Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
wie entstand die letzte Wirtschaftskrise in den vereinigten Staaten i>

gerade sie ist uns um so willkommner, als sie auf Spezialkenntnissen ameri¬
kanischer Wirtschaftszustände, von denen der Verfasser schon Zeugnis abgelegt
hat, fußt, willkommen auch, weil sie die Untersuchungen Hermann Schumachers
erweitert und ergänzt. Die Wirkungen jener transatlantischen Krise haben wir
ja auch bei uns genügend gespürt; ein Vorbeugen ähnlicher Ereignisse, die
bei den engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten
wohl jedesmal einen entsprechenden Rückschlag bei uns auslösen würden, fordert
aber eine klare Erkenntnis der Krankheitserscheinungen; sehen wir zu, wie jene
Krisis entstand.

Bekanntlich äußerte sich die Krisis in den Vereinigten Staaten als Geld¬
krisis, d. h. sie trat in einem verhängnisvollen Mangel an Zahlungsmitteln
zutage. Aber dieser Geldmangel ist nur ein Symptom, nicht die Ursache,
kann es schon deswegen nicht sein, weil die Vereinigten Staaten nächst Frank¬
reich den größten Geldumlauf aller Goldländer, den doppelten Geldumlauf
Großbritanniens besitzen. Die offne Krise hat in einem psychologischen
Moment ihren Grund, in dem Zusammenbruch des amerikanischen Optimismus
angesichts eines plötzlichen Konjunkturumschlags, verstündlich wird sie aber erst,
wenn man die einzelnen Ursachen und Phasen dieses einer außergewöhnlichen
Hochkonjunktur folgenden wirtschaftlichen Tiefstandes kennt.

Intensiver als anderswo waren die vier Jahre des Aufschwungs, die der
Krisis vorausgingen, von dem tatkräftigen amerikanischen Volke ausgenutzt
worden, aber mit der wirtschaftlichen Entwicklung, mit der Hochspannung des
Unternehmermutes hatte, das war das Verhängnisvolle, die Kapitalbildung
nicht Schritt gehalten. Der Außenhandel hatte sich seit 1896 verdoppelt,
desgleichen die Roheinnahmen der Eisenbahnen, die Mineraliengewinnung war
auf das Dreifache gestiegen, gewiß Ergebnisse, auf die man stolz sein könnte,
die aber teilweise schon ihr Zustandekommen einem in seinen Spekulationen
zu weit gehenden Unternehmungseifer verdankt hatten. Auf Zusammenfassung
drängten Industrie und Verkehrswesen im letzten Jahrzehnt hin, und dieser
Vorgang, so nützlich er durch Ausschließen oder wenigstens Vermindern der
Konkurrenz wirken kann, so verhängnisvoll kann er wirken durch Festlegung zu
gewaltiger Kapitalmassen, und so wirkte er in diesem Falle. Optimist, wie
der Amerikaner ist, rechnete er mit einem jederzeit genügenden Kapitalangebot,
und die finanziellen Erfolge der ersten großen Zusammenlegungen schienen ja
auch diese Hoffnung zu rechtfertigen; eine Gefahr aber lag in der veränderten
Grundidee, die diese Zusammenlegungen im Verlauf einer natürlichen Ent¬
wicklung annehmen mußten. Aus den freiwilligen Zusammenschlüssen der
Werkbesitzer wurde nach und nach ein Auslaufen um jeden Preis seitens ge¬
wisser Unternehmerkreise, die eben bei konsequenter Durchführung ihrer Monopol¬
bestrebungen gezwungen waren, den ihres Vorteils wohl bewußten, zurück¬
haltender Betrieben Bedingungen anzubieten, die eine Überkapitalisierung der
neuen Gesellschaft zur Folge haben mußten. Nicht der wahre Wert der zu


wie entstand die letzte Wirtschaftskrise in den vereinigten Staaten i>

gerade sie ist uns um so willkommner, als sie auf Spezialkenntnissen ameri¬
kanischer Wirtschaftszustände, von denen der Verfasser schon Zeugnis abgelegt
hat, fußt, willkommen auch, weil sie die Untersuchungen Hermann Schumachers
erweitert und ergänzt. Die Wirkungen jener transatlantischen Krise haben wir
ja auch bei uns genügend gespürt; ein Vorbeugen ähnlicher Ereignisse, die
bei den engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten
wohl jedesmal einen entsprechenden Rückschlag bei uns auslösen würden, fordert
aber eine klare Erkenntnis der Krankheitserscheinungen; sehen wir zu, wie jene
Krisis entstand.

Bekanntlich äußerte sich die Krisis in den Vereinigten Staaten als Geld¬
krisis, d. h. sie trat in einem verhängnisvollen Mangel an Zahlungsmitteln
zutage. Aber dieser Geldmangel ist nur ein Symptom, nicht die Ursache,
kann es schon deswegen nicht sein, weil die Vereinigten Staaten nächst Frank¬
reich den größten Geldumlauf aller Goldländer, den doppelten Geldumlauf
Großbritanniens besitzen. Die offne Krise hat in einem psychologischen
Moment ihren Grund, in dem Zusammenbruch des amerikanischen Optimismus
angesichts eines plötzlichen Konjunkturumschlags, verstündlich wird sie aber erst,
wenn man die einzelnen Ursachen und Phasen dieses einer außergewöhnlichen
Hochkonjunktur folgenden wirtschaftlichen Tiefstandes kennt.

Intensiver als anderswo waren die vier Jahre des Aufschwungs, die der
Krisis vorausgingen, von dem tatkräftigen amerikanischen Volke ausgenutzt
worden, aber mit der wirtschaftlichen Entwicklung, mit der Hochspannung des
Unternehmermutes hatte, das war das Verhängnisvolle, die Kapitalbildung
nicht Schritt gehalten. Der Außenhandel hatte sich seit 1896 verdoppelt,
desgleichen die Roheinnahmen der Eisenbahnen, die Mineraliengewinnung war
auf das Dreifache gestiegen, gewiß Ergebnisse, auf die man stolz sein könnte,
die aber teilweise schon ihr Zustandekommen einem in seinen Spekulationen
zu weit gehenden Unternehmungseifer verdankt hatten. Auf Zusammenfassung
drängten Industrie und Verkehrswesen im letzten Jahrzehnt hin, und dieser
Vorgang, so nützlich er durch Ausschließen oder wenigstens Vermindern der
Konkurrenz wirken kann, so verhängnisvoll kann er wirken durch Festlegung zu
gewaltiger Kapitalmassen, und so wirkte er in diesem Falle. Optimist, wie
der Amerikaner ist, rechnete er mit einem jederzeit genügenden Kapitalangebot,
und die finanziellen Erfolge der ersten großen Zusammenlegungen schienen ja
auch diese Hoffnung zu rechtfertigen; eine Gefahr aber lag in der veränderten
Grundidee, die diese Zusammenlegungen im Verlauf einer natürlichen Ent¬
wicklung annehmen mußten. Aus den freiwilligen Zusammenschlüssen der
Werkbesitzer wurde nach und nach ein Auslaufen um jeden Preis seitens ge¬
wisser Unternehmerkreise, die eben bei konsequenter Durchführung ihrer Monopol¬
bestrebungen gezwungen waren, den ihres Vorteils wohl bewußten, zurück¬
haltender Betrieben Bedingungen anzubieten, die eine Überkapitalisierung der
neuen Gesellschaft zur Folge haben mußten. Nicht der wahre Wert der zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312639"/>
          <fw type="header" place="top">  wie entstand die letzte Wirtschaftskrise in den vereinigten Staaten i&gt;</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1101" prev="#ID_1100"> gerade sie ist uns um so willkommner, als sie auf Spezialkenntnissen ameri¬<lb/>
kanischer Wirtschaftszustände, von denen der Verfasser schon Zeugnis abgelegt<lb/>
hat, fußt, willkommen auch, weil sie die Untersuchungen Hermann Schumachers<lb/>
erweitert und ergänzt. Die Wirkungen jener transatlantischen Krise haben wir<lb/>
ja auch bei uns genügend gespürt; ein Vorbeugen ähnlicher Ereignisse, die<lb/>
bei den engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten<lb/>
wohl jedesmal einen entsprechenden Rückschlag bei uns auslösen würden, fordert<lb/>
aber eine klare Erkenntnis der Krankheitserscheinungen; sehen wir zu, wie jene<lb/>
Krisis entstand.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1102"> Bekanntlich äußerte sich die Krisis in den Vereinigten Staaten als Geld¬<lb/>
krisis, d. h. sie trat in einem verhängnisvollen Mangel an Zahlungsmitteln<lb/>
zutage. Aber dieser Geldmangel ist nur ein Symptom, nicht die Ursache,<lb/>
kann es schon deswegen nicht sein, weil die Vereinigten Staaten nächst Frank¬<lb/>
reich den größten Geldumlauf aller Goldländer, den doppelten Geldumlauf<lb/>
Großbritanniens besitzen. Die offne Krise hat in einem psychologischen<lb/>
Moment ihren Grund, in dem Zusammenbruch des amerikanischen Optimismus<lb/>
angesichts eines plötzlichen Konjunkturumschlags, verstündlich wird sie aber erst,<lb/>
wenn man die einzelnen Ursachen und Phasen dieses einer außergewöhnlichen<lb/>
Hochkonjunktur folgenden wirtschaftlichen Tiefstandes kennt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1103" next="#ID_1104"> Intensiver als anderswo waren die vier Jahre des Aufschwungs, die der<lb/>
Krisis vorausgingen, von dem tatkräftigen amerikanischen Volke ausgenutzt<lb/>
worden, aber mit der wirtschaftlichen Entwicklung, mit der Hochspannung des<lb/>
Unternehmermutes hatte, das war das Verhängnisvolle, die Kapitalbildung<lb/>
nicht Schritt gehalten. Der Außenhandel hatte sich seit 1896 verdoppelt,<lb/>
desgleichen die Roheinnahmen der Eisenbahnen, die Mineraliengewinnung war<lb/>
auf das Dreifache gestiegen, gewiß Ergebnisse, auf die man stolz sein könnte,<lb/>
die aber teilweise schon ihr Zustandekommen einem in seinen Spekulationen<lb/>
zu weit gehenden Unternehmungseifer verdankt hatten. Auf Zusammenfassung<lb/>
drängten Industrie und Verkehrswesen im letzten Jahrzehnt hin, und dieser<lb/>
Vorgang, so nützlich er durch Ausschließen oder wenigstens Vermindern der<lb/>
Konkurrenz wirken kann, so verhängnisvoll kann er wirken durch Festlegung zu<lb/>
gewaltiger Kapitalmassen, und so wirkte er in diesem Falle. Optimist, wie<lb/>
der Amerikaner ist, rechnete er mit einem jederzeit genügenden Kapitalangebot,<lb/>
und die finanziellen Erfolge der ersten großen Zusammenlegungen schienen ja<lb/>
auch diese Hoffnung zu rechtfertigen; eine Gefahr aber lag in der veränderten<lb/>
Grundidee, die diese Zusammenlegungen im Verlauf einer natürlichen Ent¬<lb/>
wicklung annehmen mußten. Aus den freiwilligen Zusammenschlüssen der<lb/>
Werkbesitzer wurde nach und nach ein Auslaufen um jeden Preis seitens ge¬<lb/>
wisser Unternehmerkreise, die eben bei konsequenter Durchführung ihrer Monopol¬<lb/>
bestrebungen gezwungen waren, den ihres Vorteils wohl bewußten, zurück¬<lb/>
haltender Betrieben Bedingungen anzubieten, die eine Überkapitalisierung der<lb/>
neuen Gesellschaft zur Folge haben mußten.  Nicht der wahre Wert der zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0288] wie entstand die letzte Wirtschaftskrise in den vereinigten Staaten i> gerade sie ist uns um so willkommner, als sie auf Spezialkenntnissen ameri¬ kanischer Wirtschaftszustände, von denen der Verfasser schon Zeugnis abgelegt hat, fußt, willkommen auch, weil sie die Untersuchungen Hermann Schumachers erweitert und ergänzt. Die Wirkungen jener transatlantischen Krise haben wir ja auch bei uns genügend gespürt; ein Vorbeugen ähnlicher Ereignisse, die bei den engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten wohl jedesmal einen entsprechenden Rückschlag bei uns auslösen würden, fordert aber eine klare Erkenntnis der Krankheitserscheinungen; sehen wir zu, wie jene Krisis entstand. Bekanntlich äußerte sich die Krisis in den Vereinigten Staaten als Geld¬ krisis, d. h. sie trat in einem verhängnisvollen Mangel an Zahlungsmitteln zutage. Aber dieser Geldmangel ist nur ein Symptom, nicht die Ursache, kann es schon deswegen nicht sein, weil die Vereinigten Staaten nächst Frank¬ reich den größten Geldumlauf aller Goldländer, den doppelten Geldumlauf Großbritanniens besitzen. Die offne Krise hat in einem psychologischen Moment ihren Grund, in dem Zusammenbruch des amerikanischen Optimismus angesichts eines plötzlichen Konjunkturumschlags, verstündlich wird sie aber erst, wenn man die einzelnen Ursachen und Phasen dieses einer außergewöhnlichen Hochkonjunktur folgenden wirtschaftlichen Tiefstandes kennt. Intensiver als anderswo waren die vier Jahre des Aufschwungs, die der Krisis vorausgingen, von dem tatkräftigen amerikanischen Volke ausgenutzt worden, aber mit der wirtschaftlichen Entwicklung, mit der Hochspannung des Unternehmermutes hatte, das war das Verhängnisvolle, die Kapitalbildung nicht Schritt gehalten. Der Außenhandel hatte sich seit 1896 verdoppelt, desgleichen die Roheinnahmen der Eisenbahnen, die Mineraliengewinnung war auf das Dreifache gestiegen, gewiß Ergebnisse, auf die man stolz sein könnte, die aber teilweise schon ihr Zustandekommen einem in seinen Spekulationen zu weit gehenden Unternehmungseifer verdankt hatten. Auf Zusammenfassung drängten Industrie und Verkehrswesen im letzten Jahrzehnt hin, und dieser Vorgang, so nützlich er durch Ausschließen oder wenigstens Vermindern der Konkurrenz wirken kann, so verhängnisvoll kann er wirken durch Festlegung zu gewaltiger Kapitalmassen, und so wirkte er in diesem Falle. Optimist, wie der Amerikaner ist, rechnete er mit einem jederzeit genügenden Kapitalangebot, und die finanziellen Erfolge der ersten großen Zusammenlegungen schienen ja auch diese Hoffnung zu rechtfertigen; eine Gefahr aber lag in der veränderten Grundidee, die diese Zusammenlegungen im Verlauf einer natürlichen Ent¬ wicklung annehmen mußten. Aus den freiwilligen Zusammenschlüssen der Werkbesitzer wurde nach und nach ein Auslaufen um jeden Preis seitens ge¬ wisser Unternehmerkreise, die eben bei konsequenter Durchführung ihrer Monopol¬ bestrebungen gezwungen waren, den ihres Vorteils wohl bewußten, zurück¬ haltender Betrieben Bedingungen anzubieten, die eine Überkapitalisierung der neuen Gesellschaft zur Folge haben mußten. Nicht der wahre Wert der zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/288
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/288>, abgerufen am 23.07.2024.