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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Ver Hansabilnd, seine Ziele und Gegner

schaftlichen Leben fcrnstehn und es oft gar nicht versteh" und schützen wollen,
die, wie es zuletzt geschehen ist. parteitaktischen Erwägungen zuliebe die schwersten
und leichtsinnigsten Eingriffe in das Wirtschaftsleben nicht scheuen.

Der Hansabund wird sich mit derselben Entschiedenheit gegen die wirt¬
schaftspolitische Arbeit der liberalen wie der konservativen Parteien wenden
müssen, wenn sie eine falsche Richtung einschlagen und gegen das oben er¬
wähnte Programm verstoßen. Und ich persönlich bin der Meinung, daß das
liberale Parteien nicht selten getan haben, wenn auch bei ihnen nicht eine
solche grundsätzliche Industrie-, Handels- und Verkehrsfeindschaft zu bemerken
war wie bei andern Parteien. Diesen Zusammenhang der Dinge hat man
auch in den Kreisen des Gewerbes durchaus erkannt, und darum haben sich
verständigerweise Angehörige aller politischen Parteien im Hansabunde zusammen¬
geschlossen. Es ist bedauerlich, daß der Ausschuß des Handwerks- und
Gewerbekammertages die Dinge nicht so angesehen hat, wie sie wirklich sind
und soeben dargestellt wurden, sonst würde er die Erklärung nicht erlassen
haben, die weiter unten wiedergegeben ist. Wie nun gar eine Mittelstands¬
vereinigung genau denselben Standpunkt der parteipolitischer Neutralität, den
sie selbst als den ihrigen anerkennt, bei andern verwirft, ist nicht recht
verständlich. Die Bildung einer eignen Partei erstrebt der Hansabund nicht.
Er vertraut darauf, daß es seinen guten Gründen und seiner Macht gelingen
wird, das Rechte auch bei den bestehenden Parteien allmählich durchzusetzen.

Nach diesen Ausführungen fällt auch die nette Denunziation der Handels¬
kammern beim Handelsminister, die der Abgeordnete Speck für nötig hielt,
glatt zu Boden. Es ist merkwürdig, daß die Abgeordneten die Handels¬
kammern nur kennen und nennen, wenn sie an ihnen etwas zu tadeln haben.
Daß sich ein Abgeordneter einmal mit der sachlichen Arbeit einer Handels¬
kammer vertraut gemacht oder ihre Stellung anerkannt und aus ihr gelernt
hat, ist kaum vorgekommen. Gerade diese vollkommne und beleidigende Nicht¬
achtung der sachlichen Arbeit der Handelskammern durch solche Abgeordnete
wie Speck aber ist es hauptsächlich, die die Handelskammern notwendig in den
Hansabund hineinzwingt.

Gegnerschaft aus Wirtschaftspolitischen Gründen

Das Handwerk hat wieder bescheidne Erfolge errungen, und zwar im
schärfsten Kampfe gegen die. die die Hauptvorteile von der Gewerbefreiheit ge¬
nießen, gegen die Industrie, den Großhandel und das Großkapital, gegen die
liberalen und freisinnigen Parteien, während das Handwerk nur bei den Kon¬
servativen und dem Zentrum Verständnis fand. Der Mittelstand kann sich nicht
dem Hansabund anschließen, an dessen Spitze die ausgesprochnen Vertreter des
Großkapitals stehn, dem die Syndikate und großindustriellen Betriebe die Herren
des Großhandels und der Börse angehören. Der Handwerkerstand soll in diesem
Bunde wiederum als Stimmvieh benutzt werden, was er jahrzehntelang war.
solange er noch keine Organisation und kein Selbstbewußtsein hatte. (Deutsche
Neischerzeitung Ur. 51, 26. Juni 1909.)


Ver Hansabilnd, seine Ziele und Gegner

schaftlichen Leben fcrnstehn und es oft gar nicht versteh» und schützen wollen,
die, wie es zuletzt geschehen ist. parteitaktischen Erwägungen zuliebe die schwersten
und leichtsinnigsten Eingriffe in das Wirtschaftsleben nicht scheuen.

Der Hansabund wird sich mit derselben Entschiedenheit gegen die wirt¬
schaftspolitische Arbeit der liberalen wie der konservativen Parteien wenden
müssen, wenn sie eine falsche Richtung einschlagen und gegen das oben er¬
wähnte Programm verstoßen. Und ich persönlich bin der Meinung, daß das
liberale Parteien nicht selten getan haben, wenn auch bei ihnen nicht eine
solche grundsätzliche Industrie-, Handels- und Verkehrsfeindschaft zu bemerken
war wie bei andern Parteien. Diesen Zusammenhang der Dinge hat man
auch in den Kreisen des Gewerbes durchaus erkannt, und darum haben sich
verständigerweise Angehörige aller politischen Parteien im Hansabunde zusammen¬
geschlossen. Es ist bedauerlich, daß der Ausschuß des Handwerks- und
Gewerbekammertages die Dinge nicht so angesehen hat, wie sie wirklich sind
und soeben dargestellt wurden, sonst würde er die Erklärung nicht erlassen
haben, die weiter unten wiedergegeben ist. Wie nun gar eine Mittelstands¬
vereinigung genau denselben Standpunkt der parteipolitischer Neutralität, den
sie selbst als den ihrigen anerkennt, bei andern verwirft, ist nicht recht
verständlich. Die Bildung einer eignen Partei erstrebt der Hansabund nicht.
Er vertraut darauf, daß es seinen guten Gründen und seiner Macht gelingen
wird, das Rechte auch bei den bestehenden Parteien allmählich durchzusetzen.

Nach diesen Ausführungen fällt auch die nette Denunziation der Handels¬
kammern beim Handelsminister, die der Abgeordnete Speck für nötig hielt,
glatt zu Boden. Es ist merkwürdig, daß die Abgeordneten die Handels¬
kammern nur kennen und nennen, wenn sie an ihnen etwas zu tadeln haben.
Daß sich ein Abgeordneter einmal mit der sachlichen Arbeit einer Handels¬
kammer vertraut gemacht oder ihre Stellung anerkannt und aus ihr gelernt
hat, ist kaum vorgekommen. Gerade diese vollkommne und beleidigende Nicht¬
achtung der sachlichen Arbeit der Handelskammern durch solche Abgeordnete
wie Speck aber ist es hauptsächlich, die die Handelskammern notwendig in den
Hansabund hineinzwingt.

Gegnerschaft aus Wirtschaftspolitischen Gründen

Das Handwerk hat wieder bescheidne Erfolge errungen, und zwar im
schärfsten Kampfe gegen die. die die Hauptvorteile von der Gewerbefreiheit ge¬
nießen, gegen die Industrie, den Großhandel und das Großkapital, gegen die
liberalen und freisinnigen Parteien, während das Handwerk nur bei den Kon¬
servativen und dem Zentrum Verständnis fand. Der Mittelstand kann sich nicht
dem Hansabund anschließen, an dessen Spitze die ausgesprochnen Vertreter des
Großkapitals stehn, dem die Syndikate und großindustriellen Betriebe die Herren
des Großhandels und der Börse angehören. Der Handwerkerstand soll in diesem
Bunde wiederum als Stimmvieh benutzt werden, was er jahrzehntelang war.
solange er noch keine Organisation und kein Selbstbewußtsein hatte. (Deutsche
Neischerzeitung Ur. 51, 26. Juni 1909.)


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[0361] Ver Hansabilnd, seine Ziele und Gegner schaftlichen Leben fcrnstehn und es oft gar nicht versteh» und schützen wollen, die, wie es zuletzt geschehen ist. parteitaktischen Erwägungen zuliebe die schwersten und leichtsinnigsten Eingriffe in das Wirtschaftsleben nicht scheuen. Der Hansabund wird sich mit derselben Entschiedenheit gegen die wirt¬ schaftspolitische Arbeit der liberalen wie der konservativen Parteien wenden müssen, wenn sie eine falsche Richtung einschlagen und gegen das oben er¬ wähnte Programm verstoßen. Und ich persönlich bin der Meinung, daß das liberale Parteien nicht selten getan haben, wenn auch bei ihnen nicht eine solche grundsätzliche Industrie-, Handels- und Verkehrsfeindschaft zu bemerken war wie bei andern Parteien. Diesen Zusammenhang der Dinge hat man auch in den Kreisen des Gewerbes durchaus erkannt, und darum haben sich verständigerweise Angehörige aller politischen Parteien im Hansabunde zusammen¬ geschlossen. Es ist bedauerlich, daß der Ausschuß des Handwerks- und Gewerbekammertages die Dinge nicht so angesehen hat, wie sie wirklich sind und soeben dargestellt wurden, sonst würde er die Erklärung nicht erlassen haben, die weiter unten wiedergegeben ist. Wie nun gar eine Mittelstands¬ vereinigung genau denselben Standpunkt der parteipolitischer Neutralität, den sie selbst als den ihrigen anerkennt, bei andern verwirft, ist nicht recht verständlich. Die Bildung einer eignen Partei erstrebt der Hansabund nicht. Er vertraut darauf, daß es seinen guten Gründen und seiner Macht gelingen wird, das Rechte auch bei den bestehenden Parteien allmählich durchzusetzen. Nach diesen Ausführungen fällt auch die nette Denunziation der Handels¬ kammern beim Handelsminister, die der Abgeordnete Speck für nötig hielt, glatt zu Boden. Es ist merkwürdig, daß die Abgeordneten die Handels¬ kammern nur kennen und nennen, wenn sie an ihnen etwas zu tadeln haben. Daß sich ein Abgeordneter einmal mit der sachlichen Arbeit einer Handels¬ kammer vertraut gemacht oder ihre Stellung anerkannt und aus ihr gelernt hat, ist kaum vorgekommen. Gerade diese vollkommne und beleidigende Nicht¬ achtung der sachlichen Arbeit der Handelskammern durch solche Abgeordnete wie Speck aber ist es hauptsächlich, die die Handelskammern notwendig in den Hansabund hineinzwingt. Gegnerschaft aus Wirtschaftspolitischen Gründen Das Handwerk hat wieder bescheidne Erfolge errungen, und zwar im schärfsten Kampfe gegen die. die die Hauptvorteile von der Gewerbefreiheit ge¬ nießen, gegen die Industrie, den Großhandel und das Großkapital, gegen die liberalen und freisinnigen Parteien, während das Handwerk nur bei den Kon¬ servativen und dem Zentrum Verständnis fand. Der Mittelstand kann sich nicht dem Hansabund anschließen, an dessen Spitze die ausgesprochnen Vertreter des Großkapitals stehn, dem die Syndikate und großindustriellen Betriebe die Herren des Großhandels und der Börse angehören. Der Handwerkerstand soll in diesem Bunde wiederum als Stimmvieh benutzt werden, was er jahrzehntelang war. solange er noch keine Organisation und kein Selbstbewußtsein hatte. (Deutsche Neischerzeitung Ur. 51, 26. Juni 1909.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/361>, abgerufen am 23.07.2024.