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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ronda

Vor der Tribüne des Alkalden angelangt, verneigen sich die Teilnehmer
des Zuges feierlich vor dem Oberhaupt der Stadt, dann machen sie einen
Rundgang durch die ganze Arena, bejubelt vom Publikum. Mit goldnem
Schlüssel, den der Walde hinabwirft, öffnet man das Tor, durch das der erste
Stier in den Raum tritt, feierlich von allen aktiven Teilnehmern, die Spalier
bilden, erwartet. Schüchtern und scheu, zögernden Schrittes kam ein ganz junges
Tier herein, das die Situation offenbar gar nicht begriff. Die Picadores
schreckten es durch Lanzenstiche bald aus seiner Ruhe auf. Diese Männer müssen,
wie sämtliche Kämpfer, dem Angriff des Stiers von vorn begegnen und dürfen
das Tier niemals von der Seite verletzen. Um nun dicht herankommen zu
können, ist den Pferden, auf denen die Picadore reiten, das rechte Auge ver¬
bunden, und so sind diese beklagenswerten Tiere von vornherein dem Tode
geweiht, wenn des Toro erste Wut sich gegen diese wehrlosen Kreaturen wendet.
Schon nach einigen Minuten war der Stier so gründlich in Harnisch gebracht,
daß er nach den Stichen des Picadors diesen einfach mitsamt dem Pferde in
die Höhe hob, nachdem er seine Hörner zwischen Sattel und Roß eingeklemmt
hatte. Pferd und Reiter wurden mit einem Knalleffekt zur Erde geschleudert.
Schnell lenkten nun die Capadores mit dem Spiel ihrer Mäntel das wütende Tier
von seinen Opfern ab, und alsbald hatte es sich neuer Angreifer zu erwehren.
Die Banderilleros walteten nun ihres gefahrbringenden Amtes. Es handelt
sich darum.^daß dieser Kämpfer dem Stier zwei der mit zierlichen Bändern um-
wickelten'^Stube zugleich von vorn ins Fell sticht, und zwar muß der Augenblick
abgewartet werden, wo das Tier den Kopf senkt und Miene macht, den An¬
greifer auf die Hörner zu nehmen. Mit bewundernswerter Grazie und Schnellig¬
keit weiß der Banderillcro im kritischen Augenblick zurückzuspringen, um das Feld
einem ebenso gewandten Kameraden zu überlassen. Von den Widerhaken der
Banderilleros sickern bald breite Blutbänder an dem Körper des Tieres herab.

Nun erfolgt der Hauptakt. Der Matador oder Espada tritt vor die
Tribüne des Alkalden und grüßt diesen durch Abnehmen der Kopfbedeckung,
die, um nicht beim Kampf verloren zu gehn, durch einen künstlichen kurzen
Zopf gehalten wird. Der Anzug stimmt völlig mit den Kostümen überein, die
wir in der Oper Carmen auf der Bühne sahen. Die Farben, grün und weiß
mit Silber, standen der Erscheinung des berühmten Bombita vortrefflich. Der
kaum zwanzigjährige Mann, der zwei Degen trug -- einen in der rechten
Hand, einen in der linken in wagerechter Stellung mit darüber drapiertem
Mantel --, erwartete in der vorschriftsmäßigen Haltung sein Opfer, das er
nicht eher angreifen durfte, als bis es aMärg-av, das heißt breitbeinig auf den
vier Füßen vor ihm stand. Lange dauerte es, bis diese erwünschte Haltung er¬
folgte, inzwischen ermunterte der Fechter das Tier mit dem Anruf: 016, loro!
das heißt "Paß auf, Stier!" Als es endlich so weit war, stürzte Bombita auf
ihn mit gehobnem Degen zu, bereit, die Waffe in den zum Stoß geneigten
Nacken seines Gegners zu senken. Es war ein Augenblick voll so grausiger


Ronda

Vor der Tribüne des Alkalden angelangt, verneigen sich die Teilnehmer
des Zuges feierlich vor dem Oberhaupt der Stadt, dann machen sie einen
Rundgang durch die ganze Arena, bejubelt vom Publikum. Mit goldnem
Schlüssel, den der Walde hinabwirft, öffnet man das Tor, durch das der erste
Stier in den Raum tritt, feierlich von allen aktiven Teilnehmern, die Spalier
bilden, erwartet. Schüchtern und scheu, zögernden Schrittes kam ein ganz junges
Tier herein, das die Situation offenbar gar nicht begriff. Die Picadores
schreckten es durch Lanzenstiche bald aus seiner Ruhe auf. Diese Männer müssen,
wie sämtliche Kämpfer, dem Angriff des Stiers von vorn begegnen und dürfen
das Tier niemals von der Seite verletzen. Um nun dicht herankommen zu
können, ist den Pferden, auf denen die Picadore reiten, das rechte Auge ver¬
bunden, und so sind diese beklagenswerten Tiere von vornherein dem Tode
geweiht, wenn des Toro erste Wut sich gegen diese wehrlosen Kreaturen wendet.
Schon nach einigen Minuten war der Stier so gründlich in Harnisch gebracht,
daß er nach den Stichen des Picadors diesen einfach mitsamt dem Pferde in
die Höhe hob, nachdem er seine Hörner zwischen Sattel und Roß eingeklemmt
hatte. Pferd und Reiter wurden mit einem Knalleffekt zur Erde geschleudert.
Schnell lenkten nun die Capadores mit dem Spiel ihrer Mäntel das wütende Tier
von seinen Opfern ab, und alsbald hatte es sich neuer Angreifer zu erwehren.
Die Banderilleros walteten nun ihres gefahrbringenden Amtes. Es handelt
sich darum.^daß dieser Kämpfer dem Stier zwei der mit zierlichen Bändern um-
wickelten'^Stube zugleich von vorn ins Fell sticht, und zwar muß der Augenblick
abgewartet werden, wo das Tier den Kopf senkt und Miene macht, den An¬
greifer auf die Hörner zu nehmen. Mit bewundernswerter Grazie und Schnellig¬
keit weiß der Banderillcro im kritischen Augenblick zurückzuspringen, um das Feld
einem ebenso gewandten Kameraden zu überlassen. Von den Widerhaken der
Banderilleros sickern bald breite Blutbänder an dem Körper des Tieres herab.

Nun erfolgt der Hauptakt. Der Matador oder Espada tritt vor die
Tribüne des Alkalden und grüßt diesen durch Abnehmen der Kopfbedeckung,
die, um nicht beim Kampf verloren zu gehn, durch einen künstlichen kurzen
Zopf gehalten wird. Der Anzug stimmt völlig mit den Kostümen überein, die
wir in der Oper Carmen auf der Bühne sahen. Die Farben, grün und weiß
mit Silber, standen der Erscheinung des berühmten Bombita vortrefflich. Der
kaum zwanzigjährige Mann, der zwei Degen trug — einen in der rechten
Hand, einen in der linken in wagerechter Stellung mit darüber drapiertem
Mantel —, erwartete in der vorschriftsmäßigen Haltung sein Opfer, das er
nicht eher angreifen durfte, als bis es aMärg-av, das heißt breitbeinig auf den
vier Füßen vor ihm stand. Lange dauerte es, bis diese erwünschte Haltung er¬
folgte, inzwischen ermunterte der Fechter das Tier mit dem Anruf: 016, loro!
das heißt „Paß auf, Stier!" Als es endlich so weit war, stürzte Bombita auf
ihn mit gehobnem Degen zu, bereit, die Waffe in den zum Stoß geneigten
Nacken seines Gegners zu senken. Es war ein Augenblick voll so grausiger


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[0556] Ronda Vor der Tribüne des Alkalden angelangt, verneigen sich die Teilnehmer des Zuges feierlich vor dem Oberhaupt der Stadt, dann machen sie einen Rundgang durch die ganze Arena, bejubelt vom Publikum. Mit goldnem Schlüssel, den der Walde hinabwirft, öffnet man das Tor, durch das der erste Stier in den Raum tritt, feierlich von allen aktiven Teilnehmern, die Spalier bilden, erwartet. Schüchtern und scheu, zögernden Schrittes kam ein ganz junges Tier herein, das die Situation offenbar gar nicht begriff. Die Picadores schreckten es durch Lanzenstiche bald aus seiner Ruhe auf. Diese Männer müssen, wie sämtliche Kämpfer, dem Angriff des Stiers von vorn begegnen und dürfen das Tier niemals von der Seite verletzen. Um nun dicht herankommen zu können, ist den Pferden, auf denen die Picadore reiten, das rechte Auge ver¬ bunden, und so sind diese beklagenswerten Tiere von vornherein dem Tode geweiht, wenn des Toro erste Wut sich gegen diese wehrlosen Kreaturen wendet. Schon nach einigen Minuten war der Stier so gründlich in Harnisch gebracht, daß er nach den Stichen des Picadors diesen einfach mitsamt dem Pferde in die Höhe hob, nachdem er seine Hörner zwischen Sattel und Roß eingeklemmt hatte. Pferd und Reiter wurden mit einem Knalleffekt zur Erde geschleudert. Schnell lenkten nun die Capadores mit dem Spiel ihrer Mäntel das wütende Tier von seinen Opfern ab, und alsbald hatte es sich neuer Angreifer zu erwehren. Die Banderilleros walteten nun ihres gefahrbringenden Amtes. Es handelt sich darum.^daß dieser Kämpfer dem Stier zwei der mit zierlichen Bändern um- wickelten'^Stube zugleich von vorn ins Fell sticht, und zwar muß der Augenblick abgewartet werden, wo das Tier den Kopf senkt und Miene macht, den An¬ greifer auf die Hörner zu nehmen. Mit bewundernswerter Grazie und Schnellig¬ keit weiß der Banderillcro im kritischen Augenblick zurückzuspringen, um das Feld einem ebenso gewandten Kameraden zu überlassen. Von den Widerhaken der Banderilleros sickern bald breite Blutbänder an dem Körper des Tieres herab. Nun erfolgt der Hauptakt. Der Matador oder Espada tritt vor die Tribüne des Alkalden und grüßt diesen durch Abnehmen der Kopfbedeckung, die, um nicht beim Kampf verloren zu gehn, durch einen künstlichen kurzen Zopf gehalten wird. Der Anzug stimmt völlig mit den Kostümen überein, die wir in der Oper Carmen auf der Bühne sahen. Die Farben, grün und weiß mit Silber, standen der Erscheinung des berühmten Bombita vortrefflich. Der kaum zwanzigjährige Mann, der zwei Degen trug — einen in der rechten Hand, einen in der linken in wagerechter Stellung mit darüber drapiertem Mantel —, erwartete in der vorschriftsmäßigen Haltung sein Opfer, das er nicht eher angreifen durfte, als bis es aMärg-av, das heißt breitbeinig auf den vier Füßen vor ihm stand. Lange dauerte es, bis diese erwünschte Haltung er¬ folgte, inzwischen ermunterte der Fechter das Tier mit dem Anruf: 016, loro! das heißt „Paß auf, Stier!" Als es endlich so weit war, stürzte Bombita auf ihn mit gehobnem Degen zu, bereit, die Waffe in den zum Stoß geneigten Nacken seines Gegners zu senken. Es war ein Augenblick voll so grausiger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/556>, abgerufen am 03.07.2024.