Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Städtische Anleihen und ihre "Organisation dreißigjährige Tilgungsdauer als die für Kommunalanleihen im allgemeinen Wenn die kommunalen Anleihen Objekte des Geld- und Effektenhandels Städtische Anleihen und ihre «Organisation dreißigjährige Tilgungsdauer als die für Kommunalanleihen im allgemeinen Wenn die kommunalen Anleihen Objekte des Geld- und Effektenhandels <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0597" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312948"/> <fw type="header" place="top"> Städtische Anleihen und ihre «Organisation</fw><lb/> <p xml:id="ID_2435" prev="#ID_2434"> dreißigjährige Tilgungsdauer als die für Kommunalanleihen im allgemeinen<lb/> angemessene hingestellt wird und sogar diese Ansicht in der französischen<lb/> Gesetzgebung insoweit Ausdruck gefunden hat, als Anleihen mit längerer<lb/> Tilgungsdauer der Genehmigung des Staatsoberhaupts bedürfen, so ist doch<lb/> nicht zu übersehen, daß bei der heutigen Entwicklung der kommunalen Kredit¬<lb/> bedürfnisse, zumal der größern Städte, mindestens ebensooft jene Zeitgrenze<lb/> überschritten werden muß, wie sie etwa bei Anleihen kleinerer Gemeinden ein¬<lb/> gehalten werden kann. Es erfordert — um ein Beispiel heranzuziehen —<lb/> eine mit 3^ Prozent verzinsliche Anleihe, die mit einer Grundquote von einem<lb/> Prozent unter Zutritt der bei fortschreitender Tilgung sich ergebenden Zins¬<lb/> ersparnisse amortisiert wird, eine Tilgungsdauer von nahezu 44 Jahren. Es<lb/> liegt weiter im Interesse der kommunalen Finanzwirtschaft, daß der Tilgungs¬<lb/> plan genau aufgestellt ist und sie sich ein Kündigungsrecht vor Ablauf der<lb/> Tilgungsfrist vorbehält, um sich auf diese Weise die Möglichkeit einer Kon¬<lb/> vertierung zu lassen. In Preußen ist durch Zirkular des Ministers des Innern<lb/> vom 1. November 1870 für die Genehmigung von Kreisanleihen, deren<lb/> Begehung durch Ausgabe von Jnhaberpapieren stattfindet, als Prinzip auf¬<lb/> gestellt, daß die Tilgungsquote mindestens ein Prozent betragen soll, wenn<lb/> die Kontrahierung des Urlebens zu gemeinnützigen Zwecken erfolgt; sie soll<lb/> mindestens 1^ Prozent betragen, wenn das Darlehn zu gewinnbringenden<lb/> Anlagen verwandt wird. Daß nicht für alle Anleihen gleiche oder ähnliche<lb/> Normen gelten, und es in den meisten deutschen Staaten an einer allgemeinen<lb/> Regelung der Tilgungsdauer als auch der Tilgungsquoten fehlt, ist zweifellos<lb/> ein Übelstand. Auf weitere Modalitäten der Darlehnsaufnahme seitens der<lb/> Kommunalkörperschaften einzuwirken, ist der Staat kaum in der Lage. Wir<lb/> können für unsre Betrachtungen die eintretenden Möglichkeiten als belanglos<lb/> ausschließen, da sie nur dann in Betracht kommen, wenn der Staat selbst die<lb/> Rolle des Darlehusvermittlers übernimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2436" next="#ID_2437"> Wenn die kommunalen Anleihen Objekte des Geld- und Effektenhandels<lb/> werden sollen, was heute allgemein die Regel ist, so gelten nach dieser Richtung<lb/> hin genau dieselben Vorschriften, die für den Börsenhandel überhaupt gelten,<lb/> und auf die hier nur verwiesen werden kann. An der Berliner Börse werden<lb/> fast 150 verschiedne Städtepapiere heute gehandelt. Welche Schuldsummen<lb/> diese repräsentieren, ist leider ohne weiteres auch nicht annähernd genau an¬<lb/> zugeben; es ist jedoch festgestellt (und zwar von Zahn), daß sich die Anleihe¬<lb/> schulden (nicht nur die Jnhaberpapiere) von 52 deutschen Städten mit über<lb/> 50000 Einwohnern im Jahre 1902 auf zwei Milliarden beliefen. Das war<lb/> also im Vergleich zu den damals 2,7 Milliarden Mark betragenden Reichs¬<lb/> schulden eine ganz bedeutungsvolle Summe. Schon 1892 schätzte Miquel das<lb/> w Kommunalanleihen angelegte preußische private Kapitalvermögen auf<lb/> 1,2 Milliarden Mark. Besonders sind die städtischen Schulden infolge von<lb/> Aufwendungen fiir Verbesserung der hygienischen Einrichtungen, Wasser-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0597]
Städtische Anleihen und ihre «Organisation
dreißigjährige Tilgungsdauer als die für Kommunalanleihen im allgemeinen
angemessene hingestellt wird und sogar diese Ansicht in der französischen
Gesetzgebung insoweit Ausdruck gefunden hat, als Anleihen mit längerer
Tilgungsdauer der Genehmigung des Staatsoberhaupts bedürfen, so ist doch
nicht zu übersehen, daß bei der heutigen Entwicklung der kommunalen Kredit¬
bedürfnisse, zumal der größern Städte, mindestens ebensooft jene Zeitgrenze
überschritten werden muß, wie sie etwa bei Anleihen kleinerer Gemeinden ein¬
gehalten werden kann. Es erfordert — um ein Beispiel heranzuziehen —
eine mit 3^ Prozent verzinsliche Anleihe, die mit einer Grundquote von einem
Prozent unter Zutritt der bei fortschreitender Tilgung sich ergebenden Zins¬
ersparnisse amortisiert wird, eine Tilgungsdauer von nahezu 44 Jahren. Es
liegt weiter im Interesse der kommunalen Finanzwirtschaft, daß der Tilgungs¬
plan genau aufgestellt ist und sie sich ein Kündigungsrecht vor Ablauf der
Tilgungsfrist vorbehält, um sich auf diese Weise die Möglichkeit einer Kon¬
vertierung zu lassen. In Preußen ist durch Zirkular des Ministers des Innern
vom 1. November 1870 für die Genehmigung von Kreisanleihen, deren
Begehung durch Ausgabe von Jnhaberpapieren stattfindet, als Prinzip auf¬
gestellt, daß die Tilgungsquote mindestens ein Prozent betragen soll, wenn
die Kontrahierung des Urlebens zu gemeinnützigen Zwecken erfolgt; sie soll
mindestens 1^ Prozent betragen, wenn das Darlehn zu gewinnbringenden
Anlagen verwandt wird. Daß nicht für alle Anleihen gleiche oder ähnliche
Normen gelten, und es in den meisten deutschen Staaten an einer allgemeinen
Regelung der Tilgungsdauer als auch der Tilgungsquoten fehlt, ist zweifellos
ein Übelstand. Auf weitere Modalitäten der Darlehnsaufnahme seitens der
Kommunalkörperschaften einzuwirken, ist der Staat kaum in der Lage. Wir
können für unsre Betrachtungen die eintretenden Möglichkeiten als belanglos
ausschließen, da sie nur dann in Betracht kommen, wenn der Staat selbst die
Rolle des Darlehusvermittlers übernimmt.
Wenn die kommunalen Anleihen Objekte des Geld- und Effektenhandels
werden sollen, was heute allgemein die Regel ist, so gelten nach dieser Richtung
hin genau dieselben Vorschriften, die für den Börsenhandel überhaupt gelten,
und auf die hier nur verwiesen werden kann. An der Berliner Börse werden
fast 150 verschiedne Städtepapiere heute gehandelt. Welche Schuldsummen
diese repräsentieren, ist leider ohne weiteres auch nicht annähernd genau an¬
zugeben; es ist jedoch festgestellt (und zwar von Zahn), daß sich die Anleihe¬
schulden (nicht nur die Jnhaberpapiere) von 52 deutschen Städten mit über
50000 Einwohnern im Jahre 1902 auf zwei Milliarden beliefen. Das war
also im Vergleich zu den damals 2,7 Milliarden Mark betragenden Reichs¬
schulden eine ganz bedeutungsvolle Summe. Schon 1892 schätzte Miquel das
w Kommunalanleihen angelegte preußische private Kapitalvermögen auf
1,2 Milliarden Mark. Besonders sind die städtischen Schulden infolge von
Aufwendungen fiir Verbesserung der hygienischen Einrichtungen, Wasser-
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