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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ein Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

Kompagnie Grenadiers; denn die Grenadiers sind doch, deiner Meinung nach,
Kanaillen, aber ein xetit-mattre, ein Französechen, ein bon wol, ein Musikchen
und Komödiantechen, das scheint was Nobleres, das ist was Königliches v'est
6iMS ä'un xrinoe." Aber allmählich hatte Friedrich gelernt, seiner enthusiastischen
Neigung für das französische Wesen engere Schranken zu ziehen. Namentlich
hat er im Ernst und Scherz das Vorurteil bekämpft, daß eine französische Reise
und eilt längerer Aufenthalt in Paris ein Haupterfordernis aller guten Erziehung
sei. Am witzigsten vielleicht in der Loolö an zwoncle, Akt III, Sz. I: Die lieben
Deutschen iocmZws (lermNns) schickten ihre Söhne nach Frankreich, um sich dort
Esprit zu holen. Aber was bringen sie aus ihrem Verkehr mit Theaterdaweu
und xstits-wMres mit? Höchstens eine neue Mode und die Neigung, fremde
Fehler und Lächerlichkeiten nachzuahmen. Es ist dieselbe Tendenz, die in dem
LinW lÄ ovale obwaltet. Überhaupt darf man sage", daß der "Modenarr"
eine Art Vorstufe zu dem ernstern Lustspiele von 1743 bildet; beide ergänzen
sich gewissermaßen. Während Friedrich in der I^ol-> alö. aeneis das Bild des
Weidmanns zeichnet, der ebensowohl über feine gesellschaftliche Formen wie über
eine vorzügliche, auf sorgfältiger Kenntnis der antiken und modernen Literatur
aufgebaute allgemeine Bildung verfügt, zeigt er uns in dem Lings et<z ig, moäö
die Karikatur dieses Weidmanns einen jungen Mann, der dadurch weltmännisch
zu sein glaubt, daß er jede Mode von Paris nachahmt.

Wer von den Zuschauern mochte ahnen, daß die jungen Gatten, vor denen das
übermütige Stück gespielt wurde, sobald für immer auseinandergerissen werden
würden. Kaum drei Jahre hat das Eheglück Keyserlings gedauert. Im Jahre 1744
schenkte ihm seine Gattin eine Tochter, der König selbst hob sie am 15. Juli aus der
Taufe und nannte sie wie die Braut seines schwankes Adelaide. Vier Wochen
später zog er abermals ins Feld, um zu behaupten, was er durch den ersten
glücklichen Krieg gewonnen hatte. Cäsarion konnte ihn nicht begleiten. Seine
Gesundheit, auf die er niemals Rücksicht genommen hatte, war seit längerer Zeit
schwankend. Heftige gichtische Schmerzen quälten ihn. Sein Zustand verschlimmerte
sich plötzlich. Am 13. August 1745 erlag er seinen Leiden.

Es war ein Verlust, der Friedrich ans Herz griff. "Als ich am 12. August
meinen letzten Brief an Sie richtete, schreibt er seiner mütterlichen Freundin,
der Frau von Camas, war meine Seele ruhig. Ich ahnte das Unglück nicht,
das mich treffen sollte." "Cäsarion ist nicht mehr", sagt er in einem den
"Manen des Freundes" gewidmeten Gedichte. "Hundert Dolche durchbohren
mein Herz, Ich hielt meine Seele für unempfänglich gegen jeden Schmerz. Aber
wie bitter habe ich mich getäuscht. Ich sehe den Tag, Cäsarion sieht ihn nicht
mehr. Ich bleibe allein zurück in dieser weiten Welt!"




Ein Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

Kompagnie Grenadiers; denn die Grenadiers sind doch, deiner Meinung nach,
Kanaillen, aber ein xetit-mattre, ein Französechen, ein bon wol, ein Musikchen
und Komödiantechen, das scheint was Nobleres, das ist was Königliches v'est
6iMS ä'un xrinoe." Aber allmählich hatte Friedrich gelernt, seiner enthusiastischen
Neigung für das französische Wesen engere Schranken zu ziehen. Namentlich
hat er im Ernst und Scherz das Vorurteil bekämpft, daß eine französische Reise
und eilt längerer Aufenthalt in Paris ein Haupterfordernis aller guten Erziehung
sei. Am witzigsten vielleicht in der Loolö an zwoncle, Akt III, Sz. I: Die lieben
Deutschen iocmZws (lermNns) schickten ihre Söhne nach Frankreich, um sich dort
Esprit zu holen. Aber was bringen sie aus ihrem Verkehr mit Theaterdaweu
und xstits-wMres mit? Höchstens eine neue Mode und die Neigung, fremde
Fehler und Lächerlichkeiten nachzuahmen. Es ist dieselbe Tendenz, die in dem
LinW lÄ ovale obwaltet. Überhaupt darf man sage», daß der „Modenarr"
eine Art Vorstufe zu dem ernstern Lustspiele von 1743 bildet; beide ergänzen
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Weidmanns zeichnet, der ebensowohl über feine gesellschaftliche Formen wie über
eine vorzügliche, auf sorgfältiger Kenntnis der antiken und modernen Literatur
aufgebaute allgemeine Bildung verfügt, zeigt er uns in dem Lings et<z ig, moäö
die Karikatur dieses Weidmanns einen jungen Mann, der dadurch weltmännisch
zu sein glaubt, daß er jede Mode von Paris nachahmt.

Wer von den Zuschauern mochte ahnen, daß die jungen Gatten, vor denen das
übermütige Stück gespielt wurde, sobald für immer auseinandergerissen werden
würden. Kaum drei Jahre hat das Eheglück Keyserlings gedauert. Im Jahre 1744
schenkte ihm seine Gattin eine Tochter, der König selbst hob sie am 15. Juli aus der
Taufe und nannte sie wie die Braut seines schwankes Adelaide. Vier Wochen
später zog er abermals ins Feld, um zu behaupten, was er durch den ersten
glücklichen Krieg gewonnen hatte. Cäsarion konnte ihn nicht begleiten. Seine
Gesundheit, auf die er niemals Rücksicht genommen hatte, war seit längerer Zeit
schwankend. Heftige gichtische Schmerzen quälten ihn. Sein Zustand verschlimmerte
sich plötzlich. Am 13. August 1745 erlag er seinen Leiden.

Es war ein Verlust, der Friedrich ans Herz griff. „Als ich am 12. August
meinen letzten Brief an Sie richtete, schreibt er seiner mütterlichen Freundin,
der Frau von Camas, war meine Seele ruhig. Ich ahnte das Unglück nicht,
das mich treffen sollte." „Cäsarion ist nicht mehr", sagt er in einem den
„Manen des Freundes" gewidmeten Gedichte. „Hundert Dolche durchbohren
mein Herz, Ich hielt meine Seele für unempfänglich gegen jeden Schmerz. Aber
wie bitter habe ich mich getäuscht. Ich sehe den Tag, Cäsarion sieht ihn nicht
mehr. Ich bleibe allein zurück in dieser weiten Welt!"




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/47>, abgerufen am 12.12.2024.