Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen Man müsse freilich geschickt zu Werke gehn und die Vorurteile des Die zweite Szene zeigt uns den Neffen, den Marquis de la Faridondiere Dem Marquis ist es ganz gleich, ob es Ladenhüter sind, die ihm der Friedrich hat sich hier, wenn ich die Vermutung wagen darf, vielleicht Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen Man müsse freilich geschickt zu Werke gehn und die Vorurteile des Die zweite Szene zeigt uns den Neffen, den Marquis de la Faridondiere Dem Marquis ist es ganz gleich, ob es Ladenhüter sind, die ihm der Friedrich hat sich hier, wenn ich die Vermutung wagen darf, vielleicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312391"/> <fw type="header" place="top"> Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen</fw><lb/> <p xml:id="ID_130"> Man müsse freilich geschickt zu Werke gehn und die Vorurteile des<lb/> jungen Mannes schonen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man immer<lb/> zum Ziel gelangt, wenn man den Charakter eines Menschen studiert und seine<lb/> Schwächen geschickt benützt.</p><lb/> <p xml:id="ID_131"> Die zweite Szene zeigt uns den Neffen, den Marquis de la Faridondiere<lb/> (der Name hängt wohl mit lÄrck — Schminke zusammen), im Gespräch mit<lb/> seinem Diener Fröhlich (I^g. Rchouiss^iKZö). Er hat eben die neuen Bücher¬<lb/> schränke ausmessen lassen und zu seinem Schrecken gesehen, daß die 1500 Bände,<lb/> die er beim Buchhändler bestellt hat, sie nicht ganz vollständig füllen würden.<lb/> Der Buchhändler wird gerufen, und der Marquis bestellt bei ihm noch sechs<lb/> Ellen Bücher. Der Buchhändler ist in einiger Verlegenheit. Er habe dem<lb/> Marquis schon alles geliefert, was er nur von wertvoller Literatur in seinem<lb/> Laden gehabt habe. Jetzt habe er nur noch dreißig Exemplare von den Werken<lb/> Marivaux, hundert von denen Se. Pierres und ebensoviel von der Philosophie<lb/> M. Des Champs vorrätig. Aber diese habe er schon so lange auf Lager, daß<lb/> er nicht gewagt habe, sie dem Marquis anzubieten. Die Geißelhiebe, die<lb/> Friedrich hier austeilt, gelten literarischen Gegnern. Der Abbi Se. Pierre,<lb/> ein Schwärmer für den ewigen Frieden, hatte in einer Studie „Das politische<lb/> Rätsel" auf den seltsamen Widerspruch hingewiesen, daß der Verfasser des<lb/> „Antimacchiavell" nach kriegerischen Lorbeeren geize. Der Berliner Prediger<lb/> Jean Des Champs, einst Friedrichs Hausgenosse ins Rheinsberg, hatte in einem<lb/> Lehrbuch der Wolffschen Philosophie, von der sich Friedrich eben damals mit<lb/> Entschiedenheit abwandte, Voltaire verspottet. Ein Angriff, den der König bei<lb/> der Innigkeit der Beziehungen, die damals zwischen Potsdam und Cirey be¬<lb/> standen, gewissermaßen persönlich nahm. Vor allem aber wollte Friedrich, wie<lb/> er es auch sonst gern getan hat, die Abwendung der französischen Bühne von<lb/> der Charakterkomödie Molieres und die neue Richtung des Familienstücks, die<lb/> sich an die Namen Marivaux, Destouches und Nivelle de la Chansee knüpfte,<lb/> treffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_132"> Dem Marquis ist es ganz gleich, ob es Ladenhüter sind, die ihm der<lb/> Buchhändler empfiehlt, oder nicht. Wenn die Bücher hübsch eingebunden seien<lb/> (Marivaux und Se. Pierre in Maroquin), werden sie sich sehr hübsch aus¬<lb/> nehmen und eine Zierde des Bücherschranks sein. Jetzt geht aber auch kein<lb/> Atom mehr in die Bücherregale hinein, sagt er zum Diener. Dieser versteht<lb/> boums und meint, allerdings würde kein Mensch hineinkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_133"> Friedrich hat sich hier, wenn ich die Vermutung wagen darf, vielleicht<lb/> in heiterer Laune selbst verspottet, hatte er sich doch als Kronprinz mit Duham<lb/> de Janduns Hilfe, ohne Vorwissen seines Vaters, eine Bibliothek von einigen<lb/> tausend Bünden zusammengebracht, ohne sie eigentlich ausnutzen zu können,<lb/> denn er konnte das Haus, worin sie aufgestellt war, nur verstohlen besuchen.<lb/> Sie ist dann, als der Vater hinter das Geheimnis kam, in Fässer gepackt und<lb/> nach Amsterdam geschickt worden, wo sie verkauft wurde.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen
Man müsse freilich geschickt zu Werke gehn und die Vorurteile des
jungen Mannes schonen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man immer
zum Ziel gelangt, wenn man den Charakter eines Menschen studiert und seine
Schwächen geschickt benützt.
Die zweite Szene zeigt uns den Neffen, den Marquis de la Faridondiere
(der Name hängt wohl mit lÄrck — Schminke zusammen), im Gespräch mit
seinem Diener Fröhlich (I^g. Rchouiss^iKZö). Er hat eben die neuen Bücher¬
schränke ausmessen lassen und zu seinem Schrecken gesehen, daß die 1500 Bände,
die er beim Buchhändler bestellt hat, sie nicht ganz vollständig füllen würden.
Der Buchhändler wird gerufen, und der Marquis bestellt bei ihm noch sechs
Ellen Bücher. Der Buchhändler ist in einiger Verlegenheit. Er habe dem
Marquis schon alles geliefert, was er nur von wertvoller Literatur in seinem
Laden gehabt habe. Jetzt habe er nur noch dreißig Exemplare von den Werken
Marivaux, hundert von denen Se. Pierres und ebensoviel von der Philosophie
M. Des Champs vorrätig. Aber diese habe er schon so lange auf Lager, daß
er nicht gewagt habe, sie dem Marquis anzubieten. Die Geißelhiebe, die
Friedrich hier austeilt, gelten literarischen Gegnern. Der Abbi Se. Pierre,
ein Schwärmer für den ewigen Frieden, hatte in einer Studie „Das politische
Rätsel" auf den seltsamen Widerspruch hingewiesen, daß der Verfasser des
„Antimacchiavell" nach kriegerischen Lorbeeren geize. Der Berliner Prediger
Jean Des Champs, einst Friedrichs Hausgenosse ins Rheinsberg, hatte in einem
Lehrbuch der Wolffschen Philosophie, von der sich Friedrich eben damals mit
Entschiedenheit abwandte, Voltaire verspottet. Ein Angriff, den der König bei
der Innigkeit der Beziehungen, die damals zwischen Potsdam und Cirey be¬
standen, gewissermaßen persönlich nahm. Vor allem aber wollte Friedrich, wie
er es auch sonst gern getan hat, die Abwendung der französischen Bühne von
der Charakterkomödie Molieres und die neue Richtung des Familienstücks, die
sich an die Namen Marivaux, Destouches und Nivelle de la Chansee knüpfte,
treffen.
Dem Marquis ist es ganz gleich, ob es Ladenhüter sind, die ihm der
Buchhändler empfiehlt, oder nicht. Wenn die Bücher hübsch eingebunden seien
(Marivaux und Se. Pierre in Maroquin), werden sie sich sehr hübsch aus¬
nehmen und eine Zierde des Bücherschranks sein. Jetzt geht aber auch kein
Atom mehr in die Bücherregale hinein, sagt er zum Diener. Dieser versteht
boums und meint, allerdings würde kein Mensch hineinkommen.
Friedrich hat sich hier, wenn ich die Vermutung wagen darf, vielleicht
in heiterer Laune selbst verspottet, hatte er sich doch als Kronprinz mit Duham
de Janduns Hilfe, ohne Vorwissen seines Vaters, eine Bibliothek von einigen
tausend Bünden zusammengebracht, ohne sie eigentlich ausnutzen zu können,
denn er konnte das Haus, worin sie aufgestellt war, nur verstohlen besuchen.
Sie ist dann, als der Vater hinter das Geheimnis kam, in Fässer gepackt und
nach Amsterdam geschickt worden, wo sie verkauft wurde.
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