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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der rote Hahn

Hilmer fuhr auf: Verzeihung, Herr Assessor, Sie vergessen doch Wohl, daß
dieses Gespräch in meinem Zimmer geführt wird.

Der Assessor nahm sich zusammen: Nein, Herr Gutsbesitzer, das vergesse ich gerade
nicht, und deshalb nimmt das Gespräch einen andern Ausgang, als es sonst genommen
hätte. Ich bin als Gast hierher gekommen, Sie haben mich als Gast aufgenommen,
und in dem Punkt bin ich altmodisch. Ich respektiere die Gastfreundschaft. Also
schließe ich hier ab. Ich möchte Sie vielleicht nur noch einmal fragen, ob Sie
bei Ihrem Wunsche beharren, daß ich die Brandsache noch einmal aufnehme.

Hilmer sammelte sich. Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Frage, und ich werde
Ihnen antworten. Ich wünsche jetzt mehr als jemals, daß die Sache aufgenommen
wird. Aber ich wünsche nicht, daß Sie sie aufnehmen.

Der Assessor blickte ihn scharf an. Und wenn ich es wünsche?

Dann will ich all den zweifellosen Einfluß, den ich nicht allein an diesem Ort,
sondern auch an höherer Stelle habe, anwenden, um dies zu verhindern.

Ich will mir nicht erlauben, Ihre Aufrichtigkeit zu bezweifeln, sagte der
Assessor, aber ich will Ihnen etwas sagen: Sie unterschätzen mich, und Sie er¬
weisen Ihrer Sache keinen Dienst.

Hilmer wurde wütend: Ich habe von dieser einen Konferenz genug gehabt.
Ich wünsche keine weitern. Sie haben Ihre Flagge nicht gleich offen gehißt, und
das genügt mir.

Der Assessor sammelte sich: Das ist also eine Herausforderung.

Fassen Sie es auf, wie Sie wollen, sagte Hilmer kurz.

Der Assessor verneigte sich. Sie haben vielleicht die Güte, mich Ihrer Familie
zu empfehlen.

In diesem Augenblick trat Jnger ein. Mutter fragt, ob signe den Kaffee
bringen soll.

Der Assessor verbeugte sich wieder: Nicht für mich.

Und ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer.

Jnger wurde ganz verdutzt. Warum ist er gegangen? fragte sie hilflos und
sah Richter nach, der die Tür hart hinter sich zuschlug.

Hilmer faßte sich an den Kopf. Du hast heute deinem Vater mehr Ver¬
druß bereitet, als du ahnst, mein Kind. O Gott, o Gott, das hatte ich doch
nicht verdient.

Emilie stand auf der Schwelle des Wohnzimmers, bleich und unruhig.

Jnger, sagte Hilmer, sage Ole, daß er anspannt. Ich muß sofort zum Bürger¬
meister hinein. Er glaubt, daß ich selbst meinen Hof abgebrannt habe. Er glaubt --
Gott im Himmel steh uns allen bei!

Emilie schwankte, und ehe Jnger dazukam, sank sie gegen den Tisch um und
glitt zu Boden.

(Fortsetzung folgt)




Der rote Hahn

Hilmer fuhr auf: Verzeihung, Herr Assessor, Sie vergessen doch Wohl, daß
dieses Gespräch in meinem Zimmer geführt wird.

Der Assessor nahm sich zusammen: Nein, Herr Gutsbesitzer, das vergesse ich gerade
nicht, und deshalb nimmt das Gespräch einen andern Ausgang, als es sonst genommen
hätte. Ich bin als Gast hierher gekommen, Sie haben mich als Gast aufgenommen,
und in dem Punkt bin ich altmodisch. Ich respektiere die Gastfreundschaft. Also
schließe ich hier ab. Ich möchte Sie vielleicht nur noch einmal fragen, ob Sie
bei Ihrem Wunsche beharren, daß ich die Brandsache noch einmal aufnehme.

Hilmer sammelte sich. Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Frage, und ich werde
Ihnen antworten. Ich wünsche jetzt mehr als jemals, daß die Sache aufgenommen
wird. Aber ich wünsche nicht, daß Sie sie aufnehmen.

Der Assessor blickte ihn scharf an. Und wenn ich es wünsche?

Dann will ich all den zweifellosen Einfluß, den ich nicht allein an diesem Ort,
sondern auch an höherer Stelle habe, anwenden, um dies zu verhindern.

Ich will mir nicht erlauben, Ihre Aufrichtigkeit zu bezweifeln, sagte der
Assessor, aber ich will Ihnen etwas sagen: Sie unterschätzen mich, und Sie er¬
weisen Ihrer Sache keinen Dienst.

Hilmer wurde wütend: Ich habe von dieser einen Konferenz genug gehabt.
Ich wünsche keine weitern. Sie haben Ihre Flagge nicht gleich offen gehißt, und
das genügt mir.

Der Assessor sammelte sich: Das ist also eine Herausforderung.

Fassen Sie es auf, wie Sie wollen, sagte Hilmer kurz.

Der Assessor verneigte sich. Sie haben vielleicht die Güte, mich Ihrer Familie
zu empfehlen.

In diesem Augenblick trat Jnger ein. Mutter fragt, ob signe den Kaffee
bringen soll.

Der Assessor verbeugte sich wieder: Nicht für mich.

Und ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer.

Jnger wurde ganz verdutzt. Warum ist er gegangen? fragte sie hilflos und
sah Richter nach, der die Tür hart hinter sich zuschlug.

Hilmer faßte sich an den Kopf. Du hast heute deinem Vater mehr Ver¬
druß bereitet, als du ahnst, mein Kind. O Gott, o Gott, das hatte ich doch
nicht verdient.

Emilie stand auf der Schwelle des Wohnzimmers, bleich und unruhig.

Jnger, sagte Hilmer, sage Ole, daß er anspannt. Ich muß sofort zum Bürger¬
meister hinein. Er glaubt, daß ich selbst meinen Hof abgebrannt habe. Er glaubt —
Gott im Himmel steh uns allen bei!

Emilie schwankte, und ehe Jnger dazukam, sank sie gegen den Tisch um und
glitt zu Boden.

(Fortsetzung folgt)




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[0534] Der rote Hahn Hilmer fuhr auf: Verzeihung, Herr Assessor, Sie vergessen doch Wohl, daß dieses Gespräch in meinem Zimmer geführt wird. Der Assessor nahm sich zusammen: Nein, Herr Gutsbesitzer, das vergesse ich gerade nicht, und deshalb nimmt das Gespräch einen andern Ausgang, als es sonst genommen hätte. Ich bin als Gast hierher gekommen, Sie haben mich als Gast aufgenommen, und in dem Punkt bin ich altmodisch. Ich respektiere die Gastfreundschaft. Also schließe ich hier ab. Ich möchte Sie vielleicht nur noch einmal fragen, ob Sie bei Ihrem Wunsche beharren, daß ich die Brandsache noch einmal aufnehme. Hilmer sammelte sich. Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Frage, und ich werde Ihnen antworten. Ich wünsche jetzt mehr als jemals, daß die Sache aufgenommen wird. Aber ich wünsche nicht, daß Sie sie aufnehmen. Der Assessor blickte ihn scharf an. Und wenn ich es wünsche? Dann will ich all den zweifellosen Einfluß, den ich nicht allein an diesem Ort, sondern auch an höherer Stelle habe, anwenden, um dies zu verhindern. Ich will mir nicht erlauben, Ihre Aufrichtigkeit zu bezweifeln, sagte der Assessor, aber ich will Ihnen etwas sagen: Sie unterschätzen mich, und Sie er¬ weisen Ihrer Sache keinen Dienst. Hilmer wurde wütend: Ich habe von dieser einen Konferenz genug gehabt. Ich wünsche keine weitern. Sie haben Ihre Flagge nicht gleich offen gehißt, und das genügt mir. Der Assessor sammelte sich: Das ist also eine Herausforderung. Fassen Sie es auf, wie Sie wollen, sagte Hilmer kurz. Der Assessor verneigte sich. Sie haben vielleicht die Güte, mich Ihrer Familie zu empfehlen. In diesem Augenblick trat Jnger ein. Mutter fragt, ob signe den Kaffee bringen soll. Der Assessor verbeugte sich wieder: Nicht für mich. Und ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer. Jnger wurde ganz verdutzt. Warum ist er gegangen? fragte sie hilflos und sah Richter nach, der die Tür hart hinter sich zuschlug. Hilmer faßte sich an den Kopf. Du hast heute deinem Vater mehr Ver¬ druß bereitet, als du ahnst, mein Kind. O Gott, o Gott, das hatte ich doch nicht verdient. Emilie stand auf der Schwelle des Wohnzimmers, bleich und unruhig. Jnger, sagte Hilmer, sage Ole, daß er anspannt. Ich muß sofort zum Bürger¬ meister hinein. Er glaubt, daß ich selbst meinen Hof abgebrannt habe. Er glaubt — Gott im Himmel steh uns allen bei! Emilie schwankte, und ehe Jnger dazukam, sank sie gegen den Tisch um und glitt zu Boden. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/534>, abgerufen am 22.07.2024.