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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Arbeiterbevölkerung, Sparkassen und Staatsschuld

sanken seiner Bewohner gelingen wird, seine Einnahmen mit seinen Ausgaben
wieder in das richtige Verhältnis zu bringen und aus seiner Schuldenwirtschaft
herauszukommen. Dann aber werden seine öffentlichen Anleihen nicht mehr den
heimischen Markt überschwemmen, und mit der größer" Nachfrage nach den
Papieren wird auch wieder ein höherer Preis dafür bezahlt werden müssen.
Daß jemand, der diese Papiere zu dem heutigen billigen Preise einkauft, später
einmal an ihnen einen hübschen Kursgewinn erlangen wird, ist so sicher wie
Amen in der Kirche.

Weshalb aber sollen wir die Arbeiterbevölkerung an einem so sichern Ge¬
winn nicht auch teilnehmen lassen? Wir werden ihr damit nicht nur zu einem
materiellen Gewinn verhelfen. Nein, wir werden zugleich auch moralisch auf
sie einwirken, wir werden den Sparsamkeitstrieb in ihr wecken und fördern
helfen. Mit dem Augenblick, wo der Arbeiter an seinen Reichs-, Staats- und
Kommunalanleihen neben den ausbedungnen laufenden Zinsen auch noch vier
Prozent am Kurse gewinnt, wird er doppelt bemüht sein, sich ein zweites und
drittes von den guten Papieren zuzulegen. Die Freude über die erlangte Neben¬
einnahme wird ihn zu weiteren Gewinn anreizen, und der kann ihm nur zu¬
fallen, wenn er sich auch weiter kleine Einschränkungen in seiner Lebenshaltung
auferlegt und die so erübrigten Gelder auf die Sparkasse trägt. Schließlich
hat er sich so an das Sparen gewöhnt, daß es des Anreizes durch die Aussicht
auf besondre Gewinne nicht mehr bedarf. Aber der gegenwärtige niedrige Kurs¬
stand unsrer Papiere ist eine so günstige Gelegenheit zur Weckung des Spar¬
samkeitstriebes in den ärmern Bevölkerungsschichten, daß wir sie nicht unbenutzt
vorübergehen lassen dürfen.

Es bietet keine technischen Schwierigkeiten, dem Arbeiter, der 100 oder
150 Mark gespart hat, für diese Betrüge ein Wertpapier auszuhändigen, das
bei der Sparkasse gegen geringe Depotgebühren von zehn bis zwanzig Pfennig
für je 100 Mark im Jahre in Verwahrung bleiben könnte. Sparkasse und
Arbeitgeber müßten es sich in gleicher Weise angelegen sein lassen, den Arbeiter
über die Vorzüge des Ankaufs von öffentlichen Schuldtiteln aufzuklären. Da,
wo in Industriezentren, wie dem Waldenburger, durch Unternehmerverbände
oder Arbeiterwohlvereine eigne Zeitungen zur Belehrung und Fortbildung der
Arbeiterbevölkerung herausgegeben werden, könnte die Aufklärung der Arbeiter
über die neue Spargelegenheit durch diese Zeitungen erfolgen. Sonst müßten
Vorträge und Flugblätter diese Aufgabe übernehmen. Auch brauchten die Spar¬
kassen nicht zu befürchten, daß ihnen allzuviel Zinsüberschüsse durch den Eigen¬
erwerb der Papiere durch die Sparer verloren gehen möchten. Durch die Auf¬
klärung über das Wesen der Wertpapiere soll ja in letzter Linie der Sparsam¬
keitstrieb gehoben werden. Es werden Guthaben von der Bank abgehoben, das
ist wahr. Aber dafür werden auch desto mehr neue Einlagen eingezahlt, und
zu einem Teil sind die Kassen auch schon durch die Aufbewahrungsgebühren
für die Effekten entschädigt.


Arbeiterbevölkerung, Sparkassen und Staatsschuld

sanken seiner Bewohner gelingen wird, seine Einnahmen mit seinen Ausgaben
wieder in das richtige Verhältnis zu bringen und aus seiner Schuldenwirtschaft
herauszukommen. Dann aber werden seine öffentlichen Anleihen nicht mehr den
heimischen Markt überschwemmen, und mit der größer» Nachfrage nach den
Papieren wird auch wieder ein höherer Preis dafür bezahlt werden müssen.
Daß jemand, der diese Papiere zu dem heutigen billigen Preise einkauft, später
einmal an ihnen einen hübschen Kursgewinn erlangen wird, ist so sicher wie
Amen in der Kirche.

Weshalb aber sollen wir die Arbeiterbevölkerung an einem so sichern Ge¬
winn nicht auch teilnehmen lassen? Wir werden ihr damit nicht nur zu einem
materiellen Gewinn verhelfen. Nein, wir werden zugleich auch moralisch auf
sie einwirken, wir werden den Sparsamkeitstrieb in ihr wecken und fördern
helfen. Mit dem Augenblick, wo der Arbeiter an seinen Reichs-, Staats- und
Kommunalanleihen neben den ausbedungnen laufenden Zinsen auch noch vier
Prozent am Kurse gewinnt, wird er doppelt bemüht sein, sich ein zweites und
drittes von den guten Papieren zuzulegen. Die Freude über die erlangte Neben¬
einnahme wird ihn zu weiteren Gewinn anreizen, und der kann ihm nur zu¬
fallen, wenn er sich auch weiter kleine Einschränkungen in seiner Lebenshaltung
auferlegt und die so erübrigten Gelder auf die Sparkasse trägt. Schließlich
hat er sich so an das Sparen gewöhnt, daß es des Anreizes durch die Aussicht
auf besondre Gewinne nicht mehr bedarf. Aber der gegenwärtige niedrige Kurs¬
stand unsrer Papiere ist eine so günstige Gelegenheit zur Weckung des Spar¬
samkeitstriebes in den ärmern Bevölkerungsschichten, daß wir sie nicht unbenutzt
vorübergehen lassen dürfen.

Es bietet keine technischen Schwierigkeiten, dem Arbeiter, der 100 oder
150 Mark gespart hat, für diese Betrüge ein Wertpapier auszuhändigen, das
bei der Sparkasse gegen geringe Depotgebühren von zehn bis zwanzig Pfennig
für je 100 Mark im Jahre in Verwahrung bleiben könnte. Sparkasse und
Arbeitgeber müßten es sich in gleicher Weise angelegen sein lassen, den Arbeiter
über die Vorzüge des Ankaufs von öffentlichen Schuldtiteln aufzuklären. Da,
wo in Industriezentren, wie dem Waldenburger, durch Unternehmerverbände
oder Arbeiterwohlvereine eigne Zeitungen zur Belehrung und Fortbildung der
Arbeiterbevölkerung herausgegeben werden, könnte die Aufklärung der Arbeiter
über die neue Spargelegenheit durch diese Zeitungen erfolgen. Sonst müßten
Vorträge und Flugblätter diese Aufgabe übernehmen. Auch brauchten die Spar¬
kassen nicht zu befürchten, daß ihnen allzuviel Zinsüberschüsse durch den Eigen¬
erwerb der Papiere durch die Sparer verloren gehen möchten. Durch die Auf¬
klärung über das Wesen der Wertpapiere soll ja in letzter Linie der Sparsam¬
keitstrieb gehoben werden. Es werden Guthaben von der Bank abgehoben, das
ist wahr. Aber dafür werden auch desto mehr neue Einlagen eingezahlt, und
zu einem Teil sind die Kassen auch schon durch die Aufbewahrungsgebühren
für die Effekten entschädigt.


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[0028] Arbeiterbevölkerung, Sparkassen und Staatsschuld sanken seiner Bewohner gelingen wird, seine Einnahmen mit seinen Ausgaben wieder in das richtige Verhältnis zu bringen und aus seiner Schuldenwirtschaft herauszukommen. Dann aber werden seine öffentlichen Anleihen nicht mehr den heimischen Markt überschwemmen, und mit der größer» Nachfrage nach den Papieren wird auch wieder ein höherer Preis dafür bezahlt werden müssen. Daß jemand, der diese Papiere zu dem heutigen billigen Preise einkauft, später einmal an ihnen einen hübschen Kursgewinn erlangen wird, ist so sicher wie Amen in der Kirche. Weshalb aber sollen wir die Arbeiterbevölkerung an einem so sichern Ge¬ winn nicht auch teilnehmen lassen? Wir werden ihr damit nicht nur zu einem materiellen Gewinn verhelfen. Nein, wir werden zugleich auch moralisch auf sie einwirken, wir werden den Sparsamkeitstrieb in ihr wecken und fördern helfen. Mit dem Augenblick, wo der Arbeiter an seinen Reichs-, Staats- und Kommunalanleihen neben den ausbedungnen laufenden Zinsen auch noch vier Prozent am Kurse gewinnt, wird er doppelt bemüht sein, sich ein zweites und drittes von den guten Papieren zuzulegen. Die Freude über die erlangte Neben¬ einnahme wird ihn zu weiteren Gewinn anreizen, und der kann ihm nur zu¬ fallen, wenn er sich auch weiter kleine Einschränkungen in seiner Lebenshaltung auferlegt und die so erübrigten Gelder auf die Sparkasse trägt. Schließlich hat er sich so an das Sparen gewöhnt, daß es des Anreizes durch die Aussicht auf besondre Gewinne nicht mehr bedarf. Aber der gegenwärtige niedrige Kurs¬ stand unsrer Papiere ist eine so günstige Gelegenheit zur Weckung des Spar¬ samkeitstriebes in den ärmern Bevölkerungsschichten, daß wir sie nicht unbenutzt vorübergehen lassen dürfen. Es bietet keine technischen Schwierigkeiten, dem Arbeiter, der 100 oder 150 Mark gespart hat, für diese Betrüge ein Wertpapier auszuhändigen, das bei der Sparkasse gegen geringe Depotgebühren von zehn bis zwanzig Pfennig für je 100 Mark im Jahre in Verwahrung bleiben könnte. Sparkasse und Arbeitgeber müßten es sich in gleicher Weise angelegen sein lassen, den Arbeiter über die Vorzüge des Ankaufs von öffentlichen Schuldtiteln aufzuklären. Da, wo in Industriezentren, wie dem Waldenburger, durch Unternehmerverbände oder Arbeiterwohlvereine eigne Zeitungen zur Belehrung und Fortbildung der Arbeiterbevölkerung herausgegeben werden, könnte die Aufklärung der Arbeiter über die neue Spargelegenheit durch diese Zeitungen erfolgen. Sonst müßten Vorträge und Flugblätter diese Aufgabe übernehmen. Auch brauchten die Spar¬ kassen nicht zu befürchten, daß ihnen allzuviel Zinsüberschüsse durch den Eigen¬ erwerb der Papiere durch die Sparer verloren gehen möchten. Durch die Auf¬ klärung über das Wesen der Wertpapiere soll ja in letzter Linie der Sparsam¬ keitstrieb gehoben werden. Es werden Guthaben von der Bank abgehoben, das ist wahr. Aber dafür werden auch desto mehr neue Einlagen eingezahlt, und zu einem Teil sind die Kassen auch schon durch die Aufbewahrungsgebühren für die Effekten entschädigt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/28>, abgerufen am 12.12.2024.