen zuschulden kommen lassen, die Katho¬ likentage hierfür auch nicht ein Wort des Tadels haben, daß sie über solche Dinge so glatt hinweggehn, als wenn gar nichts vorgefallen wäre? Die katholische Weltanschauung nimmt es für sich in Anspruch — und, wenn man sie richtig auffaßt, mit Recht —, daß sie die festeste Stütze für Thron und Altar sei. Die katholischen Generalversammlungen be¬ fassen sich aber nur mit den Pflichten gegen Altar. Leider gehn sie sogar zum Teil uoch weiter. Es läßt sich nicht leugnen, daß sich mehr¬ fach Strömungen kundtun, die vielleicht nicht durchweg als absichtlich anti- national zu bezeichnen sind, aber jedenfalls klar zeigen, daß das vater¬ ländische Empfinden doch vielfach zu wünschen übrig läßt. Man braucht nur auf das diesjährige Verhalten den Polen gegenüber hinzuweisen. Eine Art Erklärung für diesen Mißstand läßt sich nur darin finden, daß die katholischen Generalversammlungen ursprünglich dem Zwecke dienten, die Rechte der Kirche dem Staate gegenüber zu vertreten, wie dies der Geheime Justizrat Porsch in seiner geschichtlichen Übersicht über die Entwicklung der Katholikentage ja anch ausgeführt hat. Die Kulturkampfzeit trug dann natürlich nicht dazu bei, die Erziehung des katholischen Volkes zu den Pflichten gegen den Staat mit besondrer Liebe zu pflegen. Aber aus diesem allen sollten wir längst heraus¬ gewachsen sein. Sind ja doch auch w andrer Beziehung die Aufgaben der Katholikentage weit größer, weit umfassender geworden. Denen, die den Einwand erheben, die nationalen Fragen gehörten nicht auf die Katholikentage, weil sie rein religiöse Veranstaltungen seien, kann man nur erwidern: Einverstanden, dann aber auch fort mit all den Reden und Resolutionen über Verhältnis von Staat und Kirche zueinander, über konfessionelle Schulen, kurz über alles, was das öffentliche Leben berührt. Fraglos wäre dann aber diesen Tagungen der größte Teil ihrer Bedeutung genommen, ja ihr Lebens¬ nerv zerschnitten. Sorgen wir lieber für das Gegenteil. Erziehen wir in ihnen das katholische Volk nicht nur zu guten Katholiken, sondern auch zu guten Deutschen, machen wir ihm klar, daß beides zusammengehört, und daß die Liebe und Treue zu Herrscher und Vaterland sowie die Erfüllung der Pflichten gegen den Staat auch einen Teil unsrer religiösen Verpflichtungen ausmachen. Von dieser Rücksicht auf das staatliche Allgemeinwohl muß man auch in der Frage des konfessionellen Friedens ausgehn. Die Notwendigkeit, dahin zu gelangen, daß im Deutschen Reiche Katholiken und Protestanten friedlich nebeneinander leben, ist zu einleuchtend, als daß sie noch einer nähern Be¬ gründung bedürfte. Der Sünden gegen den konfessionellen Frieden gibt es nun mehrerlei. Das Schlimmste ist natürlich die eigentliche konfessionelle Hetze. Sie ist auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/593>, abgerufen am 23.07.2024.