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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Karl Schurz

korps, in dem Schurz die dritte Division befehligte, zahlreich vertreten waren.
Ihnen gönnte man keinen Erfolg und suchte ihnen alle Niederlagen zuzu¬
schreiben. Schurz wurde dann Kommandeur des Jnstruktionskorps in Nashville,
in dem die neu errichteten Regimenter ausgebildet werden sollten, nahm aber
bald Urlaub, um sich an der Agitation für die Wiederwahl Lincolns zu be¬
teiligen, und wurde dann der in den Südstaaten stehenden Armee Shermans
zugeteilt, wo er als Generalstabschef des Generals Slocum nach wenigen
Tagen die Nachrichten vom Fall Richmonds und der Kapitulation der Armee
der Südstaaten sowie auch der Ermordung Lincolns erhielt. Der Nest der
Rebellenarmee kapitulierte am 13. April 1864 vor dem General Sherman.
Schurz wurde dann vom Präsidenten Johnson zu einer Bereisung der Süd¬
staaten veranlaßt, die von ihm eingesandten Berichte fanden aber nicht die
Zustimmung des Präsidenten, der wegen seiner versöhnlichen Politik bald mit
den alten Sklavereigegnern und schließlich mit der großen Mehrheit der
republikanischen Partei in Konflikt geriet, was bekanntlich sogar die Erhebung
einer Anklage gegen ihn zur Folge hatte, die selbstverständlich nicht zur Ver¬
urteilung führen konnte.

Schurz war ein heftiger Gegner Johnsons, der sich für seine Auffassung
von der Sklavereifrage zu weit vom Standpunkte Lincolns zu entfernen schien,
mit der Anklage jedoch nicht einverstanden. Er war inzwischen Journalist
geworden, zunächst als Vertreter der New Dort Tribüne in Washington, dann
zog es ihn wieder nach Westen; er übernahm erst die Leitung der neu¬
gegründeten Detroit Post und 1867 die der deutschen Westlichen Post in
Se. Louis, wo er bald als erster Deutscher vom Staate Missouri in den
Bundessenat gewählt wurde. Weihnachten 1863 war Schurz in Wiesbaden
eingetroffen, wo sich seine Familie aus Gesundheitsrücksichten aufhielt, und
kam darauf nach Berlin. Durch Vermittlung Lothar Buchers erhielt er eine
Einladung Bismarcks, der ihn zweimal zu längern vertraulichen Unterhaltungen
empfing. Die Schilderung dieser Unterredungen bildet einen der interessantesten
Teile des zweiten Bandes, wenn sie auch dem deutschen Leser eigentlich wenig
neues zu bieten vermag. Schurz wundert sich namentlich über die unge¬
zwungne Art, mit der Bismarck ihm gegenüber seine persönlichen Beziehungen
zum König Wilhelm schildert, und die allerdings von der zurückhaltender
Manier vieler amerikanischer Staatsmänner, worüber er mehrfach berichtet,
stark abweicht. Neu ist übrigens, daß Bismarck im Januar 1868 den Krieg
mit Frankreich in den nächsten zwei Jahren voraussagte, den er als not¬
wendige Folge des Bonapartismus voraussah, und der zur vollständigen
Einigung Deutschlands und zum wahrscheinlichen Sturz des Kaiserreichs führen
werde. Gemäß seiner ganzen Anschauungsweise und politischen Entwicklung
verrät übrigens Schurz keine besonders warme Sympathie für den Nord¬
deutschen Bund und antwortet Bismarck auf dessen Frage, ob er noch immer
ein so überzeugter Republikaner sei, "daß ich zwar die Republik nicht in allen
Teilen so schön und lieblich gefunden hätte, wie ich sie mir in meiner jugent-


Karl Schurz

korps, in dem Schurz die dritte Division befehligte, zahlreich vertreten waren.
Ihnen gönnte man keinen Erfolg und suchte ihnen alle Niederlagen zuzu¬
schreiben. Schurz wurde dann Kommandeur des Jnstruktionskorps in Nashville,
in dem die neu errichteten Regimenter ausgebildet werden sollten, nahm aber
bald Urlaub, um sich an der Agitation für die Wiederwahl Lincolns zu be¬
teiligen, und wurde dann der in den Südstaaten stehenden Armee Shermans
zugeteilt, wo er als Generalstabschef des Generals Slocum nach wenigen
Tagen die Nachrichten vom Fall Richmonds und der Kapitulation der Armee
der Südstaaten sowie auch der Ermordung Lincolns erhielt. Der Nest der
Rebellenarmee kapitulierte am 13. April 1864 vor dem General Sherman.
Schurz wurde dann vom Präsidenten Johnson zu einer Bereisung der Süd¬
staaten veranlaßt, die von ihm eingesandten Berichte fanden aber nicht die
Zustimmung des Präsidenten, der wegen seiner versöhnlichen Politik bald mit
den alten Sklavereigegnern und schließlich mit der großen Mehrheit der
republikanischen Partei in Konflikt geriet, was bekanntlich sogar die Erhebung
einer Anklage gegen ihn zur Folge hatte, die selbstverständlich nicht zur Ver¬
urteilung führen konnte.

Schurz war ein heftiger Gegner Johnsons, der sich für seine Auffassung
von der Sklavereifrage zu weit vom Standpunkte Lincolns zu entfernen schien,
mit der Anklage jedoch nicht einverstanden. Er war inzwischen Journalist
geworden, zunächst als Vertreter der New Dort Tribüne in Washington, dann
zog es ihn wieder nach Westen; er übernahm erst die Leitung der neu¬
gegründeten Detroit Post und 1867 die der deutschen Westlichen Post in
Se. Louis, wo er bald als erster Deutscher vom Staate Missouri in den
Bundessenat gewählt wurde. Weihnachten 1863 war Schurz in Wiesbaden
eingetroffen, wo sich seine Familie aus Gesundheitsrücksichten aufhielt, und
kam darauf nach Berlin. Durch Vermittlung Lothar Buchers erhielt er eine
Einladung Bismarcks, der ihn zweimal zu längern vertraulichen Unterhaltungen
empfing. Die Schilderung dieser Unterredungen bildet einen der interessantesten
Teile des zweiten Bandes, wenn sie auch dem deutschen Leser eigentlich wenig
neues zu bieten vermag. Schurz wundert sich namentlich über die unge¬
zwungne Art, mit der Bismarck ihm gegenüber seine persönlichen Beziehungen
zum König Wilhelm schildert, und die allerdings von der zurückhaltender
Manier vieler amerikanischer Staatsmänner, worüber er mehrfach berichtet,
stark abweicht. Neu ist übrigens, daß Bismarck im Januar 1868 den Krieg
mit Frankreich in den nächsten zwei Jahren voraussagte, den er als not¬
wendige Folge des Bonapartismus voraussah, und der zur vollständigen
Einigung Deutschlands und zum wahrscheinlichen Sturz des Kaiserreichs führen
werde. Gemäß seiner ganzen Anschauungsweise und politischen Entwicklung
verrät übrigens Schurz keine besonders warme Sympathie für den Nord¬
deutschen Bund und antwortet Bismarck auf dessen Frage, ob er noch immer
ein so überzeugter Republikaner sei, „daß ich zwar die Republik nicht in allen
Teilen so schön und lieblich gefunden hätte, wie ich sie mir in meiner jugent-


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[0298] Karl Schurz korps, in dem Schurz die dritte Division befehligte, zahlreich vertreten waren. Ihnen gönnte man keinen Erfolg und suchte ihnen alle Niederlagen zuzu¬ schreiben. Schurz wurde dann Kommandeur des Jnstruktionskorps in Nashville, in dem die neu errichteten Regimenter ausgebildet werden sollten, nahm aber bald Urlaub, um sich an der Agitation für die Wiederwahl Lincolns zu be¬ teiligen, und wurde dann der in den Südstaaten stehenden Armee Shermans zugeteilt, wo er als Generalstabschef des Generals Slocum nach wenigen Tagen die Nachrichten vom Fall Richmonds und der Kapitulation der Armee der Südstaaten sowie auch der Ermordung Lincolns erhielt. Der Nest der Rebellenarmee kapitulierte am 13. April 1864 vor dem General Sherman. Schurz wurde dann vom Präsidenten Johnson zu einer Bereisung der Süd¬ staaten veranlaßt, die von ihm eingesandten Berichte fanden aber nicht die Zustimmung des Präsidenten, der wegen seiner versöhnlichen Politik bald mit den alten Sklavereigegnern und schließlich mit der großen Mehrheit der republikanischen Partei in Konflikt geriet, was bekanntlich sogar die Erhebung einer Anklage gegen ihn zur Folge hatte, die selbstverständlich nicht zur Ver¬ urteilung führen konnte. Schurz war ein heftiger Gegner Johnsons, der sich für seine Auffassung von der Sklavereifrage zu weit vom Standpunkte Lincolns zu entfernen schien, mit der Anklage jedoch nicht einverstanden. Er war inzwischen Journalist geworden, zunächst als Vertreter der New Dort Tribüne in Washington, dann zog es ihn wieder nach Westen; er übernahm erst die Leitung der neu¬ gegründeten Detroit Post und 1867 die der deutschen Westlichen Post in Se. Louis, wo er bald als erster Deutscher vom Staate Missouri in den Bundessenat gewählt wurde. Weihnachten 1863 war Schurz in Wiesbaden eingetroffen, wo sich seine Familie aus Gesundheitsrücksichten aufhielt, und kam darauf nach Berlin. Durch Vermittlung Lothar Buchers erhielt er eine Einladung Bismarcks, der ihn zweimal zu längern vertraulichen Unterhaltungen empfing. Die Schilderung dieser Unterredungen bildet einen der interessantesten Teile des zweiten Bandes, wenn sie auch dem deutschen Leser eigentlich wenig neues zu bieten vermag. Schurz wundert sich namentlich über die unge¬ zwungne Art, mit der Bismarck ihm gegenüber seine persönlichen Beziehungen zum König Wilhelm schildert, und die allerdings von der zurückhaltender Manier vieler amerikanischer Staatsmänner, worüber er mehrfach berichtet, stark abweicht. Neu ist übrigens, daß Bismarck im Januar 1868 den Krieg mit Frankreich in den nächsten zwei Jahren voraussagte, den er als not¬ wendige Folge des Bonapartismus voraussah, und der zur vollständigen Einigung Deutschlands und zum wahrscheinlichen Sturz des Kaiserreichs führen werde. Gemäß seiner ganzen Anschauungsweise und politischen Entwicklung verrät übrigens Schurz keine besonders warme Sympathie für den Nord¬ deutschen Bund und antwortet Bismarck auf dessen Frage, ob er noch immer ein so überzeugter Republikaner sei, „daß ich zwar die Republik nicht in allen Teilen so schön und lieblich gefunden hätte, wie ich sie mir in meiner jugent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/298>, abgerufen am 12.12.2024.