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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die gegenwärtige militärische Tage Hsterreich-Ungarns gegen Serbien und Montenegro

so müßte an dieser Flußbarriere jeder feindliche Vormarsch aus Ost-Südost zum
Stehen kommen; deshalb wird der Angreifer danach trachten, sich dieser Über¬
gänge zu bemächtigen. Die erwähnten Übergangspunkte wurden demgemäß
noch in den achtziger Jahren befestigt und neuerdings durch mehrere feld¬
mäßige Anlagen verstärkt. So besitzt Foca drei verteidigungsfähige Kasernen,
Visegrad eine verteidigungsfähige Kaserne und zwei offne Batterien, Zvornik
eine alte türkische, von Österreich adaptierte Feste, die das Tal und die Straße
nach Dolna Tuzla und die Drina beherrscht. Von besondrer Bedeutung unter
diesen Übergangspunkten ist Visegrad als die bequemste Ausfallpforte gegen
Serbien. Hier mündet unweit des Ortes, bei Vardiste, die böhmische Ostbahn
und eine gute für Wagentransport geeignete Straße. Für den weitern Vor¬
marsch landeinwärts ergeben sich insofern günstige Verhältnisse, als von hier
über die Mokra gora nach Uzice eine fahrbare Kommunikation führt, die im
Tale der westlichen Morava ihre Fortsetzung in das Straßen- und hilfsquellen¬
reiche Tal der zentralen Morava findet. Ein Vormarsch aus dem Brücken¬
kopfe von Visegrad heraus müßte jedoch von Rogatica und Gorazda her unter¬
stützt werden. Bei der Verteidigung der obern Drina fällt der Umstand stark
ins Gewicht, daß auf österreichischem Boden in der Strecke Gorazda - Rogatica
keine den Fluß begleitende Straße führt, und daß sich jenseits der Grenze sehr
hohe Mittelgebirgsrücken auftürmen, die ein Überschreiten des Grenzwalles nur
auf den gegen die genannten Übergangspunkte zusammenströmenden Kom¬
munikationen zulassen. Daraus geht auch die Bedeutung von Visegrad, Gorazda
und Rogatica hervor, der österreichischerseits durch Truppenverstärkungen ent¬
sprochen wurde.

Abwärts von Rogatica sind bemerkenswert das serbische Ljubovija, die
alte türkische Feste Zvornik, das serbische Loznica und der Kommunikations¬
knoten Bjelina. Im Raume Rogatica - Loznica schiebt sich auf serbischen Boden
ein bis 1300 Meter hoher Mittelgebirgsrücken quer über die Vormarschlinien;
er wird nur von wenigen Kommunikationen überschritten, die fast ausnahmslos
in die vorhin erwähnten Flußpunkte münden. Serbien hat schon in den
siebziger Jahren den wichtigsten Uferort Loznica befestigt, die verfallnen Forti-
fikationen wurden neuerdings aufgefrischt; die Feste Zvornik wird von dem
auf serbischen Gebiete liegenden Maki-Zvornik beherrscht, wie überhaupt ab¬
wärts von Loznica das serbische Drinaufer das böhmische um mindest einen
Meter überragt und fast überall eine verdeckte Annäherung und Ansammlung
gestattet, während das böhmische meist frei und offen daliegt. Diese Umstände
erschweren nicht nur die Grenzbeobachtung und Sicherung, sondern auch das
Überschreiten des Flußhindernisses und die hierzu nötigen Brückenarbeiter. Um
gegen Überraschungen vollkommen gesichert zu sein, müßten die wichtigsten Ge¬
birgspässe des früher erwähnten Mittelgebirges besetzt werden. Die große
Entfernung der einzelnen Übergänge ist auch als eine Gefahr zu bezeichnen,
der man nur durch ein umfassendes, unterstützendes und darum zeitlich genau
umgrenztes Vorbrechen begegnen könnte.


Die gegenwärtige militärische Tage Hsterreich-Ungarns gegen Serbien und Montenegro

so müßte an dieser Flußbarriere jeder feindliche Vormarsch aus Ost-Südost zum
Stehen kommen; deshalb wird der Angreifer danach trachten, sich dieser Über¬
gänge zu bemächtigen. Die erwähnten Übergangspunkte wurden demgemäß
noch in den achtziger Jahren befestigt und neuerdings durch mehrere feld¬
mäßige Anlagen verstärkt. So besitzt Foca drei verteidigungsfähige Kasernen,
Visegrad eine verteidigungsfähige Kaserne und zwei offne Batterien, Zvornik
eine alte türkische, von Österreich adaptierte Feste, die das Tal und die Straße
nach Dolna Tuzla und die Drina beherrscht. Von besondrer Bedeutung unter
diesen Übergangspunkten ist Visegrad als die bequemste Ausfallpforte gegen
Serbien. Hier mündet unweit des Ortes, bei Vardiste, die böhmische Ostbahn
und eine gute für Wagentransport geeignete Straße. Für den weitern Vor¬
marsch landeinwärts ergeben sich insofern günstige Verhältnisse, als von hier
über die Mokra gora nach Uzice eine fahrbare Kommunikation führt, die im
Tale der westlichen Morava ihre Fortsetzung in das Straßen- und hilfsquellen¬
reiche Tal der zentralen Morava findet. Ein Vormarsch aus dem Brücken¬
kopfe von Visegrad heraus müßte jedoch von Rogatica und Gorazda her unter¬
stützt werden. Bei der Verteidigung der obern Drina fällt der Umstand stark
ins Gewicht, daß auf österreichischem Boden in der Strecke Gorazda - Rogatica
keine den Fluß begleitende Straße führt, und daß sich jenseits der Grenze sehr
hohe Mittelgebirgsrücken auftürmen, die ein Überschreiten des Grenzwalles nur
auf den gegen die genannten Übergangspunkte zusammenströmenden Kom¬
munikationen zulassen. Daraus geht auch die Bedeutung von Visegrad, Gorazda
und Rogatica hervor, der österreichischerseits durch Truppenverstärkungen ent¬
sprochen wurde.

Abwärts von Rogatica sind bemerkenswert das serbische Ljubovija, die
alte türkische Feste Zvornik, das serbische Loznica und der Kommunikations¬
knoten Bjelina. Im Raume Rogatica - Loznica schiebt sich auf serbischen Boden
ein bis 1300 Meter hoher Mittelgebirgsrücken quer über die Vormarschlinien;
er wird nur von wenigen Kommunikationen überschritten, die fast ausnahmslos
in die vorhin erwähnten Flußpunkte münden. Serbien hat schon in den
siebziger Jahren den wichtigsten Uferort Loznica befestigt, die verfallnen Forti-
fikationen wurden neuerdings aufgefrischt; die Feste Zvornik wird von dem
auf serbischen Gebiete liegenden Maki-Zvornik beherrscht, wie überhaupt ab¬
wärts von Loznica das serbische Drinaufer das böhmische um mindest einen
Meter überragt und fast überall eine verdeckte Annäherung und Ansammlung
gestattet, während das böhmische meist frei und offen daliegt. Diese Umstände
erschweren nicht nur die Grenzbeobachtung und Sicherung, sondern auch das
Überschreiten des Flußhindernisses und die hierzu nötigen Brückenarbeiter. Um
gegen Überraschungen vollkommen gesichert zu sein, müßten die wichtigsten Ge¬
birgspässe des früher erwähnten Mittelgebirges besetzt werden. Die große
Entfernung der einzelnen Übergänge ist auch als eine Gefahr zu bezeichnen,
der man nur durch ein umfassendes, unterstützendes und darum zeitlich genau
umgrenztes Vorbrechen begegnen könnte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/283>, abgerufen am 25.08.2024.