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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ronda

Spannung, daß wohl jedem Zuschauer das Blut stockt, als nun das Tier Miene
machte, den Angreifer auf seine Hörner zu spießen. Aber schnell wie der Blitz
entschlüpfte der gewandte Mensch, indem er den roten Mantel, die Capa, vor
den Augen des Stieres schwenkte, wodurch das Tier momentan den Gebrauch
der Sehkraft verliert. Die andern, dem Bombita zur Verfügung stehenden
Capadores, die aber nur im Augenblick der äußersten Gefahr dazwischenspringen
dürfen, um den Ruhm des Hauptkämpfers nicht zu schmälern, hielten sich noch
zurück. Der zweite Angriff erfolgte mit einem Stoß des Fechters zwischen die
Halswirbel. Aber nach einigen Sekunden schüttelte sich das Tier den Degen
ab. Nun zischte das Publikum, denn es verlangt in seiner Mordgier, daß das
Opfer gleich beim ersten Stich getötet werde. Mit dem dritten Angriff aber
wußte der Espada die Scharte auszuwetzen. Der Stier schwankte, brach zusammen
und wurde zur Abkürzung seiner Todesqual von einem Picador mit kurzem
Dolch erstochen. Jetzt brach die Begeisterung im Zuschauerraume los. weil der
Kampf "ein so glückliches Ende genommen" hatte. Man warf auf gut spanische
Manier Feldflaschen, Hüte, Blumen und Fächer in die Arena, um den Gefeierten
zu ehren, der mit dem herablassenden Lächeln eines Fürsten die Gegenstände
aufhob und zurückreichte. Ein kostbares Geschenk durfte er behalten, es war
eine mit Brillanten geschmückte goldne Uhr und ein ebensolcher Ring, das
Geschenk einer dem alten Adel des Landes angehörenden jungen Marques".

Inzwischen hatte man durch drei mit Schellen und Bändern phantastisch
aufgezäumte Maultiere den Stier sowie die verendeten Pferde hinausschleifen
lassen, um den Kampfplatz frei zu machen. Dann trat Gallito auf, ein eben¬
falls sehr beliebter Matador. Für jeden erlegten Stier bekommt der Fechter
5000 Pesetas, manche sogar 10 bis 15000. Man sieht, es ist bei diesem
einträglichen Gewerbe nicht schwer, Millionär zu werden. Der berühmte Fuentes
ist es schon lange, er tritt nur noch im Beisein des Königs auf. Er hat sich
ein schönes Landgut gekauft, und da er auch hier aus Liebhaberei seiner frühern
Beschäftigung gern huldigt, läßt er keinem seiner Stiere das Lebenslicht durch
einen Schlachter ausblasen, sondern befördert sie höchst eigenhändig auf
.künstlerische" Art ins Jenseits.

Wir konnten es nicht über uns gewinnen, der Vorstellung bis zum Schluß
beizuwohnen und die Ermordung sämtlicher Stiere mit einzusehn. deshalb
verließen wir den Zirkus lange vor dem Schluß. Sehr entrüstet waren darüber
einige reizende junge Spanierinnen in unsrer Nachbarschaft, die sich dem Genuß
""t wonnigem Grausen Hingaben. Sie hatten sich als teures Andenken einen
der blutgetränkten Banderillos. die im Sande der Arena lagen, um schweres
Geld von den Angestellten, die den Kampfplatz sauberem, erstanden. Eifrig
redeten sie auf uns ein, ihrem Beispiel zu folgen, und unbegreiflich erschien es
ihnen, daß wir auf diese grausige Trophäe verzichteten. In einer lungern Rede
setzten sie uns auseinander, daß es doch keine köstlichere Unterhaltung gäbe als
den Stierkampf und keine größern Helden aller Zeiten als die Matadores,


Ronda

Spannung, daß wohl jedem Zuschauer das Blut stockt, als nun das Tier Miene
machte, den Angreifer auf seine Hörner zu spießen. Aber schnell wie der Blitz
entschlüpfte der gewandte Mensch, indem er den roten Mantel, die Capa, vor
den Augen des Stieres schwenkte, wodurch das Tier momentan den Gebrauch
der Sehkraft verliert. Die andern, dem Bombita zur Verfügung stehenden
Capadores, die aber nur im Augenblick der äußersten Gefahr dazwischenspringen
dürfen, um den Ruhm des Hauptkämpfers nicht zu schmälern, hielten sich noch
zurück. Der zweite Angriff erfolgte mit einem Stoß des Fechters zwischen die
Halswirbel. Aber nach einigen Sekunden schüttelte sich das Tier den Degen
ab. Nun zischte das Publikum, denn es verlangt in seiner Mordgier, daß das
Opfer gleich beim ersten Stich getötet werde. Mit dem dritten Angriff aber
wußte der Espada die Scharte auszuwetzen. Der Stier schwankte, brach zusammen
und wurde zur Abkürzung seiner Todesqual von einem Picador mit kurzem
Dolch erstochen. Jetzt brach die Begeisterung im Zuschauerraume los. weil der
Kampf „ein so glückliches Ende genommen" hatte. Man warf auf gut spanische
Manier Feldflaschen, Hüte, Blumen und Fächer in die Arena, um den Gefeierten
zu ehren, der mit dem herablassenden Lächeln eines Fürsten die Gegenstände
aufhob und zurückreichte. Ein kostbares Geschenk durfte er behalten, es war
eine mit Brillanten geschmückte goldne Uhr und ein ebensolcher Ring, das
Geschenk einer dem alten Adel des Landes angehörenden jungen Marques«.

Inzwischen hatte man durch drei mit Schellen und Bändern phantastisch
aufgezäumte Maultiere den Stier sowie die verendeten Pferde hinausschleifen
lassen, um den Kampfplatz frei zu machen. Dann trat Gallito auf, ein eben¬
falls sehr beliebter Matador. Für jeden erlegten Stier bekommt der Fechter
5000 Pesetas, manche sogar 10 bis 15000. Man sieht, es ist bei diesem
einträglichen Gewerbe nicht schwer, Millionär zu werden. Der berühmte Fuentes
ist es schon lange, er tritt nur noch im Beisein des Königs auf. Er hat sich
ein schönes Landgut gekauft, und da er auch hier aus Liebhaberei seiner frühern
Beschäftigung gern huldigt, läßt er keinem seiner Stiere das Lebenslicht durch
einen Schlachter ausblasen, sondern befördert sie höchst eigenhändig auf
.künstlerische" Art ins Jenseits.

Wir konnten es nicht über uns gewinnen, der Vorstellung bis zum Schluß
beizuwohnen und die Ermordung sämtlicher Stiere mit einzusehn. deshalb
verließen wir den Zirkus lange vor dem Schluß. Sehr entrüstet waren darüber
einige reizende junge Spanierinnen in unsrer Nachbarschaft, die sich dem Genuß
""t wonnigem Grausen Hingaben. Sie hatten sich als teures Andenken einen
der blutgetränkten Banderillos. die im Sande der Arena lagen, um schweres
Geld von den Angestellten, die den Kampfplatz sauberem, erstanden. Eifrig
redeten sie auf uns ein, ihrem Beispiel zu folgen, und unbegreiflich erschien es
ihnen, daß wir auf diese grausige Trophäe verzichteten. In einer lungern Rede
setzten sie uns auseinander, daß es doch keine köstlichere Unterhaltung gäbe als
den Stierkampf und keine größern Helden aller Zeiten als die Matadores,


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[0557] Ronda Spannung, daß wohl jedem Zuschauer das Blut stockt, als nun das Tier Miene machte, den Angreifer auf seine Hörner zu spießen. Aber schnell wie der Blitz entschlüpfte der gewandte Mensch, indem er den roten Mantel, die Capa, vor den Augen des Stieres schwenkte, wodurch das Tier momentan den Gebrauch der Sehkraft verliert. Die andern, dem Bombita zur Verfügung stehenden Capadores, die aber nur im Augenblick der äußersten Gefahr dazwischenspringen dürfen, um den Ruhm des Hauptkämpfers nicht zu schmälern, hielten sich noch zurück. Der zweite Angriff erfolgte mit einem Stoß des Fechters zwischen die Halswirbel. Aber nach einigen Sekunden schüttelte sich das Tier den Degen ab. Nun zischte das Publikum, denn es verlangt in seiner Mordgier, daß das Opfer gleich beim ersten Stich getötet werde. Mit dem dritten Angriff aber wußte der Espada die Scharte auszuwetzen. Der Stier schwankte, brach zusammen und wurde zur Abkürzung seiner Todesqual von einem Picador mit kurzem Dolch erstochen. Jetzt brach die Begeisterung im Zuschauerraume los. weil der Kampf „ein so glückliches Ende genommen" hatte. Man warf auf gut spanische Manier Feldflaschen, Hüte, Blumen und Fächer in die Arena, um den Gefeierten zu ehren, der mit dem herablassenden Lächeln eines Fürsten die Gegenstände aufhob und zurückreichte. Ein kostbares Geschenk durfte er behalten, es war eine mit Brillanten geschmückte goldne Uhr und ein ebensolcher Ring, das Geschenk einer dem alten Adel des Landes angehörenden jungen Marques«. Inzwischen hatte man durch drei mit Schellen und Bändern phantastisch aufgezäumte Maultiere den Stier sowie die verendeten Pferde hinausschleifen lassen, um den Kampfplatz frei zu machen. Dann trat Gallito auf, ein eben¬ falls sehr beliebter Matador. Für jeden erlegten Stier bekommt der Fechter 5000 Pesetas, manche sogar 10 bis 15000. Man sieht, es ist bei diesem einträglichen Gewerbe nicht schwer, Millionär zu werden. Der berühmte Fuentes ist es schon lange, er tritt nur noch im Beisein des Königs auf. Er hat sich ein schönes Landgut gekauft, und da er auch hier aus Liebhaberei seiner frühern Beschäftigung gern huldigt, läßt er keinem seiner Stiere das Lebenslicht durch einen Schlachter ausblasen, sondern befördert sie höchst eigenhändig auf .künstlerische" Art ins Jenseits. Wir konnten es nicht über uns gewinnen, der Vorstellung bis zum Schluß beizuwohnen und die Ermordung sämtlicher Stiere mit einzusehn. deshalb verließen wir den Zirkus lange vor dem Schluß. Sehr entrüstet waren darüber einige reizende junge Spanierinnen in unsrer Nachbarschaft, die sich dem Genuß ""t wonnigem Grausen Hingaben. Sie hatten sich als teures Andenken einen der blutgetränkten Banderillos. die im Sande der Arena lagen, um schweres Geld von den Angestellten, die den Kampfplatz sauberem, erstanden. Eifrig redeten sie auf uns ein, ihrem Beispiel zu folgen, und unbegreiflich erschien es ihnen, daß wir auf diese grausige Trophäe verzichteten. In einer lungern Rede setzten sie uns auseinander, daß es doch keine köstlichere Unterhaltung gäbe als den Stierkampf und keine größern Helden aller Zeiten als die Matadores,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/557>, abgerufen am 12.12.2024.