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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Btto Gildemeister, Ludwig Ba"iberger, Alexander Meyer

preußischen Konservativen huldigten seinen Grundsätzen. Treitschke war ein
eifriger Freihändler, Bismcirck nicht minder, dieser auch noch ein ausge-
sprochner Vorkämpfer der Gewerbefreiheit gegen das Zunftwesen, das ihm bei
seinem Frankfurter Aufenthalt äußerst lästig und reaktionär erschienen war.

Doch in diesem Gegensatz erschöpften sich die damaligen Bestrebungen
nicht. Gildemeister war 1848 ein ausgesprochen liberaler Unitarier, aber
(obwohl in seinem Kleinstaat ein Republikaner) kein Anhänger des Gedankens
um eine deutsche Republik. Demgemäß war er kein Parteigänger Henkers,
Karl Vogts, des jungen Ludwig Bamberger. Er war und blieb ein Liberaler
sowohl im Sturmjahre wie auch in der Reaktion der fünfziger Jahre. Außer¬
dem war er ein nationaler. In jener Zeit, wo der Partikularismus wieder
Orgien feierte, wo Olmütz seine Herrschaft neu begründet hatte, wo Preußen
und andre Staaten den Natioualverein verboten, vertrat Gildemeister mit der
größten Dreistigkeit den Gedanken der Einigung Deutschlands auf liberaler
Grundlage. Es war damals fast nur die Weserzeituug, die das wagen konnte,
und auch sie erlitt das Schicksal, in Preußen verboten zu werden. Gilde¬
meister wurde in Bayern zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die freilich
niemals vollstreckt wurde. Daß er damals ein so schneidiger Vorkämpfer der
preußischen Spitze unter Ausscheidung Österreichs gewesen wäre, wie man
zuweilen liest, ist nicht ganz richtig. Ihm stand Preußen wesentlich als
die reaktionäre Macht unter Leitung Manteuffels und nach Unterbrechung
durch das Ministerium der neuen Ära Bismarcks von 1862 bis 1864 vor
der Seele.

Vielmehr war es damals Alexander Meyer, der den Glaube" an die
Zukunft des schwarz-weißen Banners anfachte und in Bremen, in ganz Nord-
westdentschland (in einem gewissen Gegensatz zu dem österreichisch gesinnten
Hamburg, namentlich aber zur hannoverschen Regierung und zum Welfentum)
zur Herrschaft brachte. Meyer, geboren am 22. Februar 1832 zu Berlin,
war 1864 bis 1866 Mitredakteur der Weserzeitung. Gildemeister war 1852
aus dem Redaktionsverbande ausgetreten und Senatssekretär, 1857 Mitglied
des bremischen Senats geworden. Er blieb aber bis zu seinem 1902 er¬
folgten Tode in enger Verbindung mit ihr. Den Stempel, den er ihr auf¬
gedrückt hat, trägt sie noch heute, nur, der Zeit entsprechend, mit einer ge¬
wissen Abschwächung des Manchestertums. Als der von ihr vertretne nationale
Gedanke 1864 und vollends 1866 zum Siege gelangt war, zog es Alexander
Meyer auf einen größer" Schallplatz. Er wandte sich nach Preußen zurück.
Seine bürgerliche Stellung war von 1866 bis 1871 die des Sekretärs der
Breslauer Handelskammer, dann bis 1876 des Generalsekretärs des Deutschen
Handelstages, endlich bis 1879 des Chefredakteurs der Schlesischen Presse in
Breslau, worauf er als freier Publizist in Berlin lebte. Fast dreißig. Jahre
weitreichender Wirksamkeit waren ihm hier beschieden, wenn auch schließlich
und einem politischen Mißerfolg, wie weiterhin zu berühren sein wird. Von


Btto Gildemeister, Ludwig Ba»iberger, Alexander Meyer

preußischen Konservativen huldigten seinen Grundsätzen. Treitschke war ein
eifriger Freihändler, Bismcirck nicht minder, dieser auch noch ein ausge-
sprochner Vorkämpfer der Gewerbefreiheit gegen das Zunftwesen, das ihm bei
seinem Frankfurter Aufenthalt äußerst lästig und reaktionär erschienen war.

Doch in diesem Gegensatz erschöpften sich die damaligen Bestrebungen
nicht. Gildemeister war 1848 ein ausgesprochen liberaler Unitarier, aber
(obwohl in seinem Kleinstaat ein Republikaner) kein Anhänger des Gedankens
um eine deutsche Republik. Demgemäß war er kein Parteigänger Henkers,
Karl Vogts, des jungen Ludwig Bamberger. Er war und blieb ein Liberaler
sowohl im Sturmjahre wie auch in der Reaktion der fünfziger Jahre. Außer¬
dem war er ein nationaler. In jener Zeit, wo der Partikularismus wieder
Orgien feierte, wo Olmütz seine Herrschaft neu begründet hatte, wo Preußen
und andre Staaten den Natioualverein verboten, vertrat Gildemeister mit der
größten Dreistigkeit den Gedanken der Einigung Deutschlands auf liberaler
Grundlage. Es war damals fast nur die Weserzeituug, die das wagen konnte,
und auch sie erlitt das Schicksal, in Preußen verboten zu werden. Gilde¬
meister wurde in Bayern zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die freilich
niemals vollstreckt wurde. Daß er damals ein so schneidiger Vorkämpfer der
preußischen Spitze unter Ausscheidung Österreichs gewesen wäre, wie man
zuweilen liest, ist nicht ganz richtig. Ihm stand Preußen wesentlich als
die reaktionäre Macht unter Leitung Manteuffels und nach Unterbrechung
durch das Ministerium der neuen Ära Bismarcks von 1862 bis 1864 vor
der Seele.

Vielmehr war es damals Alexander Meyer, der den Glaube» an die
Zukunft des schwarz-weißen Banners anfachte und in Bremen, in ganz Nord-
westdentschland (in einem gewissen Gegensatz zu dem österreichisch gesinnten
Hamburg, namentlich aber zur hannoverschen Regierung und zum Welfentum)
zur Herrschaft brachte. Meyer, geboren am 22. Februar 1832 zu Berlin,
war 1864 bis 1866 Mitredakteur der Weserzeitung. Gildemeister war 1852
aus dem Redaktionsverbande ausgetreten und Senatssekretär, 1857 Mitglied
des bremischen Senats geworden. Er blieb aber bis zu seinem 1902 er¬
folgten Tode in enger Verbindung mit ihr. Den Stempel, den er ihr auf¬
gedrückt hat, trägt sie noch heute, nur, der Zeit entsprechend, mit einer ge¬
wissen Abschwächung des Manchestertums. Als der von ihr vertretne nationale
Gedanke 1864 und vollends 1866 zum Siege gelangt war, zog es Alexander
Meyer auf einen größer» Schallplatz. Er wandte sich nach Preußen zurück.
Seine bürgerliche Stellung war von 1866 bis 1871 die des Sekretärs der
Breslauer Handelskammer, dann bis 1876 des Generalsekretärs des Deutschen
Handelstages, endlich bis 1879 des Chefredakteurs der Schlesischen Presse in
Breslau, worauf er als freier Publizist in Berlin lebte. Fast dreißig. Jahre
weitreichender Wirksamkeit waren ihm hier beschieden, wenn auch schließlich
und einem politischen Mißerfolg, wie weiterhin zu berühren sein wird. Von


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[0440] Btto Gildemeister, Ludwig Ba»iberger, Alexander Meyer preußischen Konservativen huldigten seinen Grundsätzen. Treitschke war ein eifriger Freihändler, Bismcirck nicht minder, dieser auch noch ein ausge- sprochner Vorkämpfer der Gewerbefreiheit gegen das Zunftwesen, das ihm bei seinem Frankfurter Aufenthalt äußerst lästig und reaktionär erschienen war. Doch in diesem Gegensatz erschöpften sich die damaligen Bestrebungen nicht. Gildemeister war 1848 ein ausgesprochen liberaler Unitarier, aber (obwohl in seinem Kleinstaat ein Republikaner) kein Anhänger des Gedankens um eine deutsche Republik. Demgemäß war er kein Parteigänger Henkers, Karl Vogts, des jungen Ludwig Bamberger. Er war und blieb ein Liberaler sowohl im Sturmjahre wie auch in der Reaktion der fünfziger Jahre. Außer¬ dem war er ein nationaler. In jener Zeit, wo der Partikularismus wieder Orgien feierte, wo Olmütz seine Herrschaft neu begründet hatte, wo Preußen und andre Staaten den Natioualverein verboten, vertrat Gildemeister mit der größten Dreistigkeit den Gedanken der Einigung Deutschlands auf liberaler Grundlage. Es war damals fast nur die Weserzeituug, die das wagen konnte, und auch sie erlitt das Schicksal, in Preußen verboten zu werden. Gilde¬ meister wurde in Bayern zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die freilich niemals vollstreckt wurde. Daß er damals ein so schneidiger Vorkämpfer der preußischen Spitze unter Ausscheidung Österreichs gewesen wäre, wie man zuweilen liest, ist nicht ganz richtig. Ihm stand Preußen wesentlich als die reaktionäre Macht unter Leitung Manteuffels und nach Unterbrechung durch das Ministerium der neuen Ära Bismarcks von 1862 bis 1864 vor der Seele. Vielmehr war es damals Alexander Meyer, der den Glaube» an die Zukunft des schwarz-weißen Banners anfachte und in Bremen, in ganz Nord- westdentschland (in einem gewissen Gegensatz zu dem österreichisch gesinnten Hamburg, namentlich aber zur hannoverschen Regierung und zum Welfentum) zur Herrschaft brachte. Meyer, geboren am 22. Februar 1832 zu Berlin, war 1864 bis 1866 Mitredakteur der Weserzeitung. Gildemeister war 1852 aus dem Redaktionsverbande ausgetreten und Senatssekretär, 1857 Mitglied des bremischen Senats geworden. Er blieb aber bis zu seinem 1902 er¬ folgten Tode in enger Verbindung mit ihr. Den Stempel, den er ihr auf¬ gedrückt hat, trägt sie noch heute, nur, der Zeit entsprechend, mit einer ge¬ wissen Abschwächung des Manchestertums. Als der von ihr vertretne nationale Gedanke 1864 und vollends 1866 zum Siege gelangt war, zog es Alexander Meyer auf einen größer» Schallplatz. Er wandte sich nach Preußen zurück. Seine bürgerliche Stellung war von 1866 bis 1871 die des Sekretärs der Breslauer Handelskammer, dann bis 1876 des Generalsekretärs des Deutschen Handelstages, endlich bis 1879 des Chefredakteurs der Schlesischen Presse in Breslau, worauf er als freier Publizist in Berlin lebte. Fast dreißig. Jahre weitreichender Wirksamkeit waren ihm hier beschieden, wenn auch schließlich und einem politischen Mißerfolg, wie weiterhin zu berühren sein wird. Von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/440>, abgerufen am 12.12.2024.