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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Jakob Julius David

Journalist und Schriftsteller gearbeitet, bis er am 20. November 1906 am
Krebs gestorben ist. Dankbar hat er -- davon spricht vor allem seine Lyrik --
alles empfunden, was ihm von den wenigen, seiner Begabung gewissen Freunden
an Lebenserleichterung und aufmunternden Zuspruch gespendet wurde. In
knappen, klaren, feinen Versen spricht sich das aus. Und um so herber klingt
die Klage, wenn doch wieder fast jeder Wunsch versagt wird, wenn ihm nicht
einmal vergönnt wird, der Mutter die Augen zudrücken zu dürfen.

Das Kreuz an der Dorsgrenze mahnt ihn immer wieder und nicht vergebens,

Trübe Bilder, der Zug des Todes, die Erscheinung El Schadais, dessen Blick
die ganze Welt zerrinnen läßt, gehn durch Davids gehaltne Verse, und mit
letztem, lang nachhallenden Klang hat er etwa Theodor Körners Wesen und
Erscheinung' aufgefangen:

Und dabei immer wieder jene tiefe Dankbarkeit für jede gute Stunde, für jeden
Lichtblick, den das Leben einem läßt, der es immer schwer nahm und dazu
allen Grund hatte. Es sind hier und da Klänge, wie sie ältere Österreicher,
vor allem der von David sehr geliebte und früh in seiner Bedeutung erkannte
Ferdinand von Saar, auch offenbaren.

Freilich an Ferdinand von Saars Erzählungskunst denkt man bei Jakob
Julius Davids Prosawerken nicht, denn den lyrischen Hauch und Ton, den
jede Saarsche Novelle zeigt, hat David dann keineswegs. Die Trübe und
Schwere beider Männer ist die gleiche; aber dennoch erscheint David ganz anders
als der ältere Landsmann: Saars Pessimismus, seine feine Resignation ist weit
subjektiver als Davids Darstellung schmerzlicher und schwerer Dinge. Ja,
vielleicht genügt es, zu sagen, daß Saar ein starkes musikalisches Element hat,
während David unmusikalisch, sehr viel mehr plastisch ist."

Davids älteste und bekannteste Erzählung "Das Höferecht führt gleich
mitten in seine mährische Heimat hinein. Es lebt in ihr nur das vou Ge¬
stalten und Wohnungen, was der Dichter für seinen Konflikt braucht: das
Bauernhaus der Familie Lohner. in der als Stolz und Last der Erbrichter
des Dorfes das Höferecht gilt, und dann die Hütte des Dorfjuden. Aus
jenem gehn die beiden Söhne, aus dieser die Tochter hervor, die die Handlung
tragen und die sie dann "veiter tragen nach Wien und wieder ins Dorf zurück.
Der Dichter ist schon hier sehr sparsam mit seinen Mitteln, aber noch nicht
spürsam genug für die Stimmungen und Wandlungen in den Seelen der
Menschen, auch noch nicht ganz vollgesogen mit der Stimmung ihrer Um¬
gebung. Es fehlt nicht an schroffen Übergängen, an Brüchen in der Charak¬
teristik, aber es fehlt schon hier völlig jedes Schielen nach populären Stim¬
mungen innerhalb und außerhalb der Kunst, es fehlt jede Art von Stimmungsmache,
und 'es fehlt das sonst so charakteristische Anfängermerkmnl überflüssiger Breite.


Jakob Julius David

Journalist und Schriftsteller gearbeitet, bis er am 20. November 1906 am
Krebs gestorben ist. Dankbar hat er — davon spricht vor allem seine Lyrik —
alles empfunden, was ihm von den wenigen, seiner Begabung gewissen Freunden
an Lebenserleichterung und aufmunternden Zuspruch gespendet wurde. In
knappen, klaren, feinen Versen spricht sich das aus. Und um so herber klingt
die Klage, wenn doch wieder fast jeder Wunsch versagt wird, wenn ihm nicht
einmal vergönnt wird, der Mutter die Augen zudrücken zu dürfen.

Das Kreuz an der Dorsgrenze mahnt ihn immer wieder und nicht vergebens,

Trübe Bilder, der Zug des Todes, die Erscheinung El Schadais, dessen Blick
die ganze Welt zerrinnen läßt, gehn durch Davids gehaltne Verse, und mit
letztem, lang nachhallenden Klang hat er etwa Theodor Körners Wesen und
Erscheinung' aufgefangen:

Und dabei immer wieder jene tiefe Dankbarkeit für jede gute Stunde, für jeden
Lichtblick, den das Leben einem läßt, der es immer schwer nahm und dazu
allen Grund hatte. Es sind hier und da Klänge, wie sie ältere Österreicher,
vor allem der von David sehr geliebte und früh in seiner Bedeutung erkannte
Ferdinand von Saar, auch offenbaren.

Freilich an Ferdinand von Saars Erzählungskunst denkt man bei Jakob
Julius Davids Prosawerken nicht, denn den lyrischen Hauch und Ton, den
jede Saarsche Novelle zeigt, hat David dann keineswegs. Die Trübe und
Schwere beider Männer ist die gleiche; aber dennoch erscheint David ganz anders
als der ältere Landsmann: Saars Pessimismus, seine feine Resignation ist weit
subjektiver als Davids Darstellung schmerzlicher und schwerer Dinge. Ja,
vielleicht genügt es, zu sagen, daß Saar ein starkes musikalisches Element hat,
während David unmusikalisch, sehr viel mehr plastisch ist."

Davids älteste und bekannteste Erzählung „Das Höferecht führt gleich
mitten in seine mährische Heimat hinein. Es lebt in ihr nur das vou Ge¬
stalten und Wohnungen, was der Dichter für seinen Konflikt braucht: das
Bauernhaus der Familie Lohner. in der als Stolz und Last der Erbrichter
des Dorfes das Höferecht gilt, und dann die Hütte des Dorfjuden. Aus
jenem gehn die beiden Söhne, aus dieser die Tochter hervor, die die Handlung
tragen und die sie dann »veiter tragen nach Wien und wieder ins Dorf zurück.
Der Dichter ist schon hier sehr sparsam mit seinen Mitteln, aber noch nicht
spürsam genug für die Stimmungen und Wandlungen in den Seelen der
Menschen, auch noch nicht ganz vollgesogen mit der Stimmung ihrer Um¬
gebung. Es fehlt nicht an schroffen Übergängen, an Brüchen in der Charak¬
teristik, aber es fehlt schon hier völlig jedes Schielen nach populären Stim¬
mungen innerhalb und außerhalb der Kunst, es fehlt jede Art von Stimmungsmache,
und 'es fehlt das sonst so charakteristische Anfängermerkmnl überflüssiger Breite.


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[0659] Jakob Julius David Journalist und Schriftsteller gearbeitet, bis er am 20. November 1906 am Krebs gestorben ist. Dankbar hat er — davon spricht vor allem seine Lyrik — alles empfunden, was ihm von den wenigen, seiner Begabung gewissen Freunden an Lebenserleichterung und aufmunternden Zuspruch gespendet wurde. In knappen, klaren, feinen Versen spricht sich das aus. Und um so herber klingt die Klage, wenn doch wieder fast jeder Wunsch versagt wird, wenn ihm nicht einmal vergönnt wird, der Mutter die Augen zudrücken zu dürfen. Das Kreuz an der Dorsgrenze mahnt ihn immer wieder und nicht vergebens, Trübe Bilder, der Zug des Todes, die Erscheinung El Schadais, dessen Blick die ganze Welt zerrinnen läßt, gehn durch Davids gehaltne Verse, und mit letztem, lang nachhallenden Klang hat er etwa Theodor Körners Wesen und Erscheinung' aufgefangen: Und dabei immer wieder jene tiefe Dankbarkeit für jede gute Stunde, für jeden Lichtblick, den das Leben einem läßt, der es immer schwer nahm und dazu allen Grund hatte. Es sind hier und da Klänge, wie sie ältere Österreicher, vor allem der von David sehr geliebte und früh in seiner Bedeutung erkannte Ferdinand von Saar, auch offenbaren. Freilich an Ferdinand von Saars Erzählungskunst denkt man bei Jakob Julius Davids Prosawerken nicht, denn den lyrischen Hauch und Ton, den jede Saarsche Novelle zeigt, hat David dann keineswegs. Die Trübe und Schwere beider Männer ist die gleiche; aber dennoch erscheint David ganz anders als der ältere Landsmann: Saars Pessimismus, seine feine Resignation ist weit subjektiver als Davids Darstellung schmerzlicher und schwerer Dinge. Ja, vielleicht genügt es, zu sagen, daß Saar ein starkes musikalisches Element hat, während David unmusikalisch, sehr viel mehr plastisch ist." Davids älteste und bekannteste Erzählung „Das Höferecht führt gleich mitten in seine mährische Heimat hinein. Es lebt in ihr nur das vou Ge¬ stalten und Wohnungen, was der Dichter für seinen Konflikt braucht: das Bauernhaus der Familie Lohner. in der als Stolz und Last der Erbrichter des Dorfes das Höferecht gilt, und dann die Hütte des Dorfjuden. Aus jenem gehn die beiden Söhne, aus dieser die Tochter hervor, die die Handlung tragen und die sie dann »veiter tragen nach Wien und wieder ins Dorf zurück. Der Dichter ist schon hier sehr sparsam mit seinen Mitteln, aber noch nicht spürsam genug für die Stimmungen und Wandlungen in den Seelen der Menschen, auch noch nicht ganz vollgesogen mit der Stimmung ihrer Um¬ gebung. Es fehlt nicht an schroffen Übergängen, an Brüchen in der Charak¬ teristik, aber es fehlt schon hier völlig jedes Schielen nach populären Stim¬ mungen innerhalb und außerhalb der Kunst, es fehlt jede Art von Stimmungsmache, und 'es fehlt das sonst so charakteristische Anfängermerkmnl überflüssiger Breite.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/659>, abgerufen am 23.07.2024.