Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Die Dame mit dem Grden denke, daß er seinen langgehegten Traum, in Deutschland zu studieren, aufgeben Ach ich weiß daß du es für groß und edel hältst, und daß es schrecklich von Die einzige Kraft, die mich nun noch in Schwung erhält, das ist dem Glaube Arme Gefährtin, es war nicht freundlich von Gott, mich dir als Cousine Schwamm drüber! Es ist geschehen, und wenn du dies erhältst, bin ich schon An Bord, den 8. August 1901 Es ist so windig, daß ich kaum mein Papier niederhalten kann, doch ich will So lag ich die Nacht hindurch in der obern Koje und rief mir die unglück¬ , . Ich setzte meine hübscheste Mütze auf. zog den langen Mantel an und begab Die Dame mit dem Grden denke, daß er seinen langgehegten Traum, in Deutschland zu studieren, aufgeben Ach ich weiß daß du es für groß und edel hältst, und daß es schrecklich von Die einzige Kraft, die mich nun noch in Schwung erhält, das ist dem Glaube Arme Gefährtin, es war nicht freundlich von Gott, mich dir als Cousine Schwamm drüber! Es ist geschehen, und wenn du dies erhältst, bin ich schon An Bord, den 8. August 1901 Es ist so windig, daß ich kaum mein Papier niederhalten kann, doch ich will So lag ich die Nacht hindurch in der obern Koje und rief mir die unglück¬ , . Ich setzte meine hübscheste Mütze auf. zog den langen Mantel an und begab <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312964"/> <fw type="header" place="top"> Die Dame mit dem Grden</fw><lb/> <p xml:id="ID_2500" prev="#ID_2499"> denke, daß er seinen langgehegten Traum, in Deutschland zu studieren, aufgeben<lb/> will, um Land für das Krankenhaus kaufen zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2501"> Ach ich weiß daß du es für groß und edel hältst, und daß es schrecklich von<lb/> mir ist, so anders zu sühlen. Mag wohl sein! Jedenfalls wirst du zugeben, daß<lb/> ich. indem ich euch verlasse, endlich einmal das Rechte getan habe. Es ist, als ob<lb/> ich ein Klecks in der Landschaft gewesen sei, der nun mit deiner Hilfe entfernt ist.<lb/> Inzwischen flehe ich zum Himmel, mein Herz möchte verknöchern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2502"> Die einzige Kraft, die mich nun noch in Schwung erhält, das ist dem Glaube<lb/> an mich. Du hast immer behauptet, daß ich doch etwas wert sei. trotzdem ich<lb/> hartnäckig das Gegenteil bewiesen habe. Grant dir nicht vor dem Wagnis? Denke<lb/> an die Verantwortlichkeit, die du übernimmst, etwa als Bürge für mich vor einer<lb/> Missionsversammlung stehen zu müssen. Ich will so stramm zugekorkt dastehn, als<lb/> ich nur irgend kann, aber gesetzt den Fall, der Pfropfen knallte doch los!</p><lb/> <p xml:id="ID_2503"> Arme Gefährtin, es war nicht freundlich von Gott, mich dir als Cousine<lb/> zu geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2504"> Schwamm drüber! Es ist geschehen, und wenn du dies erhältst, bin ich schon<lb/> weit auf meiner Seekräuter Reise. Ich getraue mir nicht, dir Grüße an die Familie<lb/> aufzutragen. Kaum wage ich, dir selbst einen Gruß zu senden. Ich bin em<lb/> Soldat und salutiere meinem vorgesetzten Offizier!</p><lb/> <p xml:id="ID_2505"> An Bord, den 8. August 1901</p><lb/> <p xml:id="ID_2506"> Es ist so windig, daß ich kaum mein Papier niederhalten kann, doch ich will<lb/> einen Versuch macheu. In der ersten Nacht an Bord war ich für mich allein.<lb/> Wir waren achtzehn Kabinenpassagiere an Bord. Sehr stürmisch war es, aber ich<lb/> blieb oben, solange ich konnte. Die Geister der Niedergeschlagenheit schwärmten so<lb/> dicht um mich herum, daß ich sie nicht in dem engen Quartier meines Staats¬<lb/> zimmers bekämpfen mochte. Aber endlich mußte ich doch hinunter, und es folgte<lb/> eine Schreckensnacht. Ein entsetzlicher Sturm raste, das Schiff schaukelte, stöhnte,<lb/> das Wasser brauste gegen die Luken; mein Koffer spielte Hases mit meinen Schuhen,<lb/> und meine Kiste rannte um das Zimmer herum wie eine Ratte, die ihr Loch sucht.<lb/> Ich hörte, wie oben die Befehle des Kapitäns die Antwortrufe der Matrosen über¬<lb/> tönten, wie Männer und Frauen in panischen Schrecken durch die Gänge eilten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2507"> So lag ich die Nacht hindurch in der obern Koje und rief mir die unglück¬<lb/> lichen Nächte der sieben letzten Jahre ins Gedächtnis zurück. Enttäuschung. Herzeleid,<lb/> grausames Erwachen Abschen: so kam eins nach dem andern in schweigender Folge.<lb/> Jede zärtliche Erinnerung, jedes frühe Gefühl, das noch in meinem Herze.: ver¬<lb/> weilt haben mag. wurde unbarmherzig hingemordet durch die stärkere Erinnerung<lb/> ?» die Leide». Der Sturm draußen war nichts gegen den Sturm in meinem<lb/> Herzen. Das Schicksal des Schiffes war mir gleichgiltig, mochte es segeln oder<lb/> stranden: einerlei für mich. , </p><lb/> <p xml:id="ID_2508"> ,<lb/> Als der Morgen kam. war etwas mit mir geschehen. Ich weiß nicht, was<lb/> es War; meine Vergangenheit schien in gewisser Weise jemand andern anzugehören.<lb/> Ich hatte endlich die alte Last abgeworfen und war ein neuer Mensch in einer<lb/> neuen Welt</p><lb/> <p xml:id="ID_2509" next="#ID_2510"> . Ich setzte meine hübscheste Mütze auf. zog den langen Mantel an und begab<lb/> »'ich auf Deck O meine Beste, wenn du bloß den Anblick gesehen hattest, der<lb/> s"h mir darbot! Eine Schar lahmer, elender Menschen! Erbsengrün sahen sie aus<lb/> wie gelb dazwischen und einer schwarzen Linie unter den Augen, bleich um die<lb/> Lippen und schwach in den Knien. Es gab nur noch ein weibliches Wesen außer<lb/> '">r, das nicht seekrank war, und das war eine Missionärin mit kurzen Haaren und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
Die Dame mit dem Grden
denke, daß er seinen langgehegten Traum, in Deutschland zu studieren, aufgeben
will, um Land für das Krankenhaus kaufen zu können.
Ach ich weiß daß du es für groß und edel hältst, und daß es schrecklich von
mir ist, so anders zu sühlen. Mag wohl sein! Jedenfalls wirst du zugeben, daß
ich. indem ich euch verlasse, endlich einmal das Rechte getan habe. Es ist, als ob
ich ein Klecks in der Landschaft gewesen sei, der nun mit deiner Hilfe entfernt ist.
Inzwischen flehe ich zum Himmel, mein Herz möchte verknöchern.
Die einzige Kraft, die mich nun noch in Schwung erhält, das ist dem Glaube
an mich. Du hast immer behauptet, daß ich doch etwas wert sei. trotzdem ich
hartnäckig das Gegenteil bewiesen habe. Grant dir nicht vor dem Wagnis? Denke
an die Verantwortlichkeit, die du übernimmst, etwa als Bürge für mich vor einer
Missionsversammlung stehen zu müssen. Ich will so stramm zugekorkt dastehn, als
ich nur irgend kann, aber gesetzt den Fall, der Pfropfen knallte doch los!
Arme Gefährtin, es war nicht freundlich von Gott, mich dir als Cousine
zu geben.
Schwamm drüber! Es ist geschehen, und wenn du dies erhältst, bin ich schon
weit auf meiner Seekräuter Reise. Ich getraue mir nicht, dir Grüße an die Familie
aufzutragen. Kaum wage ich, dir selbst einen Gruß zu senden. Ich bin em
Soldat und salutiere meinem vorgesetzten Offizier!
An Bord, den 8. August 1901
Es ist so windig, daß ich kaum mein Papier niederhalten kann, doch ich will
einen Versuch macheu. In der ersten Nacht an Bord war ich für mich allein.
Wir waren achtzehn Kabinenpassagiere an Bord. Sehr stürmisch war es, aber ich
blieb oben, solange ich konnte. Die Geister der Niedergeschlagenheit schwärmten so
dicht um mich herum, daß ich sie nicht in dem engen Quartier meines Staats¬
zimmers bekämpfen mochte. Aber endlich mußte ich doch hinunter, und es folgte
eine Schreckensnacht. Ein entsetzlicher Sturm raste, das Schiff schaukelte, stöhnte,
das Wasser brauste gegen die Luken; mein Koffer spielte Hases mit meinen Schuhen,
und meine Kiste rannte um das Zimmer herum wie eine Ratte, die ihr Loch sucht.
Ich hörte, wie oben die Befehle des Kapitäns die Antwortrufe der Matrosen über¬
tönten, wie Männer und Frauen in panischen Schrecken durch die Gänge eilten.
So lag ich die Nacht hindurch in der obern Koje und rief mir die unglück¬
lichen Nächte der sieben letzten Jahre ins Gedächtnis zurück. Enttäuschung. Herzeleid,
grausames Erwachen Abschen: so kam eins nach dem andern in schweigender Folge.
Jede zärtliche Erinnerung, jedes frühe Gefühl, das noch in meinem Herze.: ver¬
weilt haben mag. wurde unbarmherzig hingemordet durch die stärkere Erinnerung
?» die Leide». Der Sturm draußen war nichts gegen den Sturm in meinem
Herzen. Das Schicksal des Schiffes war mir gleichgiltig, mochte es segeln oder
stranden: einerlei für mich. ,
,
Als der Morgen kam. war etwas mit mir geschehen. Ich weiß nicht, was
es War; meine Vergangenheit schien in gewisser Weise jemand andern anzugehören.
Ich hatte endlich die alte Last abgeworfen und war ein neuer Mensch in einer
neuen Welt
. Ich setzte meine hübscheste Mütze auf. zog den langen Mantel an und begab
»'ich auf Deck O meine Beste, wenn du bloß den Anblick gesehen hattest, der
s"h mir darbot! Eine Schar lahmer, elender Menschen! Erbsengrün sahen sie aus
wie gelb dazwischen und einer schwarzen Linie unter den Augen, bleich um die
Lippen und schwach in den Knien. Es gab nur noch ein weibliches Wesen außer
'">r, das nicht seekrank war, und das war eine Missionärin mit kurzen Haaren und
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