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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die mittelalterliche Kirchenbaukunst in der Terra ti Bari

auch jetzt noch das Hauptausfuhrgebiet Italiens an Wein und Olivenöl ist.
Um so mehr fällt daher die Öde und Stille, der Mangel menschlicher Wohn¬
stätten in diesen von Nebengarten, Olivenhainen und Baumwollenkulturen
förmlich übersponnenen Strecken auf. Nur da, wo sich das wellige Gelände,
das landeinwärts der einförmig fortlaufende Gebirgskamm der Le Murgie und
dahinter die Pyramide des längst erloschnen Vulkans Vulture begrenzt, hier
als flache Sandbank, dort als eine niedere, von Grotten durchfurchte Mauer
nach dem Meere senkt, haben sich, Schwänen gleich, blühende, weißschimmernde
Städte hingelagert. Man könnte sich beim Anblick dieser blendenden, flach¬
gedeckten Häuserreihen, zwischen denen niedere Kuppeln, schlanke minaretähn¬
liche Türme emporragen, in des Orients bunte, fremdartige Welt versetzt
glauben, wären nur jene hohen, finstern Kirchenmauern, jene dräuenden Zwing¬
burgen nicht, aus denen klar der Geist abendländischen Kirchenregiments und
mittelalterlich-nordischer Feudalherrschaft zu uns redet. Sie alle sind in jenen
Tagen entstanden, wo Apulien unter der Herrschaft der Normannenkönige aus
dem Hause Hauteville und ihrer Nachfolger, der Hohenstaufen, ein einziges"
mal eine führende Rolle in der Geschichte der Völker gespielt hat. Kein Wunder
darum, daß dort unten die Namen eines König Rogers, eines Kaiser Friedrichs
des Zweiten und seines unglücklichen Sohnes Manfred noch immer voll Ehr¬
furcht und Dankbarkeit, fast wie die Personifikation des goldnen Zeitalters,
von Geschlecht zu Geschlecht fortklingen.

Man mag über die Art, wie sich die Normannen als eine von Jerusalem
heimkehrende Pilgerschar durch List und persönliche Tapferkeit nach und nach
in den Besitz des damals von innern Zwistigkeiten zerspaltnen Landes gesetzt
haben, denken, wie man will, fest steht jedenfalls, daß ihm damit im großen
und ganzen eine Wohltat sondergleichen geschah. Denn zum erstenmale, seit
es im sechsten Jahrhundert Goten, später Langobarden, Byzantiner und Deutsche
um seinen Besitz ringen, ja im neunten Jahrhundert auf den Zinnen seiner
Städte sogar die Fahne des Propheten aufpflanzen sah, durste es sich unter
dem kraftvollen Zepter seiner neuen Herrscher einer ungeahnt raschen Entwicklung
erfreuen. Besonders hob sich unter der verständigen Finanzwirtschaft der ersten
Normannenfürsten der Reichtum und das Ansehen der Städte. Nicht nur die
an der Küste liegenden, so Tram, Brindisi, Giovinazzo, Molfetta, Biscegli,
Bari, blühten infolge der nun regern Handelsbeziehungen mit dem Orient
empor, auch landeinwärts erlangten Andria, Corato, Bitonto, Terlizzi eine er¬
höhte Bedeutung, besonders als Kaiser Friedrich der Zweite, der Erbe des
Normännenthrons beider Sizilien, seine Residenz von Palermo nach dem sonnigen
Apulien verlegte.

Mit solchen Zeiten des politischen und wirtschaftlichen Aufschwungs geht
auch gewöhnlich ein solcher auf dem Gebiete der Kunst Hand in Hand. Es
kann deshalb beinahe als etwas selbstverständliches erscheinen, daß alsbald
in Apulien eine rege Bautätigkeit begann. Werke wurden dadurch ins Leben


Die mittelalterliche Kirchenbaukunst in der Terra ti Bari

auch jetzt noch das Hauptausfuhrgebiet Italiens an Wein und Olivenöl ist.
Um so mehr fällt daher die Öde und Stille, der Mangel menschlicher Wohn¬
stätten in diesen von Nebengarten, Olivenhainen und Baumwollenkulturen
förmlich übersponnenen Strecken auf. Nur da, wo sich das wellige Gelände,
das landeinwärts der einförmig fortlaufende Gebirgskamm der Le Murgie und
dahinter die Pyramide des längst erloschnen Vulkans Vulture begrenzt, hier
als flache Sandbank, dort als eine niedere, von Grotten durchfurchte Mauer
nach dem Meere senkt, haben sich, Schwänen gleich, blühende, weißschimmernde
Städte hingelagert. Man könnte sich beim Anblick dieser blendenden, flach¬
gedeckten Häuserreihen, zwischen denen niedere Kuppeln, schlanke minaretähn¬
liche Türme emporragen, in des Orients bunte, fremdartige Welt versetzt
glauben, wären nur jene hohen, finstern Kirchenmauern, jene dräuenden Zwing¬
burgen nicht, aus denen klar der Geist abendländischen Kirchenregiments und
mittelalterlich-nordischer Feudalherrschaft zu uns redet. Sie alle sind in jenen
Tagen entstanden, wo Apulien unter der Herrschaft der Normannenkönige aus
dem Hause Hauteville und ihrer Nachfolger, der Hohenstaufen, ein einziges«
mal eine führende Rolle in der Geschichte der Völker gespielt hat. Kein Wunder
darum, daß dort unten die Namen eines König Rogers, eines Kaiser Friedrichs
des Zweiten und seines unglücklichen Sohnes Manfred noch immer voll Ehr¬
furcht und Dankbarkeit, fast wie die Personifikation des goldnen Zeitalters,
von Geschlecht zu Geschlecht fortklingen.

Man mag über die Art, wie sich die Normannen als eine von Jerusalem
heimkehrende Pilgerschar durch List und persönliche Tapferkeit nach und nach
in den Besitz des damals von innern Zwistigkeiten zerspaltnen Landes gesetzt
haben, denken, wie man will, fest steht jedenfalls, daß ihm damit im großen
und ganzen eine Wohltat sondergleichen geschah. Denn zum erstenmale, seit
es im sechsten Jahrhundert Goten, später Langobarden, Byzantiner und Deutsche
um seinen Besitz ringen, ja im neunten Jahrhundert auf den Zinnen seiner
Städte sogar die Fahne des Propheten aufpflanzen sah, durste es sich unter
dem kraftvollen Zepter seiner neuen Herrscher einer ungeahnt raschen Entwicklung
erfreuen. Besonders hob sich unter der verständigen Finanzwirtschaft der ersten
Normannenfürsten der Reichtum und das Ansehen der Städte. Nicht nur die
an der Küste liegenden, so Tram, Brindisi, Giovinazzo, Molfetta, Biscegli,
Bari, blühten infolge der nun regern Handelsbeziehungen mit dem Orient
empor, auch landeinwärts erlangten Andria, Corato, Bitonto, Terlizzi eine er¬
höhte Bedeutung, besonders als Kaiser Friedrich der Zweite, der Erbe des
Normännenthrons beider Sizilien, seine Residenz von Palermo nach dem sonnigen
Apulien verlegte.

Mit solchen Zeiten des politischen und wirtschaftlichen Aufschwungs geht
auch gewöhnlich ein solcher auf dem Gebiete der Kunst Hand in Hand. Es
kann deshalb beinahe als etwas selbstverständliches erscheinen, daß alsbald
in Apulien eine rege Bautätigkeit begann. Werke wurden dadurch ins Leben


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[0263] Die mittelalterliche Kirchenbaukunst in der Terra ti Bari auch jetzt noch das Hauptausfuhrgebiet Italiens an Wein und Olivenöl ist. Um so mehr fällt daher die Öde und Stille, der Mangel menschlicher Wohn¬ stätten in diesen von Nebengarten, Olivenhainen und Baumwollenkulturen förmlich übersponnenen Strecken auf. Nur da, wo sich das wellige Gelände, das landeinwärts der einförmig fortlaufende Gebirgskamm der Le Murgie und dahinter die Pyramide des längst erloschnen Vulkans Vulture begrenzt, hier als flache Sandbank, dort als eine niedere, von Grotten durchfurchte Mauer nach dem Meere senkt, haben sich, Schwänen gleich, blühende, weißschimmernde Städte hingelagert. Man könnte sich beim Anblick dieser blendenden, flach¬ gedeckten Häuserreihen, zwischen denen niedere Kuppeln, schlanke minaretähn¬ liche Türme emporragen, in des Orients bunte, fremdartige Welt versetzt glauben, wären nur jene hohen, finstern Kirchenmauern, jene dräuenden Zwing¬ burgen nicht, aus denen klar der Geist abendländischen Kirchenregiments und mittelalterlich-nordischer Feudalherrschaft zu uns redet. Sie alle sind in jenen Tagen entstanden, wo Apulien unter der Herrschaft der Normannenkönige aus dem Hause Hauteville und ihrer Nachfolger, der Hohenstaufen, ein einziges« mal eine führende Rolle in der Geschichte der Völker gespielt hat. Kein Wunder darum, daß dort unten die Namen eines König Rogers, eines Kaiser Friedrichs des Zweiten und seines unglücklichen Sohnes Manfred noch immer voll Ehr¬ furcht und Dankbarkeit, fast wie die Personifikation des goldnen Zeitalters, von Geschlecht zu Geschlecht fortklingen. Man mag über die Art, wie sich die Normannen als eine von Jerusalem heimkehrende Pilgerschar durch List und persönliche Tapferkeit nach und nach in den Besitz des damals von innern Zwistigkeiten zerspaltnen Landes gesetzt haben, denken, wie man will, fest steht jedenfalls, daß ihm damit im großen und ganzen eine Wohltat sondergleichen geschah. Denn zum erstenmale, seit es im sechsten Jahrhundert Goten, später Langobarden, Byzantiner und Deutsche um seinen Besitz ringen, ja im neunten Jahrhundert auf den Zinnen seiner Städte sogar die Fahne des Propheten aufpflanzen sah, durste es sich unter dem kraftvollen Zepter seiner neuen Herrscher einer ungeahnt raschen Entwicklung erfreuen. Besonders hob sich unter der verständigen Finanzwirtschaft der ersten Normannenfürsten der Reichtum und das Ansehen der Städte. Nicht nur die an der Küste liegenden, so Tram, Brindisi, Giovinazzo, Molfetta, Biscegli, Bari, blühten infolge der nun regern Handelsbeziehungen mit dem Orient empor, auch landeinwärts erlangten Andria, Corato, Bitonto, Terlizzi eine er¬ höhte Bedeutung, besonders als Kaiser Friedrich der Zweite, der Erbe des Normännenthrons beider Sizilien, seine Residenz von Palermo nach dem sonnigen Apulien verlegte. Mit solchen Zeiten des politischen und wirtschaftlichen Aufschwungs geht auch gewöhnlich ein solcher auf dem Gebiete der Kunst Hand in Hand. Es kann deshalb beinahe als etwas selbstverständliches erscheinen, daß alsbald in Apulien eine rege Bautätigkeit begann. Werke wurden dadurch ins Leben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/263>, abgerufen am 23.07.2024.