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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Uuustwart-Arbeit

Oktober 1897 an konnte der Kunstwart in erweiterter Form als "Halbmonats¬
schau über Dichtung, Theater, Musik, bildende und angewandte Kunst" er¬
scheinen. Einen weitern Fortschritt brachte das Jahr 1899, wo die Redaktion
damit begann, den Heften Bilder und Noten beizulegen. Im folgenden Jahre
stellte ein Freund des Blattes dem Herausgeber zur Unterstützung seiner segens¬
reichen Arbeit ein größeres Kapital als sogenannte "Kunstwort-Stiftung" zur
Verfügung, und nun erst konnte Avenarius seine großartigen und wohldurch¬
dachten Pläne in vollem Umfange verwirklichen. Er gründete sogleich die
"Kunstwart-Unternehmungen" und bald darauf den "Dürerbund", dessen später
noch gedacht werden soll.

Die Bedeutung der Kunstwart-Unternehmungen liegt vor allem darin, daß
sie aus dem Geiste des Kunstworts hervorgegangen sind und in diesem Geiste
geleitet werden. Was die Zeitschrift theoretisch versieht, wird hier in die Praxis
umgesetzt: die Kulturschätze, die dort gleichsam aus dem Plunder der Vergangen¬
heit und der Gegenwart gerettet und ihrem wahren Wesen und Werte nach
gewürdigt werden, werden hier, wiederum ohne Rücksicht auf den rein geschäft¬
lichen Erfolg, zunächst den Kunstwartlesern, dann aber auch einem weitern
Kreise zugänglich gemacht. Beginnen wir mit den Kunstwartbildern! Von
ihnen erschienen im Jahre 1906 zuerst sechs unter der sehr glücklich gewählten
Bezeichnung "Meisterbilder fürs deutsche Haus", und zwar drei Blätter von
Dürer (Hieronymus im Gehäus; Ritter, Tod und Teufel; Melancholie), eins
von Rembrandt (Hundertguldenblatt) und zwei von Rethel (Tod als Freund;
Tod als Würger). Schon die Auswahl dieser ersten Blätter, denen inzwischen
noch etwa zweihundert gefolgt sind, läßt erkennen, was Avenarius mit dieser
Unternehmung bezweckt: er will Kunstwerke von unbestrittnem ästhetischem Wert
und einem gerade das deutsche Gemüt ansprechenden poetischen Gehalt wieder
zu dem machen, was sie für Tausende und Abertausende nicht waren, zu einer
Quelle des Genusses und der Erhebung. Deshalb sind die Bilder, die in vor¬
züglicher Reproduktion zu dem gewiß wohlfeilen Preise von 25 Pfennigen für
das Blatt einschließlich des Umschlags mit erläuterndem Begleittext geboten
werden, auch weniger als Wandschmuck gedacht, sondern hauptsächlich als Inhalt
für "Bildereien", also Sammlungen, die sich jeder nach seinem Geschmack und
seinen Neigungen zusammenstellen kann, wobei ihm die "Meisterbilder-Vergleich¬
mappen", Ratschläge zum Genießen der Kunstwart-Meisterbilder von Franz
Dieterich, gute Dienste leisten. Die darin aufgestellte Liste von 130 Vergleichs-
gruppeu (Vom starken Leben, Charakter, seelische Bewegung. Erdenschicksal,
menschliche Gestalt, das Übernatürliche, Hausraum, Naturstimmung usw.) gibt
dem Benutzer eine Anleitung, von wie vielerlei verschiednen Standpunkten er
das reiche Material betrachten und wie er damit den Inhalt der Bilder bis in
seine letzten Tiefen ausschöpfen kann. Die Fortschritte der graphischen Technik
während der beiden letzten Jahrzehnte haben Avenarius bei seinen Bestrebungen
auf das glücklichste unterstützt, sodaß er sich keineswegs auf die Wiedergabe von


Grenzboten III 1909 6V
Uuustwart-Arbeit

Oktober 1897 an konnte der Kunstwart in erweiterter Form als „Halbmonats¬
schau über Dichtung, Theater, Musik, bildende und angewandte Kunst" er¬
scheinen. Einen weitern Fortschritt brachte das Jahr 1899, wo die Redaktion
damit begann, den Heften Bilder und Noten beizulegen. Im folgenden Jahre
stellte ein Freund des Blattes dem Herausgeber zur Unterstützung seiner segens¬
reichen Arbeit ein größeres Kapital als sogenannte „Kunstwort-Stiftung" zur
Verfügung, und nun erst konnte Avenarius seine großartigen und wohldurch¬
dachten Pläne in vollem Umfange verwirklichen. Er gründete sogleich die
„Kunstwart-Unternehmungen" und bald darauf den „Dürerbund", dessen später
noch gedacht werden soll.

Die Bedeutung der Kunstwart-Unternehmungen liegt vor allem darin, daß
sie aus dem Geiste des Kunstworts hervorgegangen sind und in diesem Geiste
geleitet werden. Was die Zeitschrift theoretisch versieht, wird hier in die Praxis
umgesetzt: die Kulturschätze, die dort gleichsam aus dem Plunder der Vergangen¬
heit und der Gegenwart gerettet und ihrem wahren Wesen und Werte nach
gewürdigt werden, werden hier, wiederum ohne Rücksicht auf den rein geschäft¬
lichen Erfolg, zunächst den Kunstwartlesern, dann aber auch einem weitern
Kreise zugänglich gemacht. Beginnen wir mit den Kunstwartbildern! Von
ihnen erschienen im Jahre 1906 zuerst sechs unter der sehr glücklich gewählten
Bezeichnung „Meisterbilder fürs deutsche Haus", und zwar drei Blätter von
Dürer (Hieronymus im Gehäus; Ritter, Tod und Teufel; Melancholie), eins
von Rembrandt (Hundertguldenblatt) und zwei von Rethel (Tod als Freund;
Tod als Würger). Schon die Auswahl dieser ersten Blätter, denen inzwischen
noch etwa zweihundert gefolgt sind, läßt erkennen, was Avenarius mit dieser
Unternehmung bezweckt: er will Kunstwerke von unbestrittnem ästhetischem Wert
und einem gerade das deutsche Gemüt ansprechenden poetischen Gehalt wieder
zu dem machen, was sie für Tausende und Abertausende nicht waren, zu einer
Quelle des Genusses und der Erhebung. Deshalb sind die Bilder, die in vor¬
züglicher Reproduktion zu dem gewiß wohlfeilen Preise von 25 Pfennigen für
das Blatt einschließlich des Umschlags mit erläuterndem Begleittext geboten
werden, auch weniger als Wandschmuck gedacht, sondern hauptsächlich als Inhalt
für „Bildereien", also Sammlungen, die sich jeder nach seinem Geschmack und
seinen Neigungen zusammenstellen kann, wobei ihm die „Meisterbilder-Vergleich¬
mappen", Ratschläge zum Genießen der Kunstwart-Meisterbilder von Franz
Dieterich, gute Dienste leisten. Die darin aufgestellte Liste von 130 Vergleichs-
gruppeu (Vom starken Leben, Charakter, seelische Bewegung. Erdenschicksal,
menschliche Gestalt, das Übernatürliche, Hausraum, Naturstimmung usw.) gibt
dem Benutzer eine Anleitung, von wie vielerlei verschiednen Standpunkten er
das reiche Material betrachten und wie er damit den Inhalt der Bilder bis in
seine letzten Tiefen ausschöpfen kann. Die Fortschritte der graphischen Technik
während der beiden letzten Jahrzehnte haben Avenarius bei seinen Bestrebungen
auf das glücklichste unterstützt, sodaß er sich keineswegs auf die Wiedergabe von


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[0519] Uuustwart-Arbeit Oktober 1897 an konnte der Kunstwart in erweiterter Form als „Halbmonats¬ schau über Dichtung, Theater, Musik, bildende und angewandte Kunst" er¬ scheinen. Einen weitern Fortschritt brachte das Jahr 1899, wo die Redaktion damit begann, den Heften Bilder und Noten beizulegen. Im folgenden Jahre stellte ein Freund des Blattes dem Herausgeber zur Unterstützung seiner segens¬ reichen Arbeit ein größeres Kapital als sogenannte „Kunstwort-Stiftung" zur Verfügung, und nun erst konnte Avenarius seine großartigen und wohldurch¬ dachten Pläne in vollem Umfange verwirklichen. Er gründete sogleich die „Kunstwart-Unternehmungen" und bald darauf den „Dürerbund", dessen später noch gedacht werden soll. Die Bedeutung der Kunstwart-Unternehmungen liegt vor allem darin, daß sie aus dem Geiste des Kunstworts hervorgegangen sind und in diesem Geiste geleitet werden. Was die Zeitschrift theoretisch versieht, wird hier in die Praxis umgesetzt: die Kulturschätze, die dort gleichsam aus dem Plunder der Vergangen¬ heit und der Gegenwart gerettet und ihrem wahren Wesen und Werte nach gewürdigt werden, werden hier, wiederum ohne Rücksicht auf den rein geschäft¬ lichen Erfolg, zunächst den Kunstwartlesern, dann aber auch einem weitern Kreise zugänglich gemacht. Beginnen wir mit den Kunstwartbildern! Von ihnen erschienen im Jahre 1906 zuerst sechs unter der sehr glücklich gewählten Bezeichnung „Meisterbilder fürs deutsche Haus", und zwar drei Blätter von Dürer (Hieronymus im Gehäus; Ritter, Tod und Teufel; Melancholie), eins von Rembrandt (Hundertguldenblatt) und zwei von Rethel (Tod als Freund; Tod als Würger). Schon die Auswahl dieser ersten Blätter, denen inzwischen noch etwa zweihundert gefolgt sind, läßt erkennen, was Avenarius mit dieser Unternehmung bezweckt: er will Kunstwerke von unbestrittnem ästhetischem Wert und einem gerade das deutsche Gemüt ansprechenden poetischen Gehalt wieder zu dem machen, was sie für Tausende und Abertausende nicht waren, zu einer Quelle des Genusses und der Erhebung. Deshalb sind die Bilder, die in vor¬ züglicher Reproduktion zu dem gewiß wohlfeilen Preise von 25 Pfennigen für das Blatt einschließlich des Umschlags mit erläuterndem Begleittext geboten werden, auch weniger als Wandschmuck gedacht, sondern hauptsächlich als Inhalt für „Bildereien", also Sammlungen, die sich jeder nach seinem Geschmack und seinen Neigungen zusammenstellen kann, wobei ihm die „Meisterbilder-Vergleich¬ mappen", Ratschläge zum Genießen der Kunstwart-Meisterbilder von Franz Dieterich, gute Dienste leisten. Die darin aufgestellte Liste von 130 Vergleichs- gruppeu (Vom starken Leben, Charakter, seelische Bewegung. Erdenschicksal, menschliche Gestalt, das Übernatürliche, Hausraum, Naturstimmung usw.) gibt dem Benutzer eine Anleitung, von wie vielerlei verschiednen Standpunkten er das reiche Material betrachten und wie er damit den Inhalt der Bilder bis in seine letzten Tiefen ausschöpfen kann. Die Fortschritte der graphischen Technik während der beiden letzten Jahrzehnte haben Avenarius bei seinen Bestrebungen auf das glücklichste unterstützt, sodaß er sich keineswegs auf die Wiedergabe von Grenzboten III 1909 6V

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/519>, abgerufen am 22.07.2024.