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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der Hanscibund, seine Ziele und Gegner

finden sollte. Man muß sich doch nur ernstlich überlegen, wie vielen Tausenden
Mittelstandsexistenzen allein die Kohlenindustrie zum Dasein und Bestehn ver-
holfen hat. Wo wären denn all die blühenden Gemeinwesen dieses Bezirks
mit all den kleinen Gewerbetreibenden, wenn nicht das Großkapital die Kohlen-
schächtc abgeteuft hätte? Man lasse sich nicht hineinreißen in diese von grund¬
falschen volkswirtschaftlichen Anschauungen ausgehende Feindschaft gegen das
Kapital und die Industrie. Eine solche Kurzsichtigkeit fällt auf uns selbst
zurück. Nirgends besser versteht man, wie notwendig eine eindringliche wissen¬
schaftliche Aufklärung des Volkes durch den Hcmsabuud ist, als wenn man
diese Fragen anschneidet, und wenn man verfolgt, was jetzt in den Beschlüssen
der Vertreter des Mittelstandes, selbst wenn man große Fehler und Schwächen
der kapitalistischen Entwicklung zugibt, an fanatischer Voreingenommenheit zu¬
tage tritt. Hier ist auch der Punkt, wo der innere Ausgleich der Interessen
durch den Hansabund am ersten einsetzen muß.

Das seltsamste an den soeben mitgeteilten Auslassungen aber ist, daß der
Mittelstand auf der einen Seite mit einer gewissen Erbitterung behauptet, das
Großkapital, und was damit zusammenhängt, habe hochmütig jede Verbindung
mit ihm abgebrochen und habe alle Versuche einer großen alle Gütererzeugung
umfassenden Standesvertretung abgewiesen, auf der andern Seite aber diese
Verbindung, das Zustandekommen einer solchen Vertretung in demselben
Augenblicke ablehnt, wo sie ihm im Hansabnnde freiwillig angeboten wird.
Wie kann man derartig gegen sein eignes soeben laut verkündetes Interesse
handeln, wie es hier von Vertretern des Mittelstandes geschieht? Mißtrauen
gegen das zukünftige Auftreten des Hansabundes kann für diese Stellung
ernstlich nicht ins Feld geführt werden. Die Handwerker und andern Glieder
des Mittelstandes sind doch zu einsichtig, um sich "als Stimmvieh" gebrauchen
zu lassen. Sie sollen ja ihre Vertretung im Hansabund erhalten und können
also dort ihre Interessen jederzeit wahrnehmen. Ja noch mehr, da der Hansa¬
bund keine Aufgabe angreifen darf, die nicht ein gemeinsames Interesse aller
in ihm vereinigten Kreise deckt, so ist eine Majorisierung, eine Unterdrückung
des Mittelstandes im Bunde gar nicht möglich, selbst wenn der Mittelstand
nicht die Mehrheit im Hansabund und seinen Organen hat. Vielmehr genügt
eine kleine Vertretung, um alles zu hindern, was dem Mittelstande schadet, und
alles vorwärts zu treiben, was ihm nützt. Es hat noch nie eine Körperschaft
gegeben, die der Minorität einen so gewaltigen, ja den entscheidenden Einfluß
eingeräumt hätte, wie es der Hansabund tut. Und eine solche Gelegenheit,
sich zur Geltung zu bringen, will der Mittelstand versäumen, er will, nicht
etwa von klarer Einsicht, sondern von einem falschen Instinkt geleitet, tatenlos
beiseite stehn. Es ist schwer zu glauben, daß das tatsächlich so geschehen sollte,
wie es die politischen Parteien wünschen. Diese haben allerdings seit dem
Tage der Gründung des Hansabundes mit allem Nachdruck daran gearbeitet,
den Mittelstand von dem Bunde fernzuhalten, und es hat den Anschein, als


Der Hanscibund, seine Ziele und Gegner

finden sollte. Man muß sich doch nur ernstlich überlegen, wie vielen Tausenden
Mittelstandsexistenzen allein die Kohlenindustrie zum Dasein und Bestehn ver-
holfen hat. Wo wären denn all die blühenden Gemeinwesen dieses Bezirks
mit all den kleinen Gewerbetreibenden, wenn nicht das Großkapital die Kohlen-
schächtc abgeteuft hätte? Man lasse sich nicht hineinreißen in diese von grund¬
falschen volkswirtschaftlichen Anschauungen ausgehende Feindschaft gegen das
Kapital und die Industrie. Eine solche Kurzsichtigkeit fällt auf uns selbst
zurück. Nirgends besser versteht man, wie notwendig eine eindringliche wissen¬
schaftliche Aufklärung des Volkes durch den Hcmsabuud ist, als wenn man
diese Fragen anschneidet, und wenn man verfolgt, was jetzt in den Beschlüssen
der Vertreter des Mittelstandes, selbst wenn man große Fehler und Schwächen
der kapitalistischen Entwicklung zugibt, an fanatischer Voreingenommenheit zu¬
tage tritt. Hier ist auch der Punkt, wo der innere Ausgleich der Interessen
durch den Hansabund am ersten einsetzen muß.

Das seltsamste an den soeben mitgeteilten Auslassungen aber ist, daß der
Mittelstand auf der einen Seite mit einer gewissen Erbitterung behauptet, das
Großkapital, und was damit zusammenhängt, habe hochmütig jede Verbindung
mit ihm abgebrochen und habe alle Versuche einer großen alle Gütererzeugung
umfassenden Standesvertretung abgewiesen, auf der andern Seite aber diese
Verbindung, das Zustandekommen einer solchen Vertretung in demselben
Augenblicke ablehnt, wo sie ihm im Hansabnnde freiwillig angeboten wird.
Wie kann man derartig gegen sein eignes soeben laut verkündetes Interesse
handeln, wie es hier von Vertretern des Mittelstandes geschieht? Mißtrauen
gegen das zukünftige Auftreten des Hansabundes kann für diese Stellung
ernstlich nicht ins Feld geführt werden. Die Handwerker und andern Glieder
des Mittelstandes sind doch zu einsichtig, um sich „als Stimmvieh" gebrauchen
zu lassen. Sie sollen ja ihre Vertretung im Hansabund erhalten und können
also dort ihre Interessen jederzeit wahrnehmen. Ja noch mehr, da der Hansa¬
bund keine Aufgabe angreifen darf, die nicht ein gemeinsames Interesse aller
in ihm vereinigten Kreise deckt, so ist eine Majorisierung, eine Unterdrückung
des Mittelstandes im Bunde gar nicht möglich, selbst wenn der Mittelstand
nicht die Mehrheit im Hansabund und seinen Organen hat. Vielmehr genügt
eine kleine Vertretung, um alles zu hindern, was dem Mittelstande schadet, und
alles vorwärts zu treiben, was ihm nützt. Es hat noch nie eine Körperschaft
gegeben, die der Minorität einen so gewaltigen, ja den entscheidenden Einfluß
eingeräumt hätte, wie es der Hansabund tut. Und eine solche Gelegenheit,
sich zur Geltung zu bringen, will der Mittelstand versäumen, er will, nicht
etwa von klarer Einsicht, sondern von einem falschen Instinkt geleitet, tatenlos
beiseite stehn. Es ist schwer zu glauben, daß das tatsächlich so geschehen sollte,
wie es die politischen Parteien wünschen. Diese haben allerdings seit dem
Tage der Gründung des Hansabundes mit allem Nachdruck daran gearbeitet,
den Mittelstand von dem Bunde fernzuhalten, und es hat den Anschein, als


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[0364] Der Hanscibund, seine Ziele und Gegner finden sollte. Man muß sich doch nur ernstlich überlegen, wie vielen Tausenden Mittelstandsexistenzen allein die Kohlenindustrie zum Dasein und Bestehn ver- holfen hat. Wo wären denn all die blühenden Gemeinwesen dieses Bezirks mit all den kleinen Gewerbetreibenden, wenn nicht das Großkapital die Kohlen- schächtc abgeteuft hätte? Man lasse sich nicht hineinreißen in diese von grund¬ falschen volkswirtschaftlichen Anschauungen ausgehende Feindschaft gegen das Kapital und die Industrie. Eine solche Kurzsichtigkeit fällt auf uns selbst zurück. Nirgends besser versteht man, wie notwendig eine eindringliche wissen¬ schaftliche Aufklärung des Volkes durch den Hcmsabuud ist, als wenn man diese Fragen anschneidet, und wenn man verfolgt, was jetzt in den Beschlüssen der Vertreter des Mittelstandes, selbst wenn man große Fehler und Schwächen der kapitalistischen Entwicklung zugibt, an fanatischer Voreingenommenheit zu¬ tage tritt. Hier ist auch der Punkt, wo der innere Ausgleich der Interessen durch den Hansabund am ersten einsetzen muß. Das seltsamste an den soeben mitgeteilten Auslassungen aber ist, daß der Mittelstand auf der einen Seite mit einer gewissen Erbitterung behauptet, das Großkapital, und was damit zusammenhängt, habe hochmütig jede Verbindung mit ihm abgebrochen und habe alle Versuche einer großen alle Gütererzeugung umfassenden Standesvertretung abgewiesen, auf der andern Seite aber diese Verbindung, das Zustandekommen einer solchen Vertretung in demselben Augenblicke ablehnt, wo sie ihm im Hansabnnde freiwillig angeboten wird. Wie kann man derartig gegen sein eignes soeben laut verkündetes Interesse handeln, wie es hier von Vertretern des Mittelstandes geschieht? Mißtrauen gegen das zukünftige Auftreten des Hansabundes kann für diese Stellung ernstlich nicht ins Feld geführt werden. Die Handwerker und andern Glieder des Mittelstandes sind doch zu einsichtig, um sich „als Stimmvieh" gebrauchen zu lassen. Sie sollen ja ihre Vertretung im Hansabund erhalten und können also dort ihre Interessen jederzeit wahrnehmen. Ja noch mehr, da der Hansa¬ bund keine Aufgabe angreifen darf, die nicht ein gemeinsames Interesse aller in ihm vereinigten Kreise deckt, so ist eine Majorisierung, eine Unterdrückung des Mittelstandes im Bunde gar nicht möglich, selbst wenn der Mittelstand nicht die Mehrheit im Hansabund und seinen Organen hat. Vielmehr genügt eine kleine Vertretung, um alles zu hindern, was dem Mittelstande schadet, und alles vorwärts zu treiben, was ihm nützt. Es hat noch nie eine Körperschaft gegeben, die der Minorität einen so gewaltigen, ja den entscheidenden Einfluß eingeräumt hätte, wie es der Hansabund tut. Und eine solche Gelegenheit, sich zur Geltung zu bringen, will der Mittelstand versäumen, er will, nicht etwa von klarer Einsicht, sondern von einem falschen Instinkt geleitet, tatenlos beiseite stehn. Es ist schwer zu glauben, daß das tatsächlich so geschehen sollte, wie es die politischen Parteien wünschen. Diese haben allerdings seit dem Tage der Gründung des Hansabundes mit allem Nachdruck daran gearbeitet, den Mittelstand von dem Bunde fernzuhalten, und es hat den Anschein, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/364>, abgerufen am 22.12.2024.