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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

bürgten Tradition nach auch der gefeierte Bernhard von Clairvaux-- beiwohnten,
und wo die Sammlung von vorläufigen, ungeordneten Aufzeichnungen zustande kam,
die man nach Prutzens Ansicht irrtümlich als die "Regel von Troyes" bezeichnet
hat/ Die endgiltige Abfassung der Regel wurde vielmehr aufgeschoben, bis sich der
Patriarch von Jerusalem über gewisse Fragen geäußert hätte.

Hatte also der Aufenthalt in Troyes für Hugo de Papus nicht den gewünschten
Erfolg, so führte ihm die im Anschluß daran unternommne Reise durch Frankreich,
England, Schottland und möglicherweise auch durch Spanien zahlreiche begeisterte
Anhänger zu, besonders aus den Kreisen von Rittern, die "um ihrer Freveltaten
willen, insbesondre, wegen Brandlegung und Vergewaltigung von Geistlichen aus der
Gemeinschaft der Kirche ausgestoßen waren, durch ihren Eintritt Gelegenheit er¬
hielten, sich vom Banne zu lösen und ihre Schuld durch den Kampf gegen die
Ungläubigen zu sühnen".

Die wirksamste Propaganda für die Bestrebungen Hugo de Papus und seiner
Anhänger machte Bernhard von Clairvaux mit seinem Traktat I)s lauÄs novao
militiqcz. Das schnelle Wachstum der Genossenschaft erscheint ihm wie ein durch
göttliche Fügung geschehenes Wunder. "Eine besonders segensreiche soziale Wirkung
des Ordens, schreibt Prutz, sieht er darin, daß das Abendland durch ihn eine Menge,
sittlich, bedenklicher und gefährlicher Elemente los wird, indem zahlreiche Räuber,
Heiligtumschänder und Mörder, Meineidige und Ehebrecher nach dem Osten entfernt
werden, wo man sich ihrer als Helfer gegen die Ungläubigen aufrichtig freut."

Das merkwürdigste ist jedoch, daß die Tempelritter zur Zeit ihrer Bluttaufe
auf dem Rückzüge von Damaskus, am 5. Dezember 1129, und sogar noch beim
Tode Balduius des Zweiten (21. Angust 1131) immer noch keine eigentliche, vom
Papst bestätigte Regel hatten. Prutz sieht darin einen glücklichen Umstand, der dem
Orden eine Anpassung an die besondern Verhältnisse der verschiednen Länder, wo
er bald festen Fuß faßte, erlaubte und namentlich seine Verbreitung und Wirksam¬
R. H. keit in Spanien und Portugal begünstigte.




Für die Herausgabe verantwortlich Karl Weisser in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunom in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig




Maßgebliches und Unmaßgebliches

bürgten Tradition nach auch der gefeierte Bernhard von Clairvaux— beiwohnten,
und wo die Sammlung von vorläufigen, ungeordneten Aufzeichnungen zustande kam,
die man nach Prutzens Ansicht irrtümlich als die „Regel von Troyes" bezeichnet
hat/ Die endgiltige Abfassung der Regel wurde vielmehr aufgeschoben, bis sich der
Patriarch von Jerusalem über gewisse Fragen geäußert hätte.

Hatte also der Aufenthalt in Troyes für Hugo de Papus nicht den gewünschten
Erfolg, so führte ihm die im Anschluß daran unternommne Reise durch Frankreich,
England, Schottland und möglicherweise auch durch Spanien zahlreiche begeisterte
Anhänger zu, besonders aus den Kreisen von Rittern, die „um ihrer Freveltaten
willen, insbesondre, wegen Brandlegung und Vergewaltigung von Geistlichen aus der
Gemeinschaft der Kirche ausgestoßen waren, durch ihren Eintritt Gelegenheit er¬
hielten, sich vom Banne zu lösen und ihre Schuld durch den Kampf gegen die
Ungläubigen zu sühnen".

Die wirksamste Propaganda für die Bestrebungen Hugo de Papus und seiner
Anhänger machte Bernhard von Clairvaux mit seinem Traktat I)s lauÄs novao
militiqcz. Das schnelle Wachstum der Genossenschaft erscheint ihm wie ein durch
göttliche Fügung geschehenes Wunder. „Eine besonders segensreiche soziale Wirkung
des Ordens, schreibt Prutz, sieht er darin, daß das Abendland durch ihn eine Menge,
sittlich, bedenklicher und gefährlicher Elemente los wird, indem zahlreiche Räuber,
Heiligtumschänder und Mörder, Meineidige und Ehebrecher nach dem Osten entfernt
werden, wo man sich ihrer als Helfer gegen die Ungläubigen aufrichtig freut."

Das merkwürdigste ist jedoch, daß die Tempelritter zur Zeit ihrer Bluttaufe
auf dem Rückzüge von Damaskus, am 5. Dezember 1129, und sogar noch beim
Tode Balduius des Zweiten (21. Angust 1131) immer noch keine eigentliche, vom
Papst bestätigte Regel hatten. Prutz sieht darin einen glücklichen Umstand, der dem
Orden eine Anpassung an die besondern Verhältnisse der verschiednen Länder, wo
er bald festen Fuß faßte, erlaubte und namentlich seine Verbreitung und Wirksam¬
R. H. keit in Spanien und Portugal begünstigte.




Für die Herausgabe verantwortlich Karl Weisser in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunom in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig




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[0332] Maßgebliches und Unmaßgebliches bürgten Tradition nach auch der gefeierte Bernhard von Clairvaux— beiwohnten, und wo die Sammlung von vorläufigen, ungeordneten Aufzeichnungen zustande kam, die man nach Prutzens Ansicht irrtümlich als die „Regel von Troyes" bezeichnet hat/ Die endgiltige Abfassung der Regel wurde vielmehr aufgeschoben, bis sich der Patriarch von Jerusalem über gewisse Fragen geäußert hätte. Hatte also der Aufenthalt in Troyes für Hugo de Papus nicht den gewünschten Erfolg, so führte ihm die im Anschluß daran unternommne Reise durch Frankreich, England, Schottland und möglicherweise auch durch Spanien zahlreiche begeisterte Anhänger zu, besonders aus den Kreisen von Rittern, die „um ihrer Freveltaten willen, insbesondre, wegen Brandlegung und Vergewaltigung von Geistlichen aus der Gemeinschaft der Kirche ausgestoßen waren, durch ihren Eintritt Gelegenheit er¬ hielten, sich vom Banne zu lösen und ihre Schuld durch den Kampf gegen die Ungläubigen zu sühnen". Die wirksamste Propaganda für die Bestrebungen Hugo de Papus und seiner Anhänger machte Bernhard von Clairvaux mit seinem Traktat I)s lauÄs novao militiqcz. Das schnelle Wachstum der Genossenschaft erscheint ihm wie ein durch göttliche Fügung geschehenes Wunder. „Eine besonders segensreiche soziale Wirkung des Ordens, schreibt Prutz, sieht er darin, daß das Abendland durch ihn eine Menge, sittlich, bedenklicher und gefährlicher Elemente los wird, indem zahlreiche Räuber, Heiligtumschänder und Mörder, Meineidige und Ehebrecher nach dem Osten entfernt werden, wo man sich ihrer als Helfer gegen die Ungläubigen aufrichtig freut." Das merkwürdigste ist jedoch, daß die Tempelritter zur Zeit ihrer Bluttaufe auf dem Rückzüge von Damaskus, am 5. Dezember 1129, und sogar noch beim Tode Balduius des Zweiten (21. Angust 1131) immer noch keine eigentliche, vom Papst bestätigte Regel hatten. Prutz sieht darin einen glücklichen Umstand, der dem Orden eine Anpassung an die besondern Verhältnisse der verschiednen Länder, wo er bald festen Fuß faßte, erlaubte und namentlich seine Verbreitung und Wirksam¬ R. H. keit in Spanien und Portugal begünstigte. Für die Herausgabe verantwortlich Karl Weisser in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunom in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/332>, abgerufen am 23.07.2024.