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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vor der wir jetzt stehn. Wenn man sich durchaus auf Bismarck berufen will, warum
erinnert man sich dann nicht seines beständigen Strebens, die Einzelstaaten finanziell
zu Kostgängern des Reichs zu machen, nicht umgekehrt? Jetzt will man die Finanznot
des Reichs dadurch beseitigen, daß man die Leistungen auf die Einzelstaaten ab¬
schiebt und den Ausgleich darin sucht, daß die Einzelstaaten in Ausübung ihrer
wichtigsten und wohlbegründetsten Rechte unter die Kuratel des Reichs gestellt
werden. Und die Leute, die das machen, berufen sich auf Bismarck!

Noch ein weiterer Widerspruch findet sich dabei. Dieselben Leute, die die
notwendige und durch unsre gesamten staatlichen Einrichtungen begründete finanz¬
politische Selbständigkeit der deutschen Bundesstaaten ruhig den Eingriffen der
Reichsgewalt preisgeben, gehören einer Parteirichtung an und folgen ihrer Führung,
die bei einer der Versammlungen in der großen Landwirtschaftswoche der Äußerung zu¬
stimmte, in der Lnndesgesetzgebung könne man sich wohl die Nachlaß- und Erb¬
schaftssteuer gefallen lassen, nicht aber im Reiche, wo die Gesetzgebung leichter der
Herrschaft demokratischer Einflüsse verfallen könne. Diese Furcht vor den um¬
stürzenden Einflüssen des Reichs haben die Herren merkwürdig schnell abgelegt,
da sie dem Reiche Befugnisse geben wollen, die der Existenz der Einzelstaaten über¬
haupt den Boden unter den Füßen wegziehen. Es wird noch viel Arbeit nötig
sein, ehe die Finanzreform eine brauchbare Gestalt gewinnt.

In der auswärtigen Politik wird die Lage auch heute uoch von der Balkan¬
krisis beherrscht. Noch sind die Gefahren für den Fieber nicht völlig geschwunden.
Berichtigend muß erwähnt werden, daß sich Deutschland an den Vorstellungen der
Mächte in Belgrad nicht unmittelbar beteiligt hat. Nachdem Rußland allein einen
Schritt in dieser Richtung unternommen hat, also ein Kollektivvorgehen der Gro߬
mächte außer Österreich-Ungarn unterblieben ist, hat es Deutschland nicht für nötig
gehalten, ausdrücklich einzugreifen. Nußland handelte für sich, und es folgten dann
England, Frankreich und Italien. Serbien hat nnn dem freundschaftlichen Druck
so weit nachgegeben, daß es seine Bereitwilligkeit, territoriale Ansprüche wegen der
Annexion Bosniens fallen zu lassen, vorläufig ausgesprochen hat, aber es ist eine neue
Schwierigkeit dabei entstanden. Serbien will nämlich die Regelung seiner Auseinander¬
setzung mit Österreich-Ungarn in die Hand der Großmächte legen. Es soll also nicht
dabei bleiben, daß die Mächte, wie es jetzt geschehen ist, im Interesse des Friedens so
weit eingreifen, wie es notwendig ist, um die Grundlage für Verhandlungen zu
schaffen. Serbien möchte vielmehr, daß auch während der Verhandlungen die Gro߬
mächte ihre Hand darüber halten. Dafür fehlt nun freilich jede völkerrechtliche
Unterlage. Der bisherige Souverän von Bosnien und der Herzegowina hat diese
Länder in einem rechtsgiltigen Vertrage an die Habsburgische Monarchie abgetreten.
Da hierdurch allerdings die Festsetzungen des Berliner Vertrags von 1878 berührt
werden, so kann man um des Ansehens internationaler Verträge willen grundsätzlich
fordern, daß dieser neue Rechtsstand von den Signatarmächten formell anerkannt
wird. Aber weder haben die Signatarmächte die Möglichkeit, dieses bereits geordnete
Rechtsverhältnis irgendwie umzustoßen, noch gehört Serbien zu den Signatarmächten
des Berliner Kongresses. Vor allem aber kann es als völlig ausgeschlossen gelten,
daß sich Österreich-Ungarn auf irgendwelche Verhandlungen mit Serbien einläßt,
solange von feiten einer oder der andern Großmacht der Gedanke festgehalten
wird, daß eine Kontrolle über diese Verhandlungen ausgeübt werden könnte. Österreich-
Ungarn kann mit Serbien nur direkt und allein verhandeln. Deutschland hat nicht
den geringsten Zweifel darüber gelassen, daß es auch in dieser Frage der österreichischen
Politik einen festen Rückhalt bietet. Man darf wohl hoffen, daß Serbien sehr bald
zu der Einsicht kommen wird, wie sehr es, nachdem einmal der Anspruch auf
Gebietsentschädigung fallen gelassen ist, seinem eignen Interesse entspricht, daß die
Verständigung mit Österreich-Ungarn allein gefunden wird. Das nationale Be-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vor der wir jetzt stehn. Wenn man sich durchaus auf Bismarck berufen will, warum
erinnert man sich dann nicht seines beständigen Strebens, die Einzelstaaten finanziell
zu Kostgängern des Reichs zu machen, nicht umgekehrt? Jetzt will man die Finanznot
des Reichs dadurch beseitigen, daß man die Leistungen auf die Einzelstaaten ab¬
schiebt und den Ausgleich darin sucht, daß die Einzelstaaten in Ausübung ihrer
wichtigsten und wohlbegründetsten Rechte unter die Kuratel des Reichs gestellt
werden. Und die Leute, die das machen, berufen sich auf Bismarck!

Noch ein weiterer Widerspruch findet sich dabei. Dieselben Leute, die die
notwendige und durch unsre gesamten staatlichen Einrichtungen begründete finanz¬
politische Selbständigkeit der deutschen Bundesstaaten ruhig den Eingriffen der
Reichsgewalt preisgeben, gehören einer Parteirichtung an und folgen ihrer Führung,
die bei einer der Versammlungen in der großen Landwirtschaftswoche der Äußerung zu¬
stimmte, in der Lnndesgesetzgebung könne man sich wohl die Nachlaß- und Erb¬
schaftssteuer gefallen lassen, nicht aber im Reiche, wo die Gesetzgebung leichter der
Herrschaft demokratischer Einflüsse verfallen könne. Diese Furcht vor den um¬
stürzenden Einflüssen des Reichs haben die Herren merkwürdig schnell abgelegt,
da sie dem Reiche Befugnisse geben wollen, die der Existenz der Einzelstaaten über¬
haupt den Boden unter den Füßen wegziehen. Es wird noch viel Arbeit nötig
sein, ehe die Finanzreform eine brauchbare Gestalt gewinnt.

In der auswärtigen Politik wird die Lage auch heute uoch von der Balkan¬
krisis beherrscht. Noch sind die Gefahren für den Fieber nicht völlig geschwunden.
Berichtigend muß erwähnt werden, daß sich Deutschland an den Vorstellungen der
Mächte in Belgrad nicht unmittelbar beteiligt hat. Nachdem Rußland allein einen
Schritt in dieser Richtung unternommen hat, also ein Kollektivvorgehen der Gro߬
mächte außer Österreich-Ungarn unterblieben ist, hat es Deutschland nicht für nötig
gehalten, ausdrücklich einzugreifen. Nußland handelte für sich, und es folgten dann
England, Frankreich und Italien. Serbien hat nnn dem freundschaftlichen Druck
so weit nachgegeben, daß es seine Bereitwilligkeit, territoriale Ansprüche wegen der
Annexion Bosniens fallen zu lassen, vorläufig ausgesprochen hat, aber es ist eine neue
Schwierigkeit dabei entstanden. Serbien will nämlich die Regelung seiner Auseinander¬
setzung mit Österreich-Ungarn in die Hand der Großmächte legen. Es soll also nicht
dabei bleiben, daß die Mächte, wie es jetzt geschehen ist, im Interesse des Friedens so
weit eingreifen, wie es notwendig ist, um die Grundlage für Verhandlungen zu
schaffen. Serbien möchte vielmehr, daß auch während der Verhandlungen die Gro߬
mächte ihre Hand darüber halten. Dafür fehlt nun freilich jede völkerrechtliche
Unterlage. Der bisherige Souverän von Bosnien und der Herzegowina hat diese
Länder in einem rechtsgiltigen Vertrage an die Habsburgische Monarchie abgetreten.
Da hierdurch allerdings die Festsetzungen des Berliner Vertrags von 1878 berührt
werden, so kann man um des Ansehens internationaler Verträge willen grundsätzlich
fordern, daß dieser neue Rechtsstand von den Signatarmächten formell anerkannt
wird. Aber weder haben die Signatarmächte die Möglichkeit, dieses bereits geordnete
Rechtsverhältnis irgendwie umzustoßen, noch gehört Serbien zu den Signatarmächten
des Berliner Kongresses. Vor allem aber kann es als völlig ausgeschlossen gelten,
daß sich Österreich-Ungarn auf irgendwelche Verhandlungen mit Serbien einläßt,
solange von feiten einer oder der andern Großmacht der Gedanke festgehalten
wird, daß eine Kontrolle über diese Verhandlungen ausgeübt werden könnte. Österreich-
Ungarn kann mit Serbien nur direkt und allein verhandeln. Deutschland hat nicht
den geringsten Zweifel darüber gelassen, daß es auch in dieser Frage der österreichischen
Politik einen festen Rückhalt bietet. Man darf wohl hoffen, daß Serbien sehr bald
zu der Einsicht kommen wird, wie sehr es, nachdem einmal der Anspruch auf
Gebietsentschädigung fallen gelassen ist, seinem eignen Interesse entspricht, daß die
Verständigung mit Österreich-Ungarn allein gefunden wird. Das nationale Be-


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[0572] Maßgebliches und Unmaßgebliches Vor der wir jetzt stehn. Wenn man sich durchaus auf Bismarck berufen will, warum erinnert man sich dann nicht seines beständigen Strebens, die Einzelstaaten finanziell zu Kostgängern des Reichs zu machen, nicht umgekehrt? Jetzt will man die Finanznot des Reichs dadurch beseitigen, daß man die Leistungen auf die Einzelstaaten ab¬ schiebt und den Ausgleich darin sucht, daß die Einzelstaaten in Ausübung ihrer wichtigsten und wohlbegründetsten Rechte unter die Kuratel des Reichs gestellt werden. Und die Leute, die das machen, berufen sich auf Bismarck! Noch ein weiterer Widerspruch findet sich dabei. Dieselben Leute, die die notwendige und durch unsre gesamten staatlichen Einrichtungen begründete finanz¬ politische Selbständigkeit der deutschen Bundesstaaten ruhig den Eingriffen der Reichsgewalt preisgeben, gehören einer Parteirichtung an und folgen ihrer Führung, die bei einer der Versammlungen in der großen Landwirtschaftswoche der Äußerung zu¬ stimmte, in der Lnndesgesetzgebung könne man sich wohl die Nachlaß- und Erb¬ schaftssteuer gefallen lassen, nicht aber im Reiche, wo die Gesetzgebung leichter der Herrschaft demokratischer Einflüsse verfallen könne. Diese Furcht vor den um¬ stürzenden Einflüssen des Reichs haben die Herren merkwürdig schnell abgelegt, da sie dem Reiche Befugnisse geben wollen, die der Existenz der Einzelstaaten über¬ haupt den Boden unter den Füßen wegziehen. Es wird noch viel Arbeit nötig sein, ehe die Finanzreform eine brauchbare Gestalt gewinnt. In der auswärtigen Politik wird die Lage auch heute uoch von der Balkan¬ krisis beherrscht. Noch sind die Gefahren für den Fieber nicht völlig geschwunden. Berichtigend muß erwähnt werden, daß sich Deutschland an den Vorstellungen der Mächte in Belgrad nicht unmittelbar beteiligt hat. Nachdem Rußland allein einen Schritt in dieser Richtung unternommen hat, also ein Kollektivvorgehen der Gro߬ mächte außer Österreich-Ungarn unterblieben ist, hat es Deutschland nicht für nötig gehalten, ausdrücklich einzugreifen. Nußland handelte für sich, und es folgten dann England, Frankreich und Italien. Serbien hat nnn dem freundschaftlichen Druck so weit nachgegeben, daß es seine Bereitwilligkeit, territoriale Ansprüche wegen der Annexion Bosniens fallen zu lassen, vorläufig ausgesprochen hat, aber es ist eine neue Schwierigkeit dabei entstanden. Serbien will nämlich die Regelung seiner Auseinander¬ setzung mit Österreich-Ungarn in die Hand der Großmächte legen. Es soll also nicht dabei bleiben, daß die Mächte, wie es jetzt geschehen ist, im Interesse des Friedens so weit eingreifen, wie es notwendig ist, um die Grundlage für Verhandlungen zu schaffen. Serbien möchte vielmehr, daß auch während der Verhandlungen die Gro߬ mächte ihre Hand darüber halten. Dafür fehlt nun freilich jede völkerrechtliche Unterlage. Der bisherige Souverän von Bosnien und der Herzegowina hat diese Länder in einem rechtsgiltigen Vertrage an die Habsburgische Monarchie abgetreten. Da hierdurch allerdings die Festsetzungen des Berliner Vertrags von 1878 berührt werden, so kann man um des Ansehens internationaler Verträge willen grundsätzlich fordern, daß dieser neue Rechtsstand von den Signatarmächten formell anerkannt wird. Aber weder haben die Signatarmächte die Möglichkeit, dieses bereits geordnete Rechtsverhältnis irgendwie umzustoßen, noch gehört Serbien zu den Signatarmächten des Berliner Kongresses. Vor allem aber kann es als völlig ausgeschlossen gelten, daß sich Österreich-Ungarn auf irgendwelche Verhandlungen mit Serbien einläßt, solange von feiten einer oder der andern Großmacht der Gedanke festgehalten wird, daß eine Kontrolle über diese Verhandlungen ausgeübt werden könnte. Österreich- Ungarn kann mit Serbien nur direkt und allein verhandeln. Deutschland hat nicht den geringsten Zweifel darüber gelassen, daß es auch in dieser Frage der österreichischen Politik einen festen Rückhalt bietet. Man darf wohl hoffen, daß Serbien sehr bald zu der Einsicht kommen wird, wie sehr es, nachdem einmal der Anspruch auf Gebietsentschädigung fallen gelassen ist, seinem eignen Interesse entspricht, daß die Verständigung mit Österreich-Ungarn allein gefunden wird. Das nationale Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/572>, abgerufen am 03.07.2024.