Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Mücken Hohngesang verdirbt mir die Lust an dir nicht, und auch nicht das knie¬ Und heute wirst du schön sein, schön wie im Mai, und lustig. Wie ein Ich höre ihn krähen und lache doch. Sterben muß ich, das weiß ich. Hier, - Der Schwarzspecht ist es, der nach Regen ruft. Morgen ist es aus mit der Eine Hütte, blitzend, wie aus altem Silber gefertigt, schimmert unter der Mücken Hohngesang verdirbt mir die Lust an dir nicht, und auch nicht das knie¬ Und heute wirst du schön sein, schön wie im Mai, und lustig. Wie ein Ich höre ihn krähen und lache doch. Sterben muß ich, das weiß ich. Hier, - Der Schwarzspecht ist es, der nach Regen ruft. Morgen ist es aus mit der Eine Hütte, blitzend, wie aus altem Silber gefertigt, schimmert unter der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312659"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1178" prev="#ID_1177"> Mücken Hohngesang verdirbt mir die Lust an dir nicht, und auch nicht das knie¬<lb/> hohe Wasser, der schwarze Schlamm. Wir kennen uns so manches Jahr, und nie<lb/> ward ich deiner leid. Zu allen Zeiten war ich in dir, kam oft mit krauser Stirn<lb/> und kalten Augen und fuhr helläugig und glattstirnig wieder heim. Soweit der<lb/> Himmel blau und die Heide braun ist, bist du mir das liebste hier.</p><lb/> <p xml:id="ID_1179"> Und heute wirst du schön sein, schön wie im Mai, und lustig. Wie ein<lb/> Silberteppich, mit Purpur und Gold gestickt und mit grünem Sammet besetzt, liegst<lb/> du da, wie ein Teppich aus eines Riesen Haus, eine Meile lang hin, eine Meile<lb/> lang her. Eintönig erscheinst du unkundigen Augen, eine leere Wüstenei, und bist<lb/> so reich an Wechsel, mit Schönheit gefüllt und von Zauber durchweht. Seltsame<lb/> Dinge raunen die Krüppelkiefern, und alte Mären rauscht das Ried; dort, wo sich<lb/> der Damm zollte, knallt um Mitternacht der ewige Fuhrmann; bei der Kösterbult<lb/> weint die tote Spinnerin, drüben am Hellberge wiegt die Zwergenkönigin ihr<lb/> Kind in einer goldnen Wiege, und im hohen Holze kräht um die Unterstunde<lb/> der goldne Hahn; das klingt wie ein silbernes Horn. Wer ihn krähen hört,<lb/> der stirbt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1180"> Ich höre ihn krähen und lache doch. Sterben muß ich, das weiß ich. Hier,<lb/> wo unter tausend alten Eichen hundert Quellen springen, da hatte mich der Tod<lb/> eine Stunde lang in der Hand. Bis unter die Arme saß ich im Quellsand. Hätte<lb/> ich geschrien und gezappelt, so umsponnen Eichenwurzeln meine Knochen. Und<lb/> drüben, wo des Moorbachs braune Wasser tückisch hinter dem fahlen Ried funkeln,<lb/> da balgte ich mich eine halbe Stunde lang mit der Moorfrau umher. Sie lieb¬<lb/> koste meine Brust und küßte meinen Mund, aber ich trat sie in ihr scheußlichschönes<lb/> Gesicht und entwand mich ihrer klebrigen Liebe. Ich höre ihn krähen, den goldnen<lb/> Hahn; wie einer silbernen Glocke Klang tönt sein Gesang, und schrilles Lachen<lb/> trillert hinterdrein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1181"> - Der Schwarzspecht ist es, der nach Regen ruft. Morgen ist es aus mit der<lb/> - Flitterpracht der Birken, mit der Heide Silbergeglitzer. Der Nebelhexen graue<lb/> Schar wird über das Land reiten; ihre plundrigen Röcke werden bis in die Porst¬<lb/> büsche hängen, und mit ihren Reiserbesen fegen sie alle Farben aus dem Moore.<lb/> Aber heute ist noch alles bunt. Frisch, wie im Mai, stehn die Wacholder da, die<lb/> Stechpalmen prahlen mit ihrem Korallenschmucke, und die Birken protzen mit Flitter¬<lb/> gold. Allen voran aber ist der Porst. Sein Blattwerk lobt und glüht und gleißt<lb/> im blanken Sonnenlicht so feurigflammend, wie seine Blüten nicht schöner brennen<lb/> um die Zeit, wo der Birkhahn tolle und der Kiebitz gaukelt. Auch an lustigem<lb/> Leben fehlt es nicht: viele, viele Kreuzschnäbel streichen über die Weiße, rot durch¬<lb/> webte Weite, von Birke zu Birke klingt der Goldfinken Flöten, der Häher Gekreisch,<lb/> und von dem hohen Moor schallen der Kraniche Fanfaren herüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_1182" next="#ID_1183"> Eine Hütte, blitzend, wie aus altem Silber gefertigt, schimmert unter der<lb/> krausen Eiche hervor. Manche Nacht lag ich dort auf Heu und auf Stroh, wenn<lb/> es dem Birkhahn galt oder dem uralten Bock, der seit zehn Jahren in der un¬<lb/> durchdringlichen Porstdickung seinen Stand hat. Manches liebe mal sah ich von<lb/> hier die Sonne aufgehn, sah dem Fischaar bei der Fischwelt zu und dem Schwarz¬<lb/> storch beim Neunaugenfang, rief mir mit der Hasenklage den Fuchs heran und<lb/> holte den Reiher aus der Luft herab und trug dem Bock die Kugel an. Aber<lb/> nicht dem alten Bock; und ob ich auf ihn auch weidwerkte von einem Vollmond<lb/> bis zum andern, in der Maikühle fror und in der Junihitze schwitzte, vom Lerchen-<lb/> stieg an Pürschte und bis nach der Uhlenflucht auf ihn anstand, er narrte mich<lb/> ein wie das andremal, und stellte ich es auch noch so klug an, aus der Ellern-<lb/> dickung, wo der Bach den Schlamm mannshoch zusammentrug, wo kein Menschen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
Mücken Hohngesang verdirbt mir die Lust an dir nicht, und auch nicht das knie¬
hohe Wasser, der schwarze Schlamm. Wir kennen uns so manches Jahr, und nie
ward ich deiner leid. Zu allen Zeiten war ich in dir, kam oft mit krauser Stirn
und kalten Augen und fuhr helläugig und glattstirnig wieder heim. Soweit der
Himmel blau und die Heide braun ist, bist du mir das liebste hier.
Und heute wirst du schön sein, schön wie im Mai, und lustig. Wie ein
Silberteppich, mit Purpur und Gold gestickt und mit grünem Sammet besetzt, liegst
du da, wie ein Teppich aus eines Riesen Haus, eine Meile lang hin, eine Meile
lang her. Eintönig erscheinst du unkundigen Augen, eine leere Wüstenei, und bist
so reich an Wechsel, mit Schönheit gefüllt und von Zauber durchweht. Seltsame
Dinge raunen die Krüppelkiefern, und alte Mären rauscht das Ried; dort, wo sich
der Damm zollte, knallt um Mitternacht der ewige Fuhrmann; bei der Kösterbult
weint die tote Spinnerin, drüben am Hellberge wiegt die Zwergenkönigin ihr
Kind in einer goldnen Wiege, und im hohen Holze kräht um die Unterstunde
der goldne Hahn; das klingt wie ein silbernes Horn. Wer ihn krähen hört,
der stirbt.
Ich höre ihn krähen und lache doch. Sterben muß ich, das weiß ich. Hier,
wo unter tausend alten Eichen hundert Quellen springen, da hatte mich der Tod
eine Stunde lang in der Hand. Bis unter die Arme saß ich im Quellsand. Hätte
ich geschrien und gezappelt, so umsponnen Eichenwurzeln meine Knochen. Und
drüben, wo des Moorbachs braune Wasser tückisch hinter dem fahlen Ried funkeln,
da balgte ich mich eine halbe Stunde lang mit der Moorfrau umher. Sie lieb¬
koste meine Brust und küßte meinen Mund, aber ich trat sie in ihr scheußlichschönes
Gesicht und entwand mich ihrer klebrigen Liebe. Ich höre ihn krähen, den goldnen
Hahn; wie einer silbernen Glocke Klang tönt sein Gesang, und schrilles Lachen
trillert hinterdrein.
- Der Schwarzspecht ist es, der nach Regen ruft. Morgen ist es aus mit der
- Flitterpracht der Birken, mit der Heide Silbergeglitzer. Der Nebelhexen graue
Schar wird über das Land reiten; ihre plundrigen Röcke werden bis in die Porst¬
büsche hängen, und mit ihren Reiserbesen fegen sie alle Farben aus dem Moore.
Aber heute ist noch alles bunt. Frisch, wie im Mai, stehn die Wacholder da, die
Stechpalmen prahlen mit ihrem Korallenschmucke, und die Birken protzen mit Flitter¬
gold. Allen voran aber ist der Porst. Sein Blattwerk lobt und glüht und gleißt
im blanken Sonnenlicht so feurigflammend, wie seine Blüten nicht schöner brennen
um die Zeit, wo der Birkhahn tolle und der Kiebitz gaukelt. Auch an lustigem
Leben fehlt es nicht: viele, viele Kreuzschnäbel streichen über die Weiße, rot durch¬
webte Weite, von Birke zu Birke klingt der Goldfinken Flöten, der Häher Gekreisch,
und von dem hohen Moor schallen der Kraniche Fanfaren herüber.
Eine Hütte, blitzend, wie aus altem Silber gefertigt, schimmert unter der
krausen Eiche hervor. Manche Nacht lag ich dort auf Heu und auf Stroh, wenn
es dem Birkhahn galt oder dem uralten Bock, der seit zehn Jahren in der un¬
durchdringlichen Porstdickung seinen Stand hat. Manches liebe mal sah ich von
hier die Sonne aufgehn, sah dem Fischaar bei der Fischwelt zu und dem Schwarz¬
storch beim Neunaugenfang, rief mir mit der Hasenklage den Fuchs heran und
holte den Reiher aus der Luft herab und trug dem Bock die Kugel an. Aber
nicht dem alten Bock; und ob ich auf ihn auch weidwerkte von einem Vollmond
bis zum andern, in der Maikühle fror und in der Junihitze schwitzte, vom Lerchen-
stieg an Pürschte und bis nach der Uhlenflucht auf ihn anstand, er narrte mich
ein wie das andremal, und stellte ich es auch noch so klug an, aus der Ellern-
dickung, wo der Bach den Schlamm mannshoch zusammentrug, wo kein Menschen-
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