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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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gebracht, und daß er dadurch den Kolonien wichtige Hilfen gegeben hat, wissen wir
nachgerade, und ihm ist es schon oft genug gesagt worden. Wir dürfen auch nicht
daran zweifeln, daß er nach bestem Wissen und Gewissen die Entwicklung seines
Wirkungskreises zu fördern bemüht ist. Aber das Moralische versteht sich von
selbst, darüber braucht nicht fort und fort geredet zu werden.

Alle Kenner und Freunde der Kolonien sind darüber einig, daß der Staats¬
sekretär über die Haupt- und Grundfrage der Kolonialpolitik, über die Ein-
gebornenfrage in einem gefährlichen Irrtum befangen ist. Der Umstand,
daß ihm dieser Irrtum lieb geworden ist, und daß er seine falschen Anschauungen
mit zäher Energie verteidigt, kann uns nicht abhalten, mit aller Bestimmtheit auf
eine Änderung der Politik hinzuwirken, die letzten Endes geeignet ist, die fernere
Zukunft unsers Kolonialbesitzes zu gefährden.

Wir wollen deutsche Kolonien, in denen das deutsche Wesen, die deutsche
Macht vorherrschend bleibt. Das erreichen wir nur dadurch, daß wir ein für
allemal der schwarzen Rasse den Platz anweisen, der ihr gebührt, und sie konsequent
von jeder Mitbestimmung ausschließe". Nur ein patriarchalisches Regiment bietet
uns Gewähr, daß sich die nun einmal inferiore schwarze Rasse dem modernen
Wirtschaftsleben als rationell arbeitendes Glied einfügt, und daß andrerseits das
Staatsleben der Kolonien eine bleibende Grundlage nach soliden deutschen Grund¬
sätzen erhält. Dressieren wir aber die Schwarzen zu "Mitbürgern" heran, setzen
wir sie im Gemeinde-, Bezirks- und Gouvernementsrat und andern Verwaltungs¬
organen neben den weißen Mann, so ergibt sich daraus in absehbarer Zeit die¬
selbe ekelhafte Hosennigger- und Mischlingswirschaft wie an der englischen Goldküste.
Die Folge davon ist naturnotwendig, daß sich die weiße Rasse nicht rein erhält,
sondern moralisch und physisch allmählich hinuntersinkt. Und letzten Endes haben
wir draußen nicht deutsche Kolonien, sondern Gebilde wie die portugiesischen, oder
wenn sich der Selbständigkeitsgedanke trotz alledem weiter entwickeln sollte, west¬
indische Verhältnisse mit der latenten Revolution als Regierungssystem.

Es mag für manche Leute unbequem sein, historisch zu denken, und einfacher,
über einen solchen Gedankengang zu spötteln. Das soll uns aber nicht abhalten,
immer wieder den Teufel an die Wand zu malen.

Wir haben uns dazu durchgerungen -- dank Dernburg --, die Kolonial¬
politik als vorwiegend wirtschaftliche Frage zu betrachten, was sie ja
auch ist. Aber jedes Wirtschaftssystem muß auch ein gesundes politisches Rückgrat
haben. Wir wollen keine grundsatzlos auf den Erwerb gerichtete Opportunitäts-
politik, kein Fortwursteln um der Geschäfte willen, sondern eine bewußt deutsche,
wohldurchdachte Kolonialpolitik, die unserm kolonialen Nachwuchs festen Boden unter
die Füße gibt, ihn vor Rassenkonflikten nach Möglichkeit bewahrt und der deutschen
Nationalwirtschaft eine wichtige Ergänzung sichert.

Uns will es scheinen, als ob Dernburg denn doch seiner Sache nicht mehr
recht sicher wäre, denn seine im Reichstag an den Tag gelegte Selbstsicherheit
schien uns etwas forciert und nervös. In seine Idee von den reinen Handels-
kolonien ist ja auch Bresche gelegt. Ostafrika wird Dernburg und Rechenberg
zum Trotz Siedlungskvlonie, wenigstens zum Teil.

Damit find wir glücklich bei Ostafrika angelangt, um das sich vornehmlich
die Frage Schwarz oder Weiß dreht, weil es Herrn v. Rechenberg so beliebt.
Dernburg hat neulich zugeben müssen, daß sich offenbar doch weite Teile dieser
Kolonie zur deutschen Besiedlung eignen. Somit müßte die Rechenbergsche Idee
der Beteiligung der Schwarzen um der Selbstverwaltung vernünftigerweise in sich
zusammenfallen. Wenn das Hinterland stark mit Weißen besiedelt ist, so kommen
auch in die Küstenstädte immer mehr weiße Kaufleute und Gewerbetreibende, und
damit ist das weiße "Material" (wie die Kolonialverwaltung so hübsch sagt) für
die Selbstverwaltung vorhanden.


gebracht, und daß er dadurch den Kolonien wichtige Hilfen gegeben hat, wissen wir
nachgerade, und ihm ist es schon oft genug gesagt worden. Wir dürfen auch nicht
daran zweifeln, daß er nach bestem Wissen und Gewissen die Entwicklung seines
Wirkungskreises zu fördern bemüht ist. Aber das Moralische versteht sich von
selbst, darüber braucht nicht fort und fort geredet zu werden.

Alle Kenner und Freunde der Kolonien sind darüber einig, daß der Staats¬
sekretär über die Haupt- und Grundfrage der Kolonialpolitik, über die Ein-
gebornenfrage in einem gefährlichen Irrtum befangen ist. Der Umstand,
daß ihm dieser Irrtum lieb geworden ist, und daß er seine falschen Anschauungen
mit zäher Energie verteidigt, kann uns nicht abhalten, mit aller Bestimmtheit auf
eine Änderung der Politik hinzuwirken, die letzten Endes geeignet ist, die fernere
Zukunft unsers Kolonialbesitzes zu gefährden.

Wir wollen deutsche Kolonien, in denen das deutsche Wesen, die deutsche
Macht vorherrschend bleibt. Das erreichen wir nur dadurch, daß wir ein für
allemal der schwarzen Rasse den Platz anweisen, der ihr gebührt, und sie konsequent
von jeder Mitbestimmung ausschließe«. Nur ein patriarchalisches Regiment bietet
uns Gewähr, daß sich die nun einmal inferiore schwarze Rasse dem modernen
Wirtschaftsleben als rationell arbeitendes Glied einfügt, und daß andrerseits das
Staatsleben der Kolonien eine bleibende Grundlage nach soliden deutschen Grund¬
sätzen erhält. Dressieren wir aber die Schwarzen zu „Mitbürgern" heran, setzen
wir sie im Gemeinde-, Bezirks- und Gouvernementsrat und andern Verwaltungs¬
organen neben den weißen Mann, so ergibt sich daraus in absehbarer Zeit die¬
selbe ekelhafte Hosennigger- und Mischlingswirschaft wie an der englischen Goldküste.
Die Folge davon ist naturnotwendig, daß sich die weiße Rasse nicht rein erhält,
sondern moralisch und physisch allmählich hinuntersinkt. Und letzten Endes haben
wir draußen nicht deutsche Kolonien, sondern Gebilde wie die portugiesischen, oder
wenn sich der Selbständigkeitsgedanke trotz alledem weiter entwickeln sollte, west¬
indische Verhältnisse mit der latenten Revolution als Regierungssystem.

Es mag für manche Leute unbequem sein, historisch zu denken, und einfacher,
über einen solchen Gedankengang zu spötteln. Das soll uns aber nicht abhalten,
immer wieder den Teufel an die Wand zu malen.

Wir haben uns dazu durchgerungen — dank Dernburg —, die Kolonial¬
politik als vorwiegend wirtschaftliche Frage zu betrachten, was sie ja
auch ist. Aber jedes Wirtschaftssystem muß auch ein gesundes politisches Rückgrat
haben. Wir wollen keine grundsatzlos auf den Erwerb gerichtete Opportunitäts-
politik, kein Fortwursteln um der Geschäfte willen, sondern eine bewußt deutsche,
wohldurchdachte Kolonialpolitik, die unserm kolonialen Nachwuchs festen Boden unter
die Füße gibt, ihn vor Rassenkonflikten nach Möglichkeit bewahrt und der deutschen
Nationalwirtschaft eine wichtige Ergänzung sichert.

Uns will es scheinen, als ob Dernburg denn doch seiner Sache nicht mehr
recht sicher wäre, denn seine im Reichstag an den Tag gelegte Selbstsicherheit
schien uns etwas forciert und nervös. In seine Idee von den reinen Handels-
kolonien ist ja auch Bresche gelegt. Ostafrika wird Dernburg und Rechenberg
zum Trotz Siedlungskvlonie, wenigstens zum Teil.

Damit find wir glücklich bei Ostafrika angelangt, um das sich vornehmlich
die Frage Schwarz oder Weiß dreht, weil es Herrn v. Rechenberg so beliebt.
Dernburg hat neulich zugeben müssen, daß sich offenbar doch weite Teile dieser
Kolonie zur deutschen Besiedlung eignen. Somit müßte die Rechenbergsche Idee
der Beteiligung der Schwarzen um der Selbstverwaltung vernünftigerweise in sich
zusammenfallen. Wenn das Hinterland stark mit Weißen besiedelt ist, so kommen
auch in die Küstenstädte immer mehr weiße Kaufleute und Gewerbetreibende, und
damit ist das weiße „Material" (wie die Kolonialverwaltung so hübsch sagt) für
die Selbstverwaltung vorhanden.


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[0574] gebracht, und daß er dadurch den Kolonien wichtige Hilfen gegeben hat, wissen wir nachgerade, und ihm ist es schon oft genug gesagt worden. Wir dürfen auch nicht daran zweifeln, daß er nach bestem Wissen und Gewissen die Entwicklung seines Wirkungskreises zu fördern bemüht ist. Aber das Moralische versteht sich von selbst, darüber braucht nicht fort und fort geredet zu werden. Alle Kenner und Freunde der Kolonien sind darüber einig, daß der Staats¬ sekretär über die Haupt- und Grundfrage der Kolonialpolitik, über die Ein- gebornenfrage in einem gefährlichen Irrtum befangen ist. Der Umstand, daß ihm dieser Irrtum lieb geworden ist, und daß er seine falschen Anschauungen mit zäher Energie verteidigt, kann uns nicht abhalten, mit aller Bestimmtheit auf eine Änderung der Politik hinzuwirken, die letzten Endes geeignet ist, die fernere Zukunft unsers Kolonialbesitzes zu gefährden. Wir wollen deutsche Kolonien, in denen das deutsche Wesen, die deutsche Macht vorherrschend bleibt. Das erreichen wir nur dadurch, daß wir ein für allemal der schwarzen Rasse den Platz anweisen, der ihr gebührt, und sie konsequent von jeder Mitbestimmung ausschließe«. Nur ein patriarchalisches Regiment bietet uns Gewähr, daß sich die nun einmal inferiore schwarze Rasse dem modernen Wirtschaftsleben als rationell arbeitendes Glied einfügt, und daß andrerseits das Staatsleben der Kolonien eine bleibende Grundlage nach soliden deutschen Grund¬ sätzen erhält. Dressieren wir aber die Schwarzen zu „Mitbürgern" heran, setzen wir sie im Gemeinde-, Bezirks- und Gouvernementsrat und andern Verwaltungs¬ organen neben den weißen Mann, so ergibt sich daraus in absehbarer Zeit die¬ selbe ekelhafte Hosennigger- und Mischlingswirschaft wie an der englischen Goldküste. Die Folge davon ist naturnotwendig, daß sich die weiße Rasse nicht rein erhält, sondern moralisch und physisch allmählich hinuntersinkt. Und letzten Endes haben wir draußen nicht deutsche Kolonien, sondern Gebilde wie die portugiesischen, oder wenn sich der Selbständigkeitsgedanke trotz alledem weiter entwickeln sollte, west¬ indische Verhältnisse mit der latenten Revolution als Regierungssystem. Es mag für manche Leute unbequem sein, historisch zu denken, und einfacher, über einen solchen Gedankengang zu spötteln. Das soll uns aber nicht abhalten, immer wieder den Teufel an die Wand zu malen. Wir haben uns dazu durchgerungen — dank Dernburg —, die Kolonial¬ politik als vorwiegend wirtschaftliche Frage zu betrachten, was sie ja auch ist. Aber jedes Wirtschaftssystem muß auch ein gesundes politisches Rückgrat haben. Wir wollen keine grundsatzlos auf den Erwerb gerichtete Opportunitäts- politik, kein Fortwursteln um der Geschäfte willen, sondern eine bewußt deutsche, wohldurchdachte Kolonialpolitik, die unserm kolonialen Nachwuchs festen Boden unter die Füße gibt, ihn vor Rassenkonflikten nach Möglichkeit bewahrt und der deutschen Nationalwirtschaft eine wichtige Ergänzung sichert. Uns will es scheinen, als ob Dernburg denn doch seiner Sache nicht mehr recht sicher wäre, denn seine im Reichstag an den Tag gelegte Selbstsicherheit schien uns etwas forciert und nervös. In seine Idee von den reinen Handels- kolonien ist ja auch Bresche gelegt. Ostafrika wird Dernburg und Rechenberg zum Trotz Siedlungskvlonie, wenigstens zum Teil. Damit find wir glücklich bei Ostafrika angelangt, um das sich vornehmlich die Frage Schwarz oder Weiß dreht, weil es Herrn v. Rechenberg so beliebt. Dernburg hat neulich zugeben müssen, daß sich offenbar doch weite Teile dieser Kolonie zur deutschen Besiedlung eignen. Somit müßte die Rechenbergsche Idee der Beteiligung der Schwarzen um der Selbstverwaltung vernünftigerweise in sich zusammenfallen. Wenn das Hinterland stark mit Weißen besiedelt ist, so kommen auch in die Küstenstädte immer mehr weiße Kaufleute und Gewerbetreibende, und damit ist das weiße „Material" (wie die Kolonialverwaltung so hübsch sagt) für die Selbstverwaltung vorhanden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/574>, abgerufen am 12.12.2024.