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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Literarische Rundschau

schaftlichen Kreises, und von dem der Sohn die Energie, den Sinn für Macht
geerbt hat, dem er aber nicht gleicht in der Unbekümmertheit um Titel, Orden,
äußere Erscheinung, gesellschaftlichen Verkehr. Der junge Louis Droesigl bewegt
sich nur in der ersten internationalen Gesellschaft, faßt durch gutes Auftreten,
vortreffliches Reiten, sportliche, auch einmal durchs Spiel allmählich Fuß,
heiratet eine Gräfin aus uraltem Geschlecht und gelangt, ohne sich je vorzu¬
drängen, immer korrekt, aber in jedem Augenblick seines Zieles sicher, schließlich
zu der erwünschten Freiherrnkrone für sich und seine Nachkommen. Die Gefahr
liegt natürlich darin, diesen Droesigl, dessen Name, solange ihm kein "von"
voransteht, in der erlauchten Verwandtschaft seiner Frau etwas komisch wirkt,
niemals lächerlich werden zu lassen, niemals auch als einen bloßen hohlen
Streber darzustellen. Mit seiner verhaltn?" Kunst ist das Ompteda durchaus
gelungen, Droesigl wirkt nie unsympathisch, denn man empfindet sein Streben
nach gesellschaftlich gleicher Geltung nur als die anderswohin gewandte, ererbte
Arbeitsenergie des väterlichen Geschlechts. Man könnte sich einen Bruder
Droesigls vorstellen, dessen Arbeit dahin gerichtet wäre, nun im Parlament den
Einfluß seiner Industrie ins Ungemeßne zu verstärken, einen andern, der nichts
wollen würde, als Wohltätigkeitsanstalten größter Art schaffen, aber man muß
auch diesen von Ompteda festgehaltnen Typus, der so gar nicht karikiert ist.
nicht nur als lebendig und echt, sondern auch als nicht unliebenswürdig gelten
lassen und empfangen. Freilich lugt denn doch an dieser oder jener Stelle
einmal die ein wenig mokante Anschauung des Uradligen durch die Blätter,
was dem Buch einen feinen Ton mehr gibt. Es soll eben nicht alles so tot¬
ernst genommen werden, wie es Droesigl selber nimmt. Das Werk ist sehr
knapp geschrieben, hält sich mit Milieuschilderung nicht auf und gibt doch die
Welt mit der Anschaulichkeit wieder, die Omptedas Adelsromane zu wertvollen,
dauerhaftem Besitz unsrer Literatur gemacht haben.

In der S. Fischerschen Bibliothek zeitgenössischer Romane ist eine Sammlung
Novellen von Thomas Mann "Der kleine Herr Friedemann" erschienen. Es
sind geschliffne, etwas müde erzählte Geschichten, alle mit einem Unterton von
Ironie, der überhaupt Manns Schriften durchklingt, der selbst seine feinen und
gut gestalteten "Buddeubroocks" für das aufmerksame Ohr -- nicht eben immer
erfreulich -- durchhallt. Es ist schwer zu sagen, was dieser Kunst im Grunde
die Wärme nimmt, was dieser Gruppe talentvoller Dichter sich rechne etwa
Heinrich Mann und Kurt Mariens auch hinzu) die letzten Wirkungen nimmt.
Vielleicht kann mans so ausdrücken, daß sie alle ein wenig mit dem Gefühl
verirrter Zuschauer außerhalb des Lebens stehn, das ihnen mehr ein interessantes
Bild als ein harter Zwang ist. Und so werden auch wir von ihren oft so wunder¬
lichen, oft scheinbar wahllos hingeschriebnen Büchern nie recht warm. Solche
Schriftsteller gehn nie aus der Tiefe des Volks hervor, sondern gewöhnlich
aus adligen oder patrizischen Geschlecht. Man findet verwandte Züge auch
bei E. von Keyserling, der freilich gelegentlich auch ein litauischen Heimat-


Literarische Rundschau

schaftlichen Kreises, und von dem der Sohn die Energie, den Sinn für Macht
geerbt hat, dem er aber nicht gleicht in der Unbekümmertheit um Titel, Orden,
äußere Erscheinung, gesellschaftlichen Verkehr. Der junge Louis Droesigl bewegt
sich nur in der ersten internationalen Gesellschaft, faßt durch gutes Auftreten,
vortreffliches Reiten, sportliche, auch einmal durchs Spiel allmählich Fuß,
heiratet eine Gräfin aus uraltem Geschlecht und gelangt, ohne sich je vorzu¬
drängen, immer korrekt, aber in jedem Augenblick seines Zieles sicher, schließlich
zu der erwünschten Freiherrnkrone für sich und seine Nachkommen. Die Gefahr
liegt natürlich darin, diesen Droesigl, dessen Name, solange ihm kein „von"
voransteht, in der erlauchten Verwandtschaft seiner Frau etwas komisch wirkt,
niemals lächerlich werden zu lassen, niemals auch als einen bloßen hohlen
Streber darzustellen. Mit seiner verhaltn?» Kunst ist das Ompteda durchaus
gelungen, Droesigl wirkt nie unsympathisch, denn man empfindet sein Streben
nach gesellschaftlich gleicher Geltung nur als die anderswohin gewandte, ererbte
Arbeitsenergie des väterlichen Geschlechts. Man könnte sich einen Bruder
Droesigls vorstellen, dessen Arbeit dahin gerichtet wäre, nun im Parlament den
Einfluß seiner Industrie ins Ungemeßne zu verstärken, einen andern, der nichts
wollen würde, als Wohltätigkeitsanstalten größter Art schaffen, aber man muß
auch diesen von Ompteda festgehaltnen Typus, der so gar nicht karikiert ist.
nicht nur als lebendig und echt, sondern auch als nicht unliebenswürdig gelten
lassen und empfangen. Freilich lugt denn doch an dieser oder jener Stelle
einmal die ein wenig mokante Anschauung des Uradligen durch die Blätter,
was dem Buch einen feinen Ton mehr gibt. Es soll eben nicht alles so tot¬
ernst genommen werden, wie es Droesigl selber nimmt. Das Werk ist sehr
knapp geschrieben, hält sich mit Milieuschilderung nicht auf und gibt doch die
Welt mit der Anschaulichkeit wieder, die Omptedas Adelsromane zu wertvollen,
dauerhaftem Besitz unsrer Literatur gemacht haben.

In der S. Fischerschen Bibliothek zeitgenössischer Romane ist eine Sammlung
Novellen von Thomas Mann „Der kleine Herr Friedemann" erschienen. Es
sind geschliffne, etwas müde erzählte Geschichten, alle mit einem Unterton von
Ironie, der überhaupt Manns Schriften durchklingt, der selbst seine feinen und
gut gestalteten „Buddeubroocks" für das aufmerksame Ohr — nicht eben immer
erfreulich — durchhallt. Es ist schwer zu sagen, was dieser Kunst im Grunde
die Wärme nimmt, was dieser Gruppe talentvoller Dichter sich rechne etwa
Heinrich Mann und Kurt Mariens auch hinzu) die letzten Wirkungen nimmt.
Vielleicht kann mans so ausdrücken, daß sie alle ein wenig mit dem Gefühl
verirrter Zuschauer außerhalb des Lebens stehn, das ihnen mehr ein interessantes
Bild als ein harter Zwang ist. Und so werden auch wir von ihren oft so wunder¬
lichen, oft scheinbar wahllos hingeschriebnen Büchern nie recht warm. Solche
Schriftsteller gehn nie aus der Tiefe des Volks hervor, sondern gewöhnlich
aus adligen oder patrizischen Geschlecht. Man findet verwandte Züge auch
bei E. von Keyserling, der freilich gelegentlich auch ein litauischen Heimat-


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[0270] Literarische Rundschau schaftlichen Kreises, und von dem der Sohn die Energie, den Sinn für Macht geerbt hat, dem er aber nicht gleicht in der Unbekümmertheit um Titel, Orden, äußere Erscheinung, gesellschaftlichen Verkehr. Der junge Louis Droesigl bewegt sich nur in der ersten internationalen Gesellschaft, faßt durch gutes Auftreten, vortreffliches Reiten, sportliche, auch einmal durchs Spiel allmählich Fuß, heiratet eine Gräfin aus uraltem Geschlecht und gelangt, ohne sich je vorzu¬ drängen, immer korrekt, aber in jedem Augenblick seines Zieles sicher, schließlich zu der erwünschten Freiherrnkrone für sich und seine Nachkommen. Die Gefahr liegt natürlich darin, diesen Droesigl, dessen Name, solange ihm kein „von" voransteht, in der erlauchten Verwandtschaft seiner Frau etwas komisch wirkt, niemals lächerlich werden zu lassen, niemals auch als einen bloßen hohlen Streber darzustellen. Mit seiner verhaltn?» Kunst ist das Ompteda durchaus gelungen, Droesigl wirkt nie unsympathisch, denn man empfindet sein Streben nach gesellschaftlich gleicher Geltung nur als die anderswohin gewandte, ererbte Arbeitsenergie des väterlichen Geschlechts. Man könnte sich einen Bruder Droesigls vorstellen, dessen Arbeit dahin gerichtet wäre, nun im Parlament den Einfluß seiner Industrie ins Ungemeßne zu verstärken, einen andern, der nichts wollen würde, als Wohltätigkeitsanstalten größter Art schaffen, aber man muß auch diesen von Ompteda festgehaltnen Typus, der so gar nicht karikiert ist. nicht nur als lebendig und echt, sondern auch als nicht unliebenswürdig gelten lassen und empfangen. Freilich lugt denn doch an dieser oder jener Stelle einmal die ein wenig mokante Anschauung des Uradligen durch die Blätter, was dem Buch einen feinen Ton mehr gibt. Es soll eben nicht alles so tot¬ ernst genommen werden, wie es Droesigl selber nimmt. Das Werk ist sehr knapp geschrieben, hält sich mit Milieuschilderung nicht auf und gibt doch die Welt mit der Anschaulichkeit wieder, die Omptedas Adelsromane zu wertvollen, dauerhaftem Besitz unsrer Literatur gemacht haben. In der S. Fischerschen Bibliothek zeitgenössischer Romane ist eine Sammlung Novellen von Thomas Mann „Der kleine Herr Friedemann" erschienen. Es sind geschliffne, etwas müde erzählte Geschichten, alle mit einem Unterton von Ironie, der überhaupt Manns Schriften durchklingt, der selbst seine feinen und gut gestalteten „Buddeubroocks" für das aufmerksame Ohr — nicht eben immer erfreulich — durchhallt. Es ist schwer zu sagen, was dieser Kunst im Grunde die Wärme nimmt, was dieser Gruppe talentvoller Dichter sich rechne etwa Heinrich Mann und Kurt Mariens auch hinzu) die letzten Wirkungen nimmt. Vielleicht kann mans so ausdrücken, daß sie alle ein wenig mit dem Gefühl verirrter Zuschauer außerhalb des Lebens stehn, das ihnen mehr ein interessantes Bild als ein harter Zwang ist. Und so werden auch wir von ihren oft so wunder¬ lichen, oft scheinbar wahllos hingeschriebnen Büchern nie recht warm. Solche Schriftsteller gehn nie aus der Tiefe des Volks hervor, sondern gewöhnlich aus adligen oder patrizischen Geschlecht. Man findet verwandte Züge auch bei E. von Keyserling, der freilich gelegentlich auch ein litauischen Heimat-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/270>, abgerufen am 29.06.2024.