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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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diesen gerechnet werden will. Wäre er Theologe, so würde er der Zensur
durch die Jndexkongregation nicht entgehn. Als Laie wird er unbehelligt
bleiben, freilich leider auch unbeachtet. Es gehört zu den betrübenden
Wirkungen der letzten päpstlichen Maßregeln, daß die katholischen Zeitungen
solche Bücher wie die von Murri und Schwellenbach nicht mehr zu empfehlen,
kaum uoch zu nennen wagen; bis zum Sommer 1907 hatte wenigstens die
Kölnische Volkszeitung ihren Lesern die Scheuklappen noch nicht zugemutet.

Welche Anziehungskraft der Katholizismus auf Protestanten von einer
gewissen Seelenkonstitution auszuüben vermag, ersehen wir aus den (bei
G. Pillmeher in Osnabrück 1908 erschienenen) Hxistulg-s rscliviv-z."?. Der
Verfasser, der unter dem Namen Ansgar Albing Romane und Feuilletons
schreibt, nennt sich im bürgerlichen Leben Baron de Mathies und ist der 1868
geborne Sohn eines Hamburger Generalkonsuls. Die von den verschiedensten
Orten aller fünf Erdteile datierten Briefe sind an Verwandte und Freunde
gerichtet, unter denen man Bischöfe, Professoren und Aristokraten findet, auch
eine, wie es scheint englische, Königliche Hoheit. Aus den in diesen Briefen
zerstreuten gelegentlichen Angaben läßt sich folgende Lebensskizze zusammen-
stellen. Als seine Neigung zum Katholizismus bekannt wurde, schalt man ihn
einen Romantiker. Er versichert aber, daß ihn nüchterne Logik leite. Allerdings
sei er mit lebhafter Phantasie begabt, aber eben darum suche er, um nicht von
ihr auf Abwege geführt zu werden, einen sichern Halt in einer klaren Glaubens¬
überzeugung. Die könne ihm, das sei ihm schon bei der Konfirmation völlig
klar geworden, die evangelische Kirche nicht gewähren, denn die Pastoren
widersprächen einander. Wenn man ihm den Protestantismus anpreise, müsse
er immer fragen: welcher Protestantismus? Den rationalistischen Pastoren,
die er kennen lernte, fehlte die religiöse Wärme, den Pietisten ein logisches
System. Da lernte er nacheinander drei Bücher kennen, die ihn auf den rechten
Weg brachten. Das erste war das Look ok (üominou ?rg^ör, das ihm ein
älterer Bruder aus England mitgebracht hatte. Darin fand er eine entsprechende,
schriftgemäße Liturgie, und durch diese wurde er einerseits zu ihrer Quelle, dem
katholischen Meßbuch und Brevier geleitet, andrerseits auf die Oxforder Be¬
wegung aufmerksam gemacht und mit Newmans Schriften bekannt. Das zweite
war Jcmssens "Geschichte des deutschen Volkes", die ihm sein entschieden
protestantischer Geschichtslehrer Dr. Christensen empfahl: ut Äuclig-tur se kütsrs
xars, und über die er anfangs wütend wurde. Als drittes Werk, das tiefen
Eindruck machte, schloß sich Hurters Jnnozenz der Dritte an; es begeisterte
ihn, weil er in diesem Papste "den Träger und heldenhaften Verteidiger des
christlichen Gedankens in einer feindseligen Welt erkannte". (Gerade diesem
Jnnozenz, der so wunderbar vom Glück begünstigt wurde, hat das Heldenhafte
gefehlt, das man in manchem andern Papste ehren darf.) Auf einer Reise lernte
er den katholischen Gottesdienst kennen und besuchte von da an in Hamburg


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diesen gerechnet werden will. Wäre er Theologe, so würde er der Zensur
durch die Jndexkongregation nicht entgehn. Als Laie wird er unbehelligt
bleiben, freilich leider auch unbeachtet. Es gehört zu den betrübenden
Wirkungen der letzten päpstlichen Maßregeln, daß die katholischen Zeitungen
solche Bücher wie die von Murri und Schwellenbach nicht mehr zu empfehlen,
kaum uoch zu nennen wagen; bis zum Sommer 1907 hatte wenigstens die
Kölnische Volkszeitung ihren Lesern die Scheuklappen noch nicht zugemutet.

Welche Anziehungskraft der Katholizismus auf Protestanten von einer
gewissen Seelenkonstitution auszuüben vermag, ersehen wir aus den (bei
G. Pillmeher in Osnabrück 1908 erschienenen) Hxistulg-s rscliviv-z.«?. Der
Verfasser, der unter dem Namen Ansgar Albing Romane und Feuilletons
schreibt, nennt sich im bürgerlichen Leben Baron de Mathies und ist der 1868
geborne Sohn eines Hamburger Generalkonsuls. Die von den verschiedensten
Orten aller fünf Erdteile datierten Briefe sind an Verwandte und Freunde
gerichtet, unter denen man Bischöfe, Professoren und Aristokraten findet, auch
eine, wie es scheint englische, Königliche Hoheit. Aus den in diesen Briefen
zerstreuten gelegentlichen Angaben läßt sich folgende Lebensskizze zusammen-
stellen. Als seine Neigung zum Katholizismus bekannt wurde, schalt man ihn
einen Romantiker. Er versichert aber, daß ihn nüchterne Logik leite. Allerdings
sei er mit lebhafter Phantasie begabt, aber eben darum suche er, um nicht von
ihr auf Abwege geführt zu werden, einen sichern Halt in einer klaren Glaubens¬
überzeugung. Die könne ihm, das sei ihm schon bei der Konfirmation völlig
klar geworden, die evangelische Kirche nicht gewähren, denn die Pastoren
widersprächen einander. Wenn man ihm den Protestantismus anpreise, müsse
er immer fragen: welcher Protestantismus? Den rationalistischen Pastoren,
die er kennen lernte, fehlte die religiöse Wärme, den Pietisten ein logisches
System. Da lernte er nacheinander drei Bücher kennen, die ihn auf den rechten
Weg brachten. Das erste war das Look ok (üominou ?rg^ör, das ihm ein
älterer Bruder aus England mitgebracht hatte. Darin fand er eine entsprechende,
schriftgemäße Liturgie, und durch diese wurde er einerseits zu ihrer Quelle, dem
katholischen Meßbuch und Brevier geleitet, andrerseits auf die Oxforder Be¬
wegung aufmerksam gemacht und mit Newmans Schriften bekannt. Das zweite
war Jcmssens „Geschichte des deutschen Volkes", die ihm sein entschieden
protestantischer Geschichtslehrer Dr. Christensen empfahl: ut Äuclig-tur se kütsrs
xars, und über die er anfangs wütend wurde. Als drittes Werk, das tiefen
Eindruck machte, schloß sich Hurters Jnnozenz der Dritte an; es begeisterte
ihn, weil er in diesem Papste „den Träger und heldenhaften Verteidiger des
christlichen Gedankens in einer feindseligen Welt erkannte". (Gerade diesem
Jnnozenz, der so wunderbar vom Glück begünstigt wurde, hat das Heldenhafte
gefehlt, das man in manchem andern Papste ehren darf.) Auf einer Reise lernte
er den katholischen Gottesdienst kennen und besuchte von da an in Hamburg


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/652>, abgerufen am 12.12.2024.