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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Was können wir von Japan lernen?

glänzenden Erfolgen beigetragen haben? Wohl kann es das deutsche Heer mit
Stolz erfüllen, daß unsre Schule, in der die japanische Armee erzogen ist, dort
einen vollen Sieg errang. Aber es war nicht die deutsche Schulung im Heere
allein, die es siegreich machte, sondern der vaterlandsliebende, kriegerische,
jugendfrohe, kampfeslustige Geist, der Japans ganzes Volk beseelt und in seinem
Heer den treffendsten Ausdruck findet. Und wie Japan von uns seinen rein
militärischen Heeresdrill gelernt hat, so können wir von ihm lernen, wie man
ein ganzes Volk mit echt kriegerischem Geiste erfüllt, den jede Nation haben
muß, will sie nicht rettungslos dem Verfall entgegengehn.

Es ist das eine große Gegengabe, die uns Japan als Dank für unsre
deutsche Heeresschule bringt, zugleich eine ernste Aufgabe für unser Heer, noch
mehr aber für unser Volk. Denn das Heer und seine Ausbildungsmittel allein
sind nicht dem ungeheuern Werk gewachsen, Vaterlandsliebe, Freude an körper¬
licher Leistung, an Beendigung von Mut, an straffer Selbstzucht anzuerziehen,
die Vorfrucht zu säen für eine zeitgemäße militärische Ausbildung für das
heutige Gefecht, in dem nicht mehr die Masse allein, sondern ebenso die
kriegerische Qualität des Einzelkämpfers den Ausschlag gibt, wie uns wieder
aufs deutlichste der mandschurische Feldzug gezeigt hat.

Die Schützenlinie ist die Trägerin des Kampfes, des Sieges, und wird
es immer mehr bleiben, da die vervollkommneten Waffen nur noch den Einzcl-
kämpfer dulden. In ihr reicht aber die Einwirkung des Führers, ob das ein
Gefreiter, Unteroffizier, Leutnant oder kommandierender General ist, nicht viel
über die nächste Schützengruppe hinaus. spärlich sind in den modernen Heeren
die Chargen, zumal die des aktiven Dienststandes, gesät, an deren Vorbild der
Kämpfer seinen sinkenden Mut stählen kann. Bald müssen im Gefecht auch sie
verschwinden, und zwar um so schneller, je schlapper die Truppe ist, je mehr
sich die Führer deswegen dem Feuer aussetzen müssen, um ihren Einfluß zu
wahren. An ihre Stelle müssen dann beherzte Männer treten: Japan hatte sie
sich zu erziehen gewußt; und auch wir brauchen solche. Denn gerade dieser
führerlose Schützenschwarm ist oft zerrissen bis zur gänzlichen Zusammenhang-
losigkeit; er bleibt dennoch Hauptträger des heutigen schlachtenentscheidcnden
Feuerkampfes; der Schützenlinie können nur dünn und schon vom Gefecht stark
angebrauchte Reserven zugeführt werden, und auch diesen hat das Überschreiten
der allen Kriegserfahrungen nach am stärksten mit Feuer gedeckten Zone hinter
den feuernder Schützen bis in diese hinein schon den besten Teil ihrer Kampf¬
kraft geraubt und sie meist schon in Splitter zersetzt.

Japan hat uns gezeigt, wie die Erziehung des Soldaten, aufgebaut auf
die Erziehung des ganzen Volks, diese Schwierigkeiten des modernen Jnfanterie-
kampfes zu meistern vermag, indem es eben jeden Mann des Volkes zum
Einzelkämpfer erzieht. Und zwar einmal zu einem körperlich gewandten, kräftigen,
geistesgegenwärtigen, wohldisziplinierten Soldaten, andrerseits zu einem seelisch
opfermutigen und todesverachtenden Kämpfer, getragen von einer glühenden


Was können wir von Japan lernen?

glänzenden Erfolgen beigetragen haben? Wohl kann es das deutsche Heer mit
Stolz erfüllen, daß unsre Schule, in der die japanische Armee erzogen ist, dort
einen vollen Sieg errang. Aber es war nicht die deutsche Schulung im Heere
allein, die es siegreich machte, sondern der vaterlandsliebende, kriegerische,
jugendfrohe, kampfeslustige Geist, der Japans ganzes Volk beseelt und in seinem
Heer den treffendsten Ausdruck findet. Und wie Japan von uns seinen rein
militärischen Heeresdrill gelernt hat, so können wir von ihm lernen, wie man
ein ganzes Volk mit echt kriegerischem Geiste erfüllt, den jede Nation haben
muß, will sie nicht rettungslos dem Verfall entgegengehn.

Es ist das eine große Gegengabe, die uns Japan als Dank für unsre
deutsche Heeresschule bringt, zugleich eine ernste Aufgabe für unser Heer, noch
mehr aber für unser Volk. Denn das Heer und seine Ausbildungsmittel allein
sind nicht dem ungeheuern Werk gewachsen, Vaterlandsliebe, Freude an körper¬
licher Leistung, an Beendigung von Mut, an straffer Selbstzucht anzuerziehen,
die Vorfrucht zu säen für eine zeitgemäße militärische Ausbildung für das
heutige Gefecht, in dem nicht mehr die Masse allein, sondern ebenso die
kriegerische Qualität des Einzelkämpfers den Ausschlag gibt, wie uns wieder
aufs deutlichste der mandschurische Feldzug gezeigt hat.

Die Schützenlinie ist die Trägerin des Kampfes, des Sieges, und wird
es immer mehr bleiben, da die vervollkommneten Waffen nur noch den Einzcl-
kämpfer dulden. In ihr reicht aber die Einwirkung des Führers, ob das ein
Gefreiter, Unteroffizier, Leutnant oder kommandierender General ist, nicht viel
über die nächste Schützengruppe hinaus. spärlich sind in den modernen Heeren
die Chargen, zumal die des aktiven Dienststandes, gesät, an deren Vorbild der
Kämpfer seinen sinkenden Mut stählen kann. Bald müssen im Gefecht auch sie
verschwinden, und zwar um so schneller, je schlapper die Truppe ist, je mehr
sich die Führer deswegen dem Feuer aussetzen müssen, um ihren Einfluß zu
wahren. An ihre Stelle müssen dann beherzte Männer treten: Japan hatte sie
sich zu erziehen gewußt; und auch wir brauchen solche. Denn gerade dieser
führerlose Schützenschwarm ist oft zerrissen bis zur gänzlichen Zusammenhang-
losigkeit; er bleibt dennoch Hauptträger des heutigen schlachtenentscheidcnden
Feuerkampfes; der Schützenlinie können nur dünn und schon vom Gefecht stark
angebrauchte Reserven zugeführt werden, und auch diesen hat das Überschreiten
der allen Kriegserfahrungen nach am stärksten mit Feuer gedeckten Zone hinter
den feuernder Schützen bis in diese hinein schon den besten Teil ihrer Kampf¬
kraft geraubt und sie meist schon in Splitter zersetzt.

Japan hat uns gezeigt, wie die Erziehung des Soldaten, aufgebaut auf
die Erziehung des ganzen Volks, diese Schwierigkeiten des modernen Jnfanterie-
kampfes zu meistern vermag, indem es eben jeden Mann des Volkes zum
Einzelkämpfer erzieht. Und zwar einmal zu einem körperlich gewandten, kräftigen,
geistesgegenwärtigen, wohldisziplinierten Soldaten, andrerseits zu einem seelisch
opfermutigen und todesverachtenden Kämpfer, getragen von einer glühenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/30>, abgerufen am 12.12.2024.