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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung

k) Angelegenheiten betreffend die Gründung von Aktiengesellschaften, wenn
hierbei um eine Ausnahme von den bestehenden Gesetzen nachgesucht wird;

hö) Angelegenheiten, die der Duma auf besondern Allerhöchsten Wunsch
vorgelegt werden.


Anmerkung.

Der Befugnis der Reichsduma unterliegen auch die Voranschläge und
Verteilungen der ländlichen Abgaben in den Bezirken, in denen die Sjemstwoverwaltungen
nicht eingeführt sind, ferner Angelegenheiten betreffend die Erhöhung von ländlichen oder
städtischen Steuern über die durch die Sjemstwoversammlungen und Stadtdumen festgestellten
Grenzen hinaus. (Siehe Reglement für die Sjemstwoverwaltung Paragraph 94, die Städte¬
ordnung Paragraph 88 und die Stadtordnung für Se. Petersburg Paragraph 6 und 78; alte
Gesetzsammlung Bd. II von 1892.)

Die eben aufgezählten Befugnisse der Reichsduma sind jedoch beschränkt
durch Artikel 9 und 10 des ersten Bandes, Teil II der Gesetzsammlung von
1906, die ihrerseits den Paragraphen 8 und 9 der Anlage zum Mas vom
8. März 1906 entsprechen und lauten:

Artikel 8. Bei der Beratung des Voranschlags des Neichsbudgets können
solche Einnahmen und Ausgaben nicht abgelehnt oder abgeändert werden, die in
das Budget auf Grund bestehender von der obersten Regierungsgewalt erlassener
Gesetze, Verordnungen, Etats, Budgets und Allerhöchster Befehle aufgenommen
worden sind.

Artikel 9. Im Reichsrat und in der Reichsduma gelegentlich der Besprechung
des Budgetentwurfs aufkommende Vorschläge betreffend a) die Abänderung be¬
stehender Gesetze, Verordnungen, Etats und Allerhöchster Befehle, denen zufolge
Einnahmen und Ausgaben in das Budget aufgenommen worden sind, und b) Assi¬
gnierungen für dem Fiskus früher nicht zur Last fallende Bedürfnisse finden ihre
weitere Erledigung in der für die Prüfung gesetzgeberischer Angelegenheiten vor-
geschriebnen Ordnung.


Peter Struve

bezeichnet diese Vorschriften als den Angelpunkt des
russischen Budgetrechts. Das stimmt insofern, als er und seine politischen
Freunde, die Demokraten, hier die wichtigste Position der Bureaukratie er¬
kennen, aus der sie durch die Volksvertretung herausgedrängt werden soll.
Tatsächlich können die Artikel mit den Bestimmungen der preußischen Kon¬
stitution von 1850 (Artikel 109) und mit Artikel 67 der japanischen verglichen
werden, wenn sie auch in ihren Beschränkungen weit über deren Absichten
hinausgehn. Denn neben den "Gesetzen, Verordnungen, Etats, Budgets"
sollen auch "Allerhöchste Befehle" Geltung haben. Das will sagen: wie
bisher kann die Bureaukratie geschlossen durch den Ministerrat
oder jeder Minister oder gar jede hochgestellte Persönlichkeit ein¬
zeln beim Zaren einen "Allerhöchsten Befehl" auswirken, an dem
weder der Reichsrat noch die Reichsduma etwas ändern können.
Die in Artikel 13 bis 15 angeführten Beschränkungen haben daneben nur ge¬
ringen praktischen Wert.*) Wie wesentlich die Rückwirkung der "Allerhöchsten
Befehle" auf die Gestaltung der Finanzen aber sein kann, geht aus einem



5) Text siehe: Aus Rußlands Not und Hoffen, Bd. II, S. 223.
Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung

k) Angelegenheiten betreffend die Gründung von Aktiengesellschaften, wenn
hierbei um eine Ausnahme von den bestehenden Gesetzen nachgesucht wird;

hö) Angelegenheiten, die der Duma auf besondern Allerhöchsten Wunsch
vorgelegt werden.


Anmerkung.

Der Befugnis der Reichsduma unterliegen auch die Voranschläge und
Verteilungen der ländlichen Abgaben in den Bezirken, in denen die Sjemstwoverwaltungen
nicht eingeführt sind, ferner Angelegenheiten betreffend die Erhöhung von ländlichen oder
städtischen Steuern über die durch die Sjemstwoversammlungen und Stadtdumen festgestellten
Grenzen hinaus. (Siehe Reglement für die Sjemstwoverwaltung Paragraph 94, die Städte¬
ordnung Paragraph 88 und die Stadtordnung für Se. Petersburg Paragraph 6 und 78; alte
Gesetzsammlung Bd. II von 1892.)

Die eben aufgezählten Befugnisse der Reichsduma sind jedoch beschränkt
durch Artikel 9 und 10 des ersten Bandes, Teil II der Gesetzsammlung von
1906, die ihrerseits den Paragraphen 8 und 9 der Anlage zum Mas vom
8. März 1906 entsprechen und lauten:

Artikel 8. Bei der Beratung des Voranschlags des Neichsbudgets können
solche Einnahmen und Ausgaben nicht abgelehnt oder abgeändert werden, die in
das Budget auf Grund bestehender von der obersten Regierungsgewalt erlassener
Gesetze, Verordnungen, Etats, Budgets und Allerhöchster Befehle aufgenommen
worden sind.

Artikel 9. Im Reichsrat und in der Reichsduma gelegentlich der Besprechung
des Budgetentwurfs aufkommende Vorschläge betreffend a) die Abänderung be¬
stehender Gesetze, Verordnungen, Etats und Allerhöchster Befehle, denen zufolge
Einnahmen und Ausgaben in das Budget aufgenommen worden sind, und b) Assi¬
gnierungen für dem Fiskus früher nicht zur Last fallende Bedürfnisse finden ihre
weitere Erledigung in der für die Prüfung gesetzgeberischer Angelegenheiten vor-
geschriebnen Ordnung.


Peter Struve

bezeichnet diese Vorschriften als den Angelpunkt des
russischen Budgetrechts. Das stimmt insofern, als er und seine politischen
Freunde, die Demokraten, hier die wichtigste Position der Bureaukratie er¬
kennen, aus der sie durch die Volksvertretung herausgedrängt werden soll.
Tatsächlich können die Artikel mit den Bestimmungen der preußischen Kon¬
stitution von 1850 (Artikel 109) und mit Artikel 67 der japanischen verglichen
werden, wenn sie auch in ihren Beschränkungen weit über deren Absichten
hinausgehn. Denn neben den „Gesetzen, Verordnungen, Etats, Budgets"
sollen auch „Allerhöchste Befehle" Geltung haben. Das will sagen: wie
bisher kann die Bureaukratie geschlossen durch den Ministerrat
oder jeder Minister oder gar jede hochgestellte Persönlichkeit ein¬
zeln beim Zaren einen „Allerhöchsten Befehl" auswirken, an dem
weder der Reichsrat noch die Reichsduma etwas ändern können.
Die in Artikel 13 bis 15 angeführten Beschränkungen haben daneben nur ge¬
ringen praktischen Wert.*) Wie wesentlich die Rückwirkung der „Allerhöchsten
Befehle" auf die Gestaltung der Finanzen aber sein kann, geht aus einem



5) Text siehe: Aus Rußlands Not und Hoffen, Bd. II, S. 223.
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[0235] Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung k) Angelegenheiten betreffend die Gründung von Aktiengesellschaften, wenn hierbei um eine Ausnahme von den bestehenden Gesetzen nachgesucht wird; hö) Angelegenheiten, die der Duma auf besondern Allerhöchsten Wunsch vorgelegt werden. Anmerkung. Der Befugnis der Reichsduma unterliegen auch die Voranschläge und Verteilungen der ländlichen Abgaben in den Bezirken, in denen die Sjemstwoverwaltungen nicht eingeführt sind, ferner Angelegenheiten betreffend die Erhöhung von ländlichen oder städtischen Steuern über die durch die Sjemstwoversammlungen und Stadtdumen festgestellten Grenzen hinaus. (Siehe Reglement für die Sjemstwoverwaltung Paragraph 94, die Städte¬ ordnung Paragraph 88 und die Stadtordnung für Se. Petersburg Paragraph 6 und 78; alte Gesetzsammlung Bd. II von 1892.) Die eben aufgezählten Befugnisse der Reichsduma sind jedoch beschränkt durch Artikel 9 und 10 des ersten Bandes, Teil II der Gesetzsammlung von 1906, die ihrerseits den Paragraphen 8 und 9 der Anlage zum Mas vom 8. März 1906 entsprechen und lauten: Artikel 8. Bei der Beratung des Voranschlags des Neichsbudgets können solche Einnahmen und Ausgaben nicht abgelehnt oder abgeändert werden, die in das Budget auf Grund bestehender von der obersten Regierungsgewalt erlassener Gesetze, Verordnungen, Etats, Budgets und Allerhöchster Befehle aufgenommen worden sind. Artikel 9. Im Reichsrat und in der Reichsduma gelegentlich der Besprechung des Budgetentwurfs aufkommende Vorschläge betreffend a) die Abänderung be¬ stehender Gesetze, Verordnungen, Etats und Allerhöchster Befehle, denen zufolge Einnahmen und Ausgaben in das Budget aufgenommen worden sind, und b) Assi¬ gnierungen für dem Fiskus früher nicht zur Last fallende Bedürfnisse finden ihre weitere Erledigung in der für die Prüfung gesetzgeberischer Angelegenheiten vor- geschriebnen Ordnung. Peter Struve bezeichnet diese Vorschriften als den Angelpunkt des russischen Budgetrechts. Das stimmt insofern, als er und seine politischen Freunde, die Demokraten, hier die wichtigste Position der Bureaukratie er¬ kennen, aus der sie durch die Volksvertretung herausgedrängt werden soll. Tatsächlich können die Artikel mit den Bestimmungen der preußischen Kon¬ stitution von 1850 (Artikel 109) und mit Artikel 67 der japanischen verglichen werden, wenn sie auch in ihren Beschränkungen weit über deren Absichten hinausgehn. Denn neben den „Gesetzen, Verordnungen, Etats, Budgets" sollen auch „Allerhöchste Befehle" Geltung haben. Das will sagen: wie bisher kann die Bureaukratie geschlossen durch den Ministerrat oder jeder Minister oder gar jede hochgestellte Persönlichkeit ein¬ zeln beim Zaren einen „Allerhöchsten Befehl" auswirken, an dem weder der Reichsrat noch die Reichsduma etwas ändern können. Die in Artikel 13 bis 15 angeführten Beschränkungen haben daneben nur ge¬ ringen praktischen Wert.*) Wie wesentlich die Rückwirkung der „Allerhöchsten Befehle" auf die Gestaltung der Finanzen aber sein kann, geht aus einem 5) Text siehe: Aus Rußlands Not und Hoffen, Bd. II, S. 223.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/235>, abgerufen am 01.07.2024.