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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Albing weiter fordert, die männliche Jugend solle von Männern erzogen
werden, und behauptet, das sei heute nicht der Fall. Heute sei das Weib
das Ideal, vornehmlich das Ideal der Phantasie. Schon der Gymnasiast
habe seine Flamme, und der von der Möglichkeit einer Familiengründung
noch sehr weit entfernte Student trage das Weib, das edle wie das unedle,
in seiner Phantasie. "Männliche, nicht galante Kultur müßte das Ziel der
Erziehung sein. Und wer dereinst zur Ehe berufen ist, der sollte erst in
reiferem Alter auf das andre Geschlecht aufmerksam werden. Der Zeit der
geschlechtlichen Liebe -- zu der übrigens, wie die Erfahrung lehrt, eine kleine
Minorität niemals berufen ist "an sieht deutlich, daß er selbst zu dieser
Minorität gehört^ -- sollte immer eine Periode edler Freundesliebe voraus¬
gehn. Wir Modernen haben selten mehr Freunde." Das Resultat sei, daß
die Frauen in der Gesellschaft den Ton angeben, die Männer sich bemühen,
wie die Frauen zu denken, und den Frauen zu Gefallen handeln. Man gehe
sozialen Zuständen entgegen, in denen das Weib nicht bloß dem Manne
gleichgestellt sein, sondern in der Gesellschaft herrschen werde. Minnesang
und höfischer Klingklang, die nur eine Karikatur der christlichen Erlösung
des Weibes aus unwürdigen Zuständen seien, hätten schon vor sieben Jahr¬
hunderten diese Wendung eingeleitet. Dabei werde aber gerade die Würde
der Mutter und der legitimen Gattin keineswegs gewahrt. Man feiere die
Frauen nur als das schöne Geschlecht, was noch dazu gegen die Tatsache
verstoße, daß jedes Geschlecht seine eigentümliche Schönheit habe. Trotz
Burschenschaft und Militarismus sei uns die männliche Kultur abhanden ge¬
kommen. In der jüngsten Zeit scheine ja die Kunst zur Besinnung zu
kommen und nicht mehr so ausschließlich das Weib zu feiern. Auch die
Wissenschaft werde die richtige Mitte finden "und nicht unbedingt etwas
Pathologisches darin sehen, wenn wir Männer nicht allesamt dieser Göttin
Weihrauch streuen". Lehrreich sei auch der Umstand, daß der Erlöser wohl
einen bevorzugten Freund hatte, aber außer seiner Mutter und der mitleids¬
voll begnadigten Sünderin keiner Frau nahestand. Die Kirche schütze Ehre
und Würde der Frau durch ein besondres Sakrament und verehre offiziell
heilige Jungfrauen, Märtyrerinnen, Gattinnen und Witwen, befürworte jedoch
nicht eine ästhetische oder soziale Superioritüt des Weibes. "Schon deshalb
glaube ich, daß wir auch als Christen ein volles Recht auf männliche Kultur
besitzen und dieses Recht in der Erziehung der Knaben und Jünglinge
theoretisch und praktisch wieder mehr zur Geltung bringen müssen. Die Mutter,
die Gattin, die Jungfrau, die sich in ihrem Berufe aufopfern, sind gewiß
hohe, verehrungswürdige Ideale, aber das höchste Ideal für den Mann sollte
das Weib doch nie sein, nicht einmal das höchste irdische Ideal. Du sagtest
wir einmal, die ewige Verhimmelung des Weibes in der Belletristik sei dir
langweilig. Ich gebe dir vollständig recht und gehe noch einen Schritt
weiter: diese Verhimmelung ist ein Beweis für die hilflose Einseitigkeit der


OatliolivA

Albing weiter fordert, die männliche Jugend solle von Männern erzogen
werden, und behauptet, das sei heute nicht der Fall. Heute sei das Weib
das Ideal, vornehmlich das Ideal der Phantasie. Schon der Gymnasiast
habe seine Flamme, und der von der Möglichkeit einer Familiengründung
noch sehr weit entfernte Student trage das Weib, das edle wie das unedle,
in seiner Phantasie. „Männliche, nicht galante Kultur müßte das Ziel der
Erziehung sein. Und wer dereinst zur Ehe berufen ist, der sollte erst in
reiferem Alter auf das andre Geschlecht aufmerksam werden. Der Zeit der
geschlechtlichen Liebe — zu der übrigens, wie die Erfahrung lehrt, eine kleine
Minorität niemals berufen ist »an sieht deutlich, daß er selbst zu dieser
Minorität gehört^ — sollte immer eine Periode edler Freundesliebe voraus¬
gehn. Wir Modernen haben selten mehr Freunde." Das Resultat sei, daß
die Frauen in der Gesellschaft den Ton angeben, die Männer sich bemühen,
wie die Frauen zu denken, und den Frauen zu Gefallen handeln. Man gehe
sozialen Zuständen entgegen, in denen das Weib nicht bloß dem Manne
gleichgestellt sein, sondern in der Gesellschaft herrschen werde. Minnesang
und höfischer Klingklang, die nur eine Karikatur der christlichen Erlösung
des Weibes aus unwürdigen Zuständen seien, hätten schon vor sieben Jahr¬
hunderten diese Wendung eingeleitet. Dabei werde aber gerade die Würde
der Mutter und der legitimen Gattin keineswegs gewahrt. Man feiere die
Frauen nur als das schöne Geschlecht, was noch dazu gegen die Tatsache
verstoße, daß jedes Geschlecht seine eigentümliche Schönheit habe. Trotz
Burschenschaft und Militarismus sei uns die männliche Kultur abhanden ge¬
kommen. In der jüngsten Zeit scheine ja die Kunst zur Besinnung zu
kommen und nicht mehr so ausschließlich das Weib zu feiern. Auch die
Wissenschaft werde die richtige Mitte finden „und nicht unbedingt etwas
Pathologisches darin sehen, wenn wir Männer nicht allesamt dieser Göttin
Weihrauch streuen". Lehrreich sei auch der Umstand, daß der Erlöser wohl
einen bevorzugten Freund hatte, aber außer seiner Mutter und der mitleids¬
voll begnadigten Sünderin keiner Frau nahestand. Die Kirche schütze Ehre
und Würde der Frau durch ein besondres Sakrament und verehre offiziell
heilige Jungfrauen, Märtyrerinnen, Gattinnen und Witwen, befürworte jedoch
nicht eine ästhetische oder soziale Superioritüt des Weibes. „Schon deshalb
glaube ich, daß wir auch als Christen ein volles Recht auf männliche Kultur
besitzen und dieses Recht in der Erziehung der Knaben und Jünglinge
theoretisch und praktisch wieder mehr zur Geltung bringen müssen. Die Mutter,
die Gattin, die Jungfrau, die sich in ihrem Berufe aufopfern, sind gewiß
hohe, verehrungswürdige Ideale, aber das höchste Ideal für den Mann sollte
das Weib doch nie sein, nicht einmal das höchste irdische Ideal. Du sagtest
wir einmal, die ewige Verhimmelung des Weibes in der Belletristik sei dir
langweilig. Ich gebe dir vollständig recht und gehe noch einen Schritt
weiter: diese Verhimmelung ist ein Beweis für die hilflose Einseitigkeit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/655>, abgerufen am 03.07.2024.