Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Der Hansalmnd, seule Ziele und Gegner streitenden Interessen ausgeglichen werden müssen. Das muß aber auch wirklich So können die Dinge nicht mehr weiter gehn, und daher war der Hansa¬ Der moderne Parlamentarismus, die Volksvertretung ist entstanden nach Der Hansalmnd, seule Ziele und Gegner streitenden Interessen ausgeglichen werden müssen. Das muß aber auch wirklich So können die Dinge nicht mehr weiter gehn, und daher war der Hansa¬ Der moderne Parlamentarismus, die Volksvertretung ist entstanden nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314059"/> <fw type="header" place="top"> Der Hansalmnd, seule Ziele und Gegner</fw><lb/> <p xml:id="ID_1627" prev="#ID_1626"> streitenden Interessen ausgeglichen werden müssen. Das muß aber auch wirklich<lb/> gewissenhaft geschehn, und der Ausgleich muß sachliche, nicht parteipolitische<lb/> oder gar parteitaktische Grundlagen haben. Und da fehlt es leider. Aber selbst<lb/> den Ausgleich der Interessen finden wir nicht immer. Wir beschweren uns<lb/> über die vollkommen verschiedne Würdigung, die landwirtschaftliche und gewerb¬<lb/> liche Interessen im Parlament erfahren, und wir haben mit Schrecken sehen<lb/> müssen, daß man in den letzten Wochen Steuern von der größten wirtschaftlichen<lb/> Tragweite beschlossen hat, ohne sie auch nur einigermaßen technisch durchzu¬<lb/> arbeiten, geschweige denn auf ihre volkswirtschaftlichen Wirkungen zu prüfen<lb/> oder von den Sachverständigen prüfen zu lassen. So sehr wir überzeugt davon<lb/> sind, daß, je schneller die Finanzreform beendet wurde, je größer das Verdienst<lb/> des Reichstags ist, so sehr müssen wir es verwerfen, daß man einseitige Entwürfe<lb/> ohne sachverständigen Rat zu einem überhasteten Beschlusse gebracht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1628"> So können die Dinge nicht mehr weiter gehn, und daher war der Hansa¬<lb/> bund eine Notwendigkeit. Sein Dasein soll ein steter Protest und Kampf gegen<lb/> alle einseitige Wirtschaftspolitik im Reiche und Staat sein, in die diese nicht<lb/> durch Zufall gekommen sind. Der tiefe Riß, der durch unser Volk in seinen<lb/> wirtschaftspolitischen Anschauungen geht, ist entstanden durch die Beugung der<lb/> Abgeordneten unter die Gewaltherrschaft vor allem des Bundes der Landwirte,<lb/> der in skrupelloser Weise nicht etwa die Interessen der Landwirtschaft im Nahmen<lb/> der gesamten deutscheu Volkswirtschaft vertreten hat, sondern eine einseitige<lb/> Bevorzugung der Landwirtschaft durchzusetzen versucht und vielfach durchgesetzt<lb/> hat. Soll ich alles das aufführen, was diese einseitig agrarische Richtung in<lb/> Deutschland verschuldet hat? Dem Machtwort der Agrarier verdanken wir die<lb/> zu hohen Agrarzölle, die den Zolltarif derart belasten, daß selbst ein wasch¬<lb/> echter Zentrumsmann, also ein Mitschuldiger an dieser Belastung, vor einigen<lb/> Tagen zugeben mußte, daß nur der schwere Druck des japanisch-russischen<lb/> Krieges Rußland veranlaßte, auf Grund dieses Zolltarifs einen Handelsvertrag<lb/> mit uns abzuschließen. Und schließlich haben die Mitglieder des Bundes der<lb/> Landwirte als Abgeordnete noch selbst gegen diesen Zolltarif gestimmt, weil<lb/> er ihnen nicht genügte. Nach dem Machtwort der Agrarier hört der Mittel¬<lb/> landkanal im halben Laufe auf, mußte die Börse jahrelang verkümmern, werden<lb/> dem Rheine Schiffahrtsabgaben aufgelegt, wird eine zeitgemäße Reform der<lb/> Branntweinsteuer verhindert und andres mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1629" next="#ID_1630"> Der moderne Parlamentarismus, die Volksvertretung ist entstanden nach<lb/> der Zertrümmerung der ständischen Herrschaft und im Gegensatz zu dieser, die,<lb/> wenn sich alles Leben im Lichte der reinen Vernunft abspielte, nie mehr wieder¬<lb/> kehren dürfte. Daher ist es oberster Grundsatz der Reichsverfassung, daß kein<lb/> Reichstagsabgeordneter imperative Mandate übernehmen, einseitige Interessen<lb/> vertreten soll. Der Bund der Landwirte hat diesen Grundsatz zerbrochen und<lb/> so eine Verschiebung im Reichstage wie im preußischen Landtage hervorgerufen,<lb/> die zur Preisgabe und Nichtachtung der gewerbfleißigen Bevölkerung geführt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
Der Hansalmnd, seule Ziele und Gegner
streitenden Interessen ausgeglichen werden müssen. Das muß aber auch wirklich
gewissenhaft geschehn, und der Ausgleich muß sachliche, nicht parteipolitische
oder gar parteitaktische Grundlagen haben. Und da fehlt es leider. Aber selbst
den Ausgleich der Interessen finden wir nicht immer. Wir beschweren uns
über die vollkommen verschiedne Würdigung, die landwirtschaftliche und gewerb¬
liche Interessen im Parlament erfahren, und wir haben mit Schrecken sehen
müssen, daß man in den letzten Wochen Steuern von der größten wirtschaftlichen
Tragweite beschlossen hat, ohne sie auch nur einigermaßen technisch durchzu¬
arbeiten, geschweige denn auf ihre volkswirtschaftlichen Wirkungen zu prüfen
oder von den Sachverständigen prüfen zu lassen. So sehr wir überzeugt davon
sind, daß, je schneller die Finanzreform beendet wurde, je größer das Verdienst
des Reichstags ist, so sehr müssen wir es verwerfen, daß man einseitige Entwürfe
ohne sachverständigen Rat zu einem überhasteten Beschlusse gebracht hat.
So können die Dinge nicht mehr weiter gehn, und daher war der Hansa¬
bund eine Notwendigkeit. Sein Dasein soll ein steter Protest und Kampf gegen
alle einseitige Wirtschaftspolitik im Reiche und Staat sein, in die diese nicht
durch Zufall gekommen sind. Der tiefe Riß, der durch unser Volk in seinen
wirtschaftspolitischen Anschauungen geht, ist entstanden durch die Beugung der
Abgeordneten unter die Gewaltherrschaft vor allem des Bundes der Landwirte,
der in skrupelloser Weise nicht etwa die Interessen der Landwirtschaft im Nahmen
der gesamten deutscheu Volkswirtschaft vertreten hat, sondern eine einseitige
Bevorzugung der Landwirtschaft durchzusetzen versucht und vielfach durchgesetzt
hat. Soll ich alles das aufführen, was diese einseitig agrarische Richtung in
Deutschland verschuldet hat? Dem Machtwort der Agrarier verdanken wir die
zu hohen Agrarzölle, die den Zolltarif derart belasten, daß selbst ein wasch¬
echter Zentrumsmann, also ein Mitschuldiger an dieser Belastung, vor einigen
Tagen zugeben mußte, daß nur der schwere Druck des japanisch-russischen
Krieges Rußland veranlaßte, auf Grund dieses Zolltarifs einen Handelsvertrag
mit uns abzuschließen. Und schließlich haben die Mitglieder des Bundes der
Landwirte als Abgeordnete noch selbst gegen diesen Zolltarif gestimmt, weil
er ihnen nicht genügte. Nach dem Machtwort der Agrarier hört der Mittel¬
landkanal im halben Laufe auf, mußte die Börse jahrelang verkümmern, werden
dem Rheine Schiffahrtsabgaben aufgelegt, wird eine zeitgemäße Reform der
Branntweinsteuer verhindert und andres mehr.
Der moderne Parlamentarismus, die Volksvertretung ist entstanden nach
der Zertrümmerung der ständischen Herrschaft und im Gegensatz zu dieser, die,
wenn sich alles Leben im Lichte der reinen Vernunft abspielte, nie mehr wieder¬
kehren dürfte. Daher ist es oberster Grundsatz der Reichsverfassung, daß kein
Reichstagsabgeordneter imperative Mandate übernehmen, einseitige Interessen
vertreten soll. Der Bund der Landwirte hat diesen Grundsatz zerbrochen und
so eine Verschiebung im Reichstage wie im preußischen Landtage hervorgerufen,
die zur Preisgabe und Nichtachtung der gewerbfleißigen Bevölkerung geführt
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