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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

Adelmdenö Mutter hat schon einige leise Striche von der köstlichen
Figur der Mad. Argon in der Schule der Welt. Adelaide ist so erzogen, wie
nach Friedrichs Meinung ein junges Mädchen nicht sein soll. Bewußt oder
unbewußt hat er ihr einige Züge von der eignen ungeliebten Gattin gegeben.
Wohlerzogen, modeste eingezogen, so müssen die Frauen sein, hatte ihm sein
Vater geschrieben, als er ihm mitteilte, daß er die Prinzessin von Bevern-Braun-
schweig für ihn ausgesucht habe. Sie ist ein gottessttrchtiges Mensch, und das
M alles.. ^ ..^ ^ 'v^ /^ .-^

^ Friedrich hätte auf Adelaide anwenden können, was er Grumbkow gesagt
hat, als dieser die Frömmigkeit seiner Braut rühmte: "Mir wäre lieber, sie
könnte Molieres Ueolv dos teinrnes und Aos Ug-ris auswendig als Arndts
wahres Christentum." Leise klingen hier einige Thema an, die Friedrich in der
Voolk und andern Schriften ausführlicher erörtert hat. Die Frage, ob es recht
ist, über die Hand eines Kindes zu verfügen, ohne es selbst zu befragen; eine
Andeutung von den Gefahren, denen ein Mensch, der fremd in die Ehe geht,
ausgesetzt ist. Spott über die jungen Leute von vornehmer Abkunft, die zu
Hause bleiben, während die eisernen Würfel über das Schicksal des Vater¬
landes geworfen werden, ein Spott, der sich später in seinem berühmten Brief
über "Erziehung" zu herbem Tadel verhärtet hat. Doch das kleine Stück hat
auch eine ernste Tendenz. "Seid natürlich, selbständig", ist die Lehret die es
uns gibt. Es spielt in Paris, aber Friedrich hätte ebensogut, wie in seinem
spätern Lustspiel, den Schauplatz nach Berlin verlegen können, denn seine eignen
Landsleute sind es, denen er diese Mahnung zuruft. /

Trotz seiner enthusiastischen Bewunderung für die französischen Klassiker
hat Friedrich oft gegen die blinde Vorliebe für alles französische Wesen ge¬
eifert. Er fühlte sich im Innersten verletzt, daß die Pariser den Anspruch er¬
hoben, den Esprit gleichsam in Erbpacht genommen zu haben. Wie oft hat
er, zumal in spätern Jahren, seinen Spott darüber ergossen. Nirgends amüsanter
als in seinem ein Menschennlter später erschienenen komischen Epos vom
Konföderationskriege,*) wo er die Göttin Sottise den Ausspruch tun läßt:
"Paris ist das ungeheure Magazin des Esprit, es ist ja ein wahres Wunder^
aber tatsächlich noch nie vorgekommen, daß ein Mensch außerhalb der Grenzen
Frankreichs Esprit gehabt hat."

Einst hatte König Friedrich Wilhelm, als der Sohn von Küstrin aus die
Bitte an ihn richtete, wieder die Uniform anlegen zu dürfen, erwidert: "Was
gilt es, wenn ich dir recht dein Herz kitzelte, wenn ich aus Paris einen
inMrs cle Mes mit etlichen zwölf Flöten und Musiquebüchern, ingleichen eine
ganze Bande von Komödianten und ein großes Orchester kommen ließe, wenn
ich Franzosen und Französinnen, auch ein paar Dutzend Tanzmeister nebst einem
Dutzend xstits-mMrss verschriebe, so würde dir dieses besser gefallen als eine



*) G. Peiser, über Friedrichs BurK Posen,
1S04. S, 39. > ^ -^
Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

Adelmdenö Mutter hat schon einige leise Striche von der köstlichen
Figur der Mad. Argon in der Schule der Welt. Adelaide ist so erzogen, wie
nach Friedrichs Meinung ein junges Mädchen nicht sein soll. Bewußt oder
unbewußt hat er ihr einige Züge von der eignen ungeliebten Gattin gegeben.
Wohlerzogen, modeste eingezogen, so müssen die Frauen sein, hatte ihm sein
Vater geschrieben, als er ihm mitteilte, daß er die Prinzessin von Bevern-Braun-
schweig für ihn ausgesucht habe. Sie ist ein gottessttrchtiges Mensch, und das
M alles.. ^ ..^ ^ 'v^ /^ .-^

^ Friedrich hätte auf Adelaide anwenden können, was er Grumbkow gesagt
hat, als dieser die Frömmigkeit seiner Braut rühmte: „Mir wäre lieber, sie
könnte Molieres Ueolv dos teinrnes und Aos Ug-ris auswendig als Arndts
wahres Christentum." Leise klingen hier einige Thema an, die Friedrich in der
Voolk und andern Schriften ausführlicher erörtert hat. Die Frage, ob es recht
ist, über die Hand eines Kindes zu verfügen, ohne es selbst zu befragen; eine
Andeutung von den Gefahren, denen ein Mensch, der fremd in die Ehe geht,
ausgesetzt ist. Spott über die jungen Leute von vornehmer Abkunft, die zu
Hause bleiben, während die eisernen Würfel über das Schicksal des Vater¬
landes geworfen werden, ein Spott, der sich später in seinem berühmten Brief
über „Erziehung" zu herbem Tadel verhärtet hat. Doch das kleine Stück hat
auch eine ernste Tendenz. „Seid natürlich, selbständig", ist die Lehret die es
uns gibt. Es spielt in Paris, aber Friedrich hätte ebensogut, wie in seinem
spätern Lustspiel, den Schauplatz nach Berlin verlegen können, denn seine eignen
Landsleute sind es, denen er diese Mahnung zuruft. /

Trotz seiner enthusiastischen Bewunderung für die französischen Klassiker
hat Friedrich oft gegen die blinde Vorliebe für alles französische Wesen ge¬
eifert. Er fühlte sich im Innersten verletzt, daß die Pariser den Anspruch er¬
hoben, den Esprit gleichsam in Erbpacht genommen zu haben. Wie oft hat
er, zumal in spätern Jahren, seinen Spott darüber ergossen. Nirgends amüsanter
als in seinem ein Menschennlter später erschienenen komischen Epos vom
Konföderationskriege,*) wo er die Göttin Sottise den Ausspruch tun läßt:
„Paris ist das ungeheure Magazin des Esprit, es ist ja ein wahres Wunder^
aber tatsächlich noch nie vorgekommen, daß ein Mensch außerhalb der Grenzen
Frankreichs Esprit gehabt hat."

Einst hatte König Friedrich Wilhelm, als der Sohn von Küstrin aus die
Bitte an ihn richtete, wieder die Uniform anlegen zu dürfen, erwidert: „Was
gilt es, wenn ich dir recht dein Herz kitzelte, wenn ich aus Paris einen
inMrs cle Mes mit etlichen zwölf Flöten und Musiquebüchern, ingleichen eine
ganze Bande von Komödianten und ein großes Orchester kommen ließe, wenn
ich Franzosen und Französinnen, auch ein paar Dutzend Tanzmeister nebst einem
Dutzend xstits-mMrss verschriebe, so würde dir dieses besser gefallen als eine



*) G. Peiser, über Friedrichs BurK Posen,
1S04. S, 39. > ^ -^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/46>, abgerufen am 12.12.2024.