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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Städtische Anleihen und ihre Organisation

250000 Mark fordert, die jedoch über die Kraft der Gemeinde hinausgeht.
Ausnahmen von dieser Mindesthöhe werden jedoch sehr oft gemacht; so gibt es
Städte mit Anleihen von 100000 Mark, ja 70000 Mark. Von der Börse
sind also diese Obligationen schon von vornherein ausgeschlossen; die Kurs¬
notierung -- falls überhaupt eine zustande kommt -- würde in diesen Fällen
auch nicht im geringsten den innern Wert der Stücke repräsentieren.

Weiterhin gibt es heute mehrere Hypothekenbanken, die mit dem Hypotheken¬
geschäft den Kommunalkredit verbinden. So beispielsweise die Preußische Zentral¬
boden-Aktiengesellschaft in Berlin, die Rheinische Hypothekenbank in Mannheim,
die Aktiengesellschaft für Boden- und Kommunalkredit in Elsaß-Lothringen, die
Schlesische Aktiengesellschaft u. a. in. Auch kann die seit 1871 bestehende
Kommunalbank für das Königreich Sachsen in diese Rubrik mit eingereiht
werden. Allein all diese Bestrebungen und Einrichtungen verfehlen deshalb ihren
Zweck, weil sie unter sich keinerlei Fühlung haben und sodann für größere
Anleihen überhaupt nicht in Betracht kommen. Und wenn jene Institute zur
Erzielung der oben geschilderten Zwecke vor allem errichtet sind, müssen sie
leider als gescheiterte Versuche bezeichnet werden.

Eine vorgeschlagne und auch von uns noch weiter unten zu erörternde
Zentralisierung des Kommunalkredits kann nun mit und ohne Hilfe der Staats¬
regierung geschehn. Im letzten Falle kann der Staat Privatinstitute anregen,
sich mit der Kreditgewährung an kommunale Körperschaften besonders zu befassen.
Das kann unter Umständen von großem Nutzen sein, da sich die Banken, wie er¬
wähnt, nicht gern mit solchen Geschäften befassen. Bereits bestehende Institute
dieser Art find allerdings die obengenannten Hypothekenbanken; vor allem aber
der öl-6<Zit tonoier in Paris, dessen Tätigkeit sich über ganz Frankreich ausdehnt
und in dieser Hinsicht keinen Mitbewerber hat, deshalb eine Zentralinstanz ist.

Sodann kann der Staat öffentliche Institute selbst schaffen zur Gewährung
kommunalen Kredits, wie es Belgien im Or6an ooMraunal bereits getan hat.
Eine derartige Maßnahme kommt für das Deutsche Reich jedoch gar nicht
in Betracht; sie könnte höchstenfalls in den größern Bundesstaaten verwirklicht
werden. Schließlich kann der Staat selbst die Kommunalanleihen übernehmen,
wie es in England oft geschieht. Aber auch diese Art Kreditgewährung kommt
für deutsche Verhältnisse nur wenig in Frage, da nach dieser Richtung hin die
Staatswesen schon mit sich selbst zu sehr beschäftigt sind.

Auf welche Weise soll nun ein Institut zur Zentralisierung des städtischen
Kredits errichtet werden, und in welcher Form? Der Staat als Mithelfer
scheidet nach dem Vorherigen schon ganz aus. Es blieben also nur die Städte
als Gründer allein übrig.

Da die zu errichtende Städtebank, wie wir sie kurz nennen wollen, mit
Anleihen von 2 bis 3 Milliarden stündig zu arbeiten haben wird, müßte sie
Ma mindesten ein Grundkapital von 60 Millionen Mark haben, damit sie auch
M jeder Zeit in der Lage ist, die im freien Verkehr zu niedrigen Kursen cm-


Grenzboten l 1S09 ^
Städtische Anleihen und ihre Organisation

250000 Mark fordert, die jedoch über die Kraft der Gemeinde hinausgeht.
Ausnahmen von dieser Mindesthöhe werden jedoch sehr oft gemacht; so gibt es
Städte mit Anleihen von 100000 Mark, ja 70000 Mark. Von der Börse
sind also diese Obligationen schon von vornherein ausgeschlossen; die Kurs¬
notierung — falls überhaupt eine zustande kommt — würde in diesen Fällen
auch nicht im geringsten den innern Wert der Stücke repräsentieren.

Weiterhin gibt es heute mehrere Hypothekenbanken, die mit dem Hypotheken¬
geschäft den Kommunalkredit verbinden. So beispielsweise die Preußische Zentral¬
boden-Aktiengesellschaft in Berlin, die Rheinische Hypothekenbank in Mannheim,
die Aktiengesellschaft für Boden- und Kommunalkredit in Elsaß-Lothringen, die
Schlesische Aktiengesellschaft u. a. in. Auch kann die seit 1871 bestehende
Kommunalbank für das Königreich Sachsen in diese Rubrik mit eingereiht
werden. Allein all diese Bestrebungen und Einrichtungen verfehlen deshalb ihren
Zweck, weil sie unter sich keinerlei Fühlung haben und sodann für größere
Anleihen überhaupt nicht in Betracht kommen. Und wenn jene Institute zur
Erzielung der oben geschilderten Zwecke vor allem errichtet sind, müssen sie
leider als gescheiterte Versuche bezeichnet werden.

Eine vorgeschlagne und auch von uns noch weiter unten zu erörternde
Zentralisierung des Kommunalkredits kann nun mit und ohne Hilfe der Staats¬
regierung geschehn. Im letzten Falle kann der Staat Privatinstitute anregen,
sich mit der Kreditgewährung an kommunale Körperschaften besonders zu befassen.
Das kann unter Umständen von großem Nutzen sein, da sich die Banken, wie er¬
wähnt, nicht gern mit solchen Geschäften befassen. Bereits bestehende Institute
dieser Art find allerdings die obengenannten Hypothekenbanken; vor allem aber
der öl-6<Zit tonoier in Paris, dessen Tätigkeit sich über ganz Frankreich ausdehnt
und in dieser Hinsicht keinen Mitbewerber hat, deshalb eine Zentralinstanz ist.

Sodann kann der Staat öffentliche Institute selbst schaffen zur Gewährung
kommunalen Kredits, wie es Belgien im Or6an ooMraunal bereits getan hat.
Eine derartige Maßnahme kommt für das Deutsche Reich jedoch gar nicht
in Betracht; sie könnte höchstenfalls in den größern Bundesstaaten verwirklicht
werden. Schließlich kann der Staat selbst die Kommunalanleihen übernehmen,
wie es in England oft geschieht. Aber auch diese Art Kreditgewährung kommt
für deutsche Verhältnisse nur wenig in Frage, da nach dieser Richtung hin die
Staatswesen schon mit sich selbst zu sehr beschäftigt sind.

Auf welche Weise soll nun ein Institut zur Zentralisierung des städtischen
Kredits errichtet werden, und in welcher Form? Der Staat als Mithelfer
scheidet nach dem Vorherigen schon ganz aus. Es blieben also nur die Städte
als Gründer allein übrig.

Da die zu errichtende Städtebank, wie wir sie kurz nennen wollen, mit
Anleihen von 2 bis 3 Milliarden stündig zu arbeiten haben wird, müßte sie
Ma mindesten ein Grundkapital von 60 Millionen Mark haben, damit sie auch
M jeder Zeit in der Lage ist, die im freien Verkehr zu niedrigen Kursen cm-


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[0645] Städtische Anleihen und ihre Organisation 250000 Mark fordert, die jedoch über die Kraft der Gemeinde hinausgeht. Ausnahmen von dieser Mindesthöhe werden jedoch sehr oft gemacht; so gibt es Städte mit Anleihen von 100000 Mark, ja 70000 Mark. Von der Börse sind also diese Obligationen schon von vornherein ausgeschlossen; die Kurs¬ notierung — falls überhaupt eine zustande kommt — würde in diesen Fällen auch nicht im geringsten den innern Wert der Stücke repräsentieren. Weiterhin gibt es heute mehrere Hypothekenbanken, die mit dem Hypotheken¬ geschäft den Kommunalkredit verbinden. So beispielsweise die Preußische Zentral¬ boden-Aktiengesellschaft in Berlin, die Rheinische Hypothekenbank in Mannheim, die Aktiengesellschaft für Boden- und Kommunalkredit in Elsaß-Lothringen, die Schlesische Aktiengesellschaft u. a. in. Auch kann die seit 1871 bestehende Kommunalbank für das Königreich Sachsen in diese Rubrik mit eingereiht werden. Allein all diese Bestrebungen und Einrichtungen verfehlen deshalb ihren Zweck, weil sie unter sich keinerlei Fühlung haben und sodann für größere Anleihen überhaupt nicht in Betracht kommen. Und wenn jene Institute zur Erzielung der oben geschilderten Zwecke vor allem errichtet sind, müssen sie leider als gescheiterte Versuche bezeichnet werden. Eine vorgeschlagne und auch von uns noch weiter unten zu erörternde Zentralisierung des Kommunalkredits kann nun mit und ohne Hilfe der Staats¬ regierung geschehn. Im letzten Falle kann der Staat Privatinstitute anregen, sich mit der Kreditgewährung an kommunale Körperschaften besonders zu befassen. Das kann unter Umständen von großem Nutzen sein, da sich die Banken, wie er¬ wähnt, nicht gern mit solchen Geschäften befassen. Bereits bestehende Institute dieser Art find allerdings die obengenannten Hypothekenbanken; vor allem aber der öl-6<Zit tonoier in Paris, dessen Tätigkeit sich über ganz Frankreich ausdehnt und in dieser Hinsicht keinen Mitbewerber hat, deshalb eine Zentralinstanz ist. Sodann kann der Staat öffentliche Institute selbst schaffen zur Gewährung kommunalen Kredits, wie es Belgien im Or6an ooMraunal bereits getan hat. Eine derartige Maßnahme kommt für das Deutsche Reich jedoch gar nicht in Betracht; sie könnte höchstenfalls in den größern Bundesstaaten verwirklicht werden. Schließlich kann der Staat selbst die Kommunalanleihen übernehmen, wie es in England oft geschieht. Aber auch diese Art Kreditgewährung kommt für deutsche Verhältnisse nur wenig in Frage, da nach dieser Richtung hin die Staatswesen schon mit sich selbst zu sehr beschäftigt sind. Auf welche Weise soll nun ein Institut zur Zentralisierung des städtischen Kredits errichtet werden, und in welcher Form? Der Staat als Mithelfer scheidet nach dem Vorherigen schon ganz aus. Es blieben also nur die Städte als Gründer allein übrig. Da die zu errichtende Städtebank, wie wir sie kurz nennen wollen, mit Anleihen von 2 bis 3 Milliarden stündig zu arbeiten haben wird, müßte sie Ma mindesten ein Grundkapital von 60 Millionen Mark haben, damit sie auch M jeder Zeit in der Lage ist, die im freien Verkehr zu niedrigen Kursen cm- Grenzboten l 1S09 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/645>, abgerufen am 23.07.2024.