Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Reformbestrebungen schien kein Interesse vorhanden zu sein, andrerseits ware träumte, doch nur selten. Der Kampf zwischen den Privilegierten und dem dritte gegen die Regierung, die sich nahezu passiv dazu verhielt, ganz nach der beliebte beigetragen zu haben, daß dies aber nur in den Formen von 1614 geschehe wurde, natürlich stark zur Reaktion geneigt, und der Prinz von Conti spra Reformbestrebungen schien kein Interesse vorhanden zu sein, andrerseits ware träumte, doch nur selten. Der Kampf zwischen den Privilegierten und dem dritte gegen die Regierung, die sich nahezu passiv dazu verhielt, ganz nach der beliebte beigetragen zu haben, daß dies aber nur in den Formen von 1614 geschehe wurde, natürlich stark zur Reaktion geneigt, und der Prinz von Conti spra <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314017"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1332" prev="#ID_1331"> Reformbestrebungen schien kein Interesse vorhanden zu sein, andrerseits ware<lb/> Stimmen wie die des radikalen Camille Desmoulins, der schon von der Republi</p><lb/> <p xml:id="ID_1333"> träumte, doch nur selten. Der Kampf zwischen den Privilegierten und dem dritte<lb/> Stande brach aber nicht bloß in der Literatur, sondern um dieselbe Zeit au<lb/> in Versammlungen und auf den Straßen und nicht zuletzt in mehreren Provinzial<lb/> versammlungen aus, besonders in der Bretagne, in der Freigrafschaft, in Languedo<lb/> in der Provence; und in der Dauphine kam es schon zur offnen Revolutio</p><lb/> <p xml:id="ID_1334"> gegen die Regierung, die sich nahezu passiv dazu verhielt, ganz nach der beliebte<lb/> Art Neckers, der nunmehr alle Entscheidungen von den Generalständen erwartet<lb/> In diesen Kämpfen gebärdete sich der dritte Stand überall als leidenschaftliche<lb/> Angreifer und gab sich nur da zufrieden, wo die Privilegierten in jeder Be<lb/> ziehung nachgaben. Dies geschah aber nur in der Dauphins; anderwärts wa<lb/> er freilich auf dem besten Wege, auch alles zu erreichen.<lb/> Die zweite Notabelnversammlung zeigte dieselbe Zusammensetzung wie di<lb/> erste und wurde am 6. November 1788 eröffnet; sie arbeitete aber nur in sech<lb/> Bureaus, weil einer der Prinzen von Geblüt durch Kränklichkeit an der Tätigkei<lb/> verhindert war. Bei der Eröffnung der Versammlung nahm nach kurzen An<lb/> sprachen des Königs und des neuen Großsiegelbewahrers Barentin der Ministe<lb/> Necker das Wort und wies in vorsichtiger aber unentschiedner Weise darauf hi<lb/> daß sich die innre Lage seit 1614 wesentlich verändert, der dritte Stand si<lb/> seitdem kräftig entwickelt habe; dabei ließ er durchblicken, daß, wenn die Notabel<lb/> etwa die von der Negierung grundsätzlich beschlossene Verstärkung der Stimme<lb/> des Tiers nicht zugestehn wollten, sich die Regierung in dieser Sache an di<lb/> Generalstände selbst wenden werde. Er legte dann das Programm für di<lb/> Arbeiten der Versammlung vor; es bestand aus vier Gegenständen: Zusammen<lb/> setzung der Generalstände; Form ihrer Berufung; Ordnung ihrer Wahlen; Ab<lb/> haltung der Versammlungen, in denen über die Instruktionen der Abgeordnete<lb/> zu beratschlagen wäre. Weiterhin erhob sich in dieser ersten Sitzung der Präsiden<lb/> des Pariser Parlaments und erklärte mit aller Bestimmtheit, daß dem Par<lb/> lament hauptsächlich das Verdienst zukomme, zur Berufung der Generalständ</p><lb/> <p xml:id="ID_1335"> beigetragen zu haben, daß dies aber nur in den Formen von 1614 geschehe<lb/> könne, da diese jedem sein Recht verschaffen würden, und weil sie die über<lb/> lieferten seien. Also gleich am Anfange platzten die Gegensätze wieder auf<lb/> heftigste aufeinander. Am folgenden Tage ging man dann an die Beratun<lb/> der einzelnen Gegenstünde. Die Stimmung eines Teils der Notabeln war infolg<lb/> der gleichzeitigen Erregung, die durch die Broschürenliteratur hervorgerufe</p><lb/> <p xml:id="ID_1336" next="#ID_1337"> wurde, natürlich stark zur Reaktion geneigt, und der Prinz von Conti spra<lb/> es geradezu aus, der König solle die „neuen Systeme" für immer verurteile<lb/> und die alte Verfassung Frankreichs ganz unversehrt erhalten. So traten den<lb/> auch nur 33 Stimmen, also etwa ein Viertel aller Stimmen, für die Ver<lb/> doppelung der Vertretung des Tiers ein. Ebenso neigten die meisten Bureau</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0314]
Reformbestrebungen schien kein Interesse vorhanden zu sein, andrerseits ware
Stimmen wie die des radikalen Camille Desmoulins, der schon von der Republi
träumte, doch nur selten. Der Kampf zwischen den Privilegierten und dem dritte
Stande brach aber nicht bloß in der Literatur, sondern um dieselbe Zeit au
in Versammlungen und auf den Straßen und nicht zuletzt in mehreren Provinzial
versammlungen aus, besonders in der Bretagne, in der Freigrafschaft, in Languedo
in der Provence; und in der Dauphine kam es schon zur offnen Revolutio
gegen die Regierung, die sich nahezu passiv dazu verhielt, ganz nach der beliebte
Art Neckers, der nunmehr alle Entscheidungen von den Generalständen erwartet
In diesen Kämpfen gebärdete sich der dritte Stand überall als leidenschaftliche
Angreifer und gab sich nur da zufrieden, wo die Privilegierten in jeder Be
ziehung nachgaben. Dies geschah aber nur in der Dauphins; anderwärts wa
er freilich auf dem besten Wege, auch alles zu erreichen.
Die zweite Notabelnversammlung zeigte dieselbe Zusammensetzung wie di
erste und wurde am 6. November 1788 eröffnet; sie arbeitete aber nur in sech
Bureaus, weil einer der Prinzen von Geblüt durch Kränklichkeit an der Tätigkei
verhindert war. Bei der Eröffnung der Versammlung nahm nach kurzen An
sprachen des Königs und des neuen Großsiegelbewahrers Barentin der Ministe
Necker das Wort und wies in vorsichtiger aber unentschiedner Weise darauf hi
daß sich die innre Lage seit 1614 wesentlich verändert, der dritte Stand si
seitdem kräftig entwickelt habe; dabei ließ er durchblicken, daß, wenn die Notabel
etwa die von der Negierung grundsätzlich beschlossene Verstärkung der Stimme
des Tiers nicht zugestehn wollten, sich die Regierung in dieser Sache an di
Generalstände selbst wenden werde. Er legte dann das Programm für di
Arbeiten der Versammlung vor; es bestand aus vier Gegenständen: Zusammen
setzung der Generalstände; Form ihrer Berufung; Ordnung ihrer Wahlen; Ab
haltung der Versammlungen, in denen über die Instruktionen der Abgeordnete
zu beratschlagen wäre. Weiterhin erhob sich in dieser ersten Sitzung der Präsiden
des Pariser Parlaments und erklärte mit aller Bestimmtheit, daß dem Par
lament hauptsächlich das Verdienst zukomme, zur Berufung der Generalständ
beigetragen zu haben, daß dies aber nur in den Formen von 1614 geschehe
könne, da diese jedem sein Recht verschaffen würden, und weil sie die über
lieferten seien. Also gleich am Anfange platzten die Gegensätze wieder auf
heftigste aufeinander. Am folgenden Tage ging man dann an die Beratun
der einzelnen Gegenstünde. Die Stimmung eines Teils der Notabeln war infolg
der gleichzeitigen Erregung, die durch die Broschürenliteratur hervorgerufe
wurde, natürlich stark zur Reaktion geneigt, und der Prinz von Conti spra
es geradezu aus, der König solle die „neuen Systeme" für immer verurteile
und die alte Verfassung Frankreichs ganz unversehrt erhalten. So traten den
auch nur 33 Stimmen, also etwa ein Viertel aller Stimmen, für die Ver
doppelung der Vertretung des Tiers ein. Ebenso neigten die meisten Bureau
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